Basisdemokratisches Bündnis:

Studiengebühren als Ersatz für die staatliche Finanzierung

Die erste systematische Nutzung von Studiengebühren als Ersatz für fehlende Haushaltsmittel läuft an

Allmählich werden die Bandagen im Kampf um die Verwendung von Studiengebühren härter. Bei ihrer Einführung in Göttingen hatte man noch betont, Studiengebühren würden nur zur Verbesserung der Lehre verwendet. Dies sollte damit gewährleistet werden, dass die Studierenden an der Entscheidung über die Verwendung der Gebühren angeblich gleichberechtigt beteiligt seien. Solange es nicht zu größeren Konflikten über die Verwendung kam, konnte diese Fassade gewahrt bleiben. Damit ist es nun vorbei.

Hintergrund

Mit der Einführung von BA/MA und der immer weiteren Verschulung der Lehre ist der Verwaltungsaufwand für die Organisation derselben stark gestiegen. Offiziell zuständig hierfür sind der Studiendekan und die Studienkommission. Der Studiendekan wird aus den Reihen der Hochschullehrer_innen gewählt, die Studienkommission setzt sich aus Vertreter_innen aller Statusgruppen an der Uni zusammen. Sie ist das einzige Gremium in dem die Studierenden das selbe Stimmengewicht wie die Professor_innenschaft haben. Dem gestiegenen Aufwand für die Organisation der Lehre soll mit einer „Profesionalisierung“ genannten Umstrukturierung des Studiendekanats begegnet werden. Der/die gewählte Dekan_in soll nun mindestens drei Jahre im Amt bleiben. Die Amtsübergabe samt Einarbeitung soll besser organisiert werden und dem Dekanat soll mehr Personal für Verwaltung zur Verfügung stehen. Zusätzlich soll es mehr Beratungsangebote geben.

Der Haken

Den Sinn einer solchen Umstrukturierung bestreitet niemand. Allein: Diese Erweiterung soll aus Studiengebühren finanziert werden. Die Argumentation: Die verbesserte Organisation führt zu einer besseren Betreuung der Studiengänge und damit zu einer Verbesserung der Lehre. Mit dieser Argumentation ließe sich jede Investition in die Uni als Verbesserung der Lehre etikettieren. Weitreichender ist aber, dass die Erweiterung des Dekanats erst durch die Einführung der bürokratischen Monster BA/MA unumgänglich geworden ist. Sie ist also nötig um auf lange Sicht überhaupt den Lehrbetrieb aufrecht erhalten zu können, nicht um seine Qualität zu verbessern. Dies haben auch die Macher_innen der „Richtlinie über die Verwendung von Studienbeiträgen an der Georg-August-Universität Göttingen“ gewusst. Deshalb haben sie für den jetzigen Fall vorgesorgt. In der Richtlinie ist fest gelegt, dass die Gebühren nur für Maßnahmen, die der Verbesserung der Lehre dienen, eingesetzt werden dürfen. Dies wird genauer bestimmt. Unter §12(3) heißt es: „Maßnahmen im Sinne des Abs. 1 (Verbesserung der Lehre) sind insbesondere nicht (...) d) die Finanzierung des für die neuen Studiengänge erforderlichen Beratungsangebots, sofern das Angebot nicht der Ergänzung des im erforderlichen Ausmaß bereitgestellten Angebots dient, sowie e) die Finanzierung des für die neuen Studiengänge erforderlichen Prüfungsverwaltungsaufwandes.“

Die Rechtslage ist also eigentlich eindeutig. Doch nun fängt das Präsidium an Fakten zu schaffen. Es bietet den Fakultäten an, sich an der Finanzierung der Umstrukturierung zu beteiligen, unter der Bedingung, dass sowohl aus dem uniweiten Studiengebührentopf als auch aus den Töpfen der einzelnen Fakultäten Geld beigesteuert wird. Dieser Betrag beläuft sich z.B. an der Philosophischen Fakultät auf 222.000 Euro pro Jahr. So hat das Präsidium den Fakultäten die Pistole auf die Brust gesetzt. Entweder sie schaffen es an den Fakultäten, das Geld aus den Studiengebührentöpfen zu bekommen, oder sie werden mit dem Verwaltungsaufwand allein gelassen. Die Professor_innen und Dekane, die eben auch nur Deutsche sind, haben diese Erpressung mit der landesüblichen Methode beantwortet. Während man sich der Erpressung von oben beugt, setzt man sich gegen den Willen der schwächeren Statusgruppe durch. Die von studentischer Seite durch die ADF besetzte Kommission zur Verwaltung des uniweiten Studiengebührentopfes (ZKLS) hat dem ganzen Plan ohnehin ihren Placet gegeben, hat doch die ADF diese Pläne in ihrer Zeitung Wadenbeisser Nr. 73 abgefeiert, weil man sie an ihrer Erstellung beteiligt hatte. („Gute Lehre braucht gutes Management“, S. 4)

Demokratie ist wenn man trotzdem lacht

Bei der Durchsetzung der Pläne auf Fakultätsebene zeigt sich dann auch, was von dem Mitbestimmungsrecht der Studierenden bei der Verwendung von Studiengebühren zu halten ist. Hier wird immer der Eindruck vermittelt, als sei es die Studienkommission, die über die Gebühren entscheidet. Dort hätten die Studierenden auf Grund der Zusammensetzung der Kommission tatsächlich Einfluss auf die Entscheidungen. Ein genauer Blick auf das Merkblatt „Entscheidungswege für die Verwendung der Studienbeiträge“ entlarvt diesen Eindruck jedoch als Schein. Denn es ist der Fakultätsrat, der letztlich über die Verwendung der Studiengebühren entscheidet. Hier haben die Professor_innen eine komfortable Übermacht, mit der sie jede Entscheidung durchdrücken können. Weicht der Beschluss des Fakultätsrates von dem der Studienkommission ab, so wird dieser Beschluss noch einmal der Studienkommission vorgelegt. Diese darf ihn dann kommentieren. Er wird darauf hin noch einmal dem Fakultätsrat vorgelegt, der dann seine Entscheidung endgültig treffen kann. Die Mitglieder sind dabei gehalten die Kommentare der Studienkommission zur Kenntnis zu nehmen - oder im Klartext: diese sind für die Tonne produziert. Genau so ist es nun an der Philosophischen Fakultät passiert. Dort hatte die Studienkommission die Freigabe der entsprechenden Mittel verweigert. Im Fakultätsrat wurde sie nun mit der Mehrheit der Professor_innenstimmen und gegen die Stimmen der studentischen Vertreter_innen beschlossen. Damit ist ein perfektes Drehbuch gegeben, wie die Aushöhlung des Substitutionsverbotes in den nächsten Jahren ablaufen wird.


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