Bachelorette:
Reform, Umbau oder Abbau?
Die Umstellung der Studienabschlüsse von Diplom/Magister auf B.A./M.A. schreiten mit großen Schritten voran. An diversen niedersächsischen Unis sind alle Fachbereiche bereits auf die neuen Abschlüsse umgestellt - es gab sogar Provisionen für eine schnelle Umsetzung.
Die neuen Abschlüsse sollen uns Studierende als notwendige, moderne und zeitgemäße Reformen verkauft werden. Angeblich lassen sich mit dem Bachelorstudiengang von 6 Semestern „wissenschaftliche Grundlagen für eine komplexe berufliche Tätigkeit oder eine wissenschaftliche Laufbahn” erwerben. Das dieses kaum so sein kann, lässt sich daran erkennen, wie im Zusammenhang der Modulbildung Lerninhalte auf das nötigste zusammengeschrumpft werden. Das Studium wird modularisiert – sprich zunehmend verschult. Es wird Pflichtmodule für die einzelnen Fächer geben, darüber hinaus aber kaum eine Wahlmöglichkeit. Eigene Interessenschwerpunkte werden nur noch innerhalb des schrumpfenden Angebots wahrgenommen werden können. Durch diese Modularisierung wird den Studierenden die Wahlmöglichkeit abgenommen – sie werden wie unmündige Kinder behandelt. Wissenschaftlich bewegen wir uns nur noch innerhalb eines fachlich eng umzirkelten Gartenzauns. Die Studienfreiheit ist nur noch ein formelles Aushängeschild.
Diese neue Form soll angeblich eine bessere internationale Vergleichbarkeit bringen und zu einer quantitativen Studienzeitverkürzung beitragen. Es ist die Frage, wie sich diese Vergleichbarkeit umsetzen kann bei derzeit ca. 500 verschiedenen B.A. Systemen innerhalb Europas.
Wer sich die Mühe macht hinter die scheinbar schöne, innovative und moderne Fassade zu schauen, erkennt wirtschaftliche Verwertungsinteressen, an die sich unsere Uni, auch durch die Umwandlung in eine Stiftungsuni, gebunden hat. Folgen dieser vielbeschworenen Reform werden eine erhöhte Selektivität von Bildung sein, wie auch das Privatisieren von Ausbildungskosten.
Was passiert an unserer Uni?
Bisher konnte man schon 6 Fächer auf B.A./B.Sc. und Master hier in Göttingen studieren. (Agrarwissenschaften, Angewandte Informatik, Forstwissenschaften und Waldökologie, Geowissenschaften, Internationale Wirtschaft und Accounting). Alle weiteren Fächer sollen jetzt der Umstrukturierung folgen. Schwierig scheint die Modulbildung im Bereich der Sozial-, Geisteswissenschaften zu sein. Wie lassen sich Lehrinhalte, die sich in einem Auseinandersetzungsprozess mit Inhalten erst ergeben, in verwertbaren Modulen umsetzten?
An der Uni herrscht zur Zeit Chaos. Neue Prüfungsordnungen verwirren Studierende wie Lehrende. Wer hat zur Zeit noch einen Durchblick darüber, wie noch auf Magister zu Ende studiert werden kann und welche bisherigen Leistungen anerkannt werden? Was wird für die neuen Lehrmodule anerkannt? Der Magisterabschluss soll sich sozusagen ausschleichen, obwohl immer noch Leute mit einem Magisterstudiengang angenommen werden, für die der Lehrplan kaum noch Lehrangebote anbietet. Pflichtmodule überschneiden sich zeitlich – Wahlkomponenten werden kaum angeboten. Der Fachbereich Pädagogik wird derzeit ebenfalls zusammengeschrumpft. Schon letztes Jahr hieß es auf einer VV, dass 80% der derzeitigen Dozenten im kommenden Jahr die Uni verlassen und diese Stellen nicht wieder besetzt werden.
Nimmt das Pädagogische Seminar die Umstrukturierung auf B.A. an, so wird man Pädagogik nur als Moduleinheit innerhalb der Sozialwissenschaften studieren können. Im Fachbereich Ethnologie werden die regionalen Schwerpunkte von 4 auf 2 reduziert. Wer eine andere Interessenlage hat, muss eben an eine andere Uni gehen. Das nennt man dann Wettbewerb unter den Unis.
Konkrete Umsetzungspläne für die kommenden Monate gibt es für die weiteren Studiengänge wie Lehramt, Bio, Physik, Pädagogik, Sozialwissenschaften u.a.
Mit der Zwischenprüfung auf den Arbeitsmarkt
Die neuen Bachelorabschlüsse können durchaus mit dem Erreichen der Zwischenprüfung gleichgesetzt werden. Viele Qualifikationen wird man sich in der Zeit nicht erwerben können. Auf einer VV in Pädagogik wurden Befürworter der neuen Prüfungsordnung gefragt, wo sich denn so ein Berufsbild B.A. in Sozialwissenschaften auf dem Arbeitsmarkt eingliedert. Welche Qualifikationen werden damit erworben, liegen die erworbenen Fähigkeiten über einem Sozialpädagogen oder darunter? Auf diese Frage konnte keiner der Befürworter eine andere Antwort geben, als dass der Arbeitsmarkt das dann noch sehen müsse, wo sich diese Leute dann unterbringen lassen und dass sie noch keine konkreten Vorstellungen über Berufsprofile diesbezüglich haben. Stimmt Euch so etwas nicht nachdenklich?
Fakt ist, dass der B.A. unter anderem in Geistes- und Sozialwissenschaften wenig brauchbare Qualifikationen mit sich bringt. Schon letztes Jahr haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass durch die Umstrukturierung der Studiengänge auf B.A. Abschlüsse neue Fachhochschulabschlüsse geschaffen werden. Am Ende liegen die eigentlichen erworbenen Qualifikationen noch darunter. Es wird Jahre dauern bis Arbeitgeber, wie auch Personalabteilungen, B.A. Absolventen über Qualifikationen einordnen können. Es gibt bisher keinen Überblick über Qualifikationen und welche Kompetenzen sich hinter diesem Abschluss verbergen. Für viele B.A. Absolventen wird der öffentliche Dienst eine Anlaufstelle sein, doch werden sie kaum Zugang zu Positionen im höheren Dienst bekommen. Von der fachlichen Qualifikation liegen FH Absolventen darüber, und auch hier wird man bevorzugt auf Absolventen mit mindestens 8 Semestern Studienzeit zurückgreifen. Mit dieser Umstrukturierung produziert die Uni ganz deutlich Schmalspurabschlüsse mit wenig Qualifikationen, welche aber als berufsqualifizierender Abschluss gewertet werden.
Masterabschluss, Bafög und Elitebildung
Ein Zweitstudium ist derzeit bereits gebührenpflichtig und kostet 500 Euro pro Semester. Ein Masterabschluss, soweit er eine bestimmte Qualifikation zu Ende bringt, z.B. Lehrer, gilt als konsekutiv und wird vermutlich laut HRG vorerst [6. HRGÄndG 2002b, § 27, Abs. 4.] gebührenfrei bleiben. Es ist Unisache, welche Masterstudiengänge dann der Weiterbildung dienen, also nicht als konsekutive (gestufter) Studiengänge aufgefasst werden. Damit würden diese Masterstudiengänge gebührenpflichtig. Über die Höhe der Gebühren waren Modelle von bis zu 1500 Euro pro Semester im Gespräch. Neben der finanziellen Selektion, durch die nur noch die einen Masterabschluss machen können, die das nötige Kleingeld dafür besitzen, gibt es noch die Übergangsprüfung, die es zu bestehen gilt. Auch hier wird nur ein Bestehen in einer Quote von 20-50% angestrebt. Das ist Elitenbildung sondergleichen.
Es ist auch davon auszugehen, dass dieses neu gebildete Klassensystem der Bildung Frauen wieder von höherer Qualifikation abdrängt, dass sich viele mit ihrem B.A. Abschluss zufrieden geben (müssen) und danach mit dem Studium aufhören. Hier wird der Uni Elfenbeinturm wieder männlich und klassenbürgerlich dicht gemacht. (Siehe dazu „Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen verstärkt Geschlechterhierarchien”, S. 5)
Wie sich das Bafög-Amt bei den Umstrukturierungen verhält ist noch unklar. Fakt ist, dass Bafög nur bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss gezahlt werden muss. Somit ist mit einer Ausbildungsförderung vermutlich nach dem 6. Semester Schluss. Der Unterhalt inklusive Studiengebühren müssen für eine Masterqualifikation selbst aufgebracht werden. Das ist eine weitere Scheibe der altbewährten politischen Salamitaktik, wie wir sie ja auch schon von Studiengebühren her kennen. Hier geht es um das Privatisieren von Ausbildungskosten, was in kleinen Häppchen vollzogen wird.
Unter dem Deckmantel der Internationalisierung des Hochschulbetriebes wird mit verheerenden Folgen ein einschneidender Bildungsabbau vorangetrieben. Die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von wissenschaftlicher Qualifikation und komplexer werdender Gesellschaft müsste im Grunde mehr Investitionen im Bildungsbereich und Abbau von Zugangsbarrieren nach sich ziehen. An diesen Kurzstudiengängen und diesem Bildungsabbau gibt es nichts mehr schön zu reden!