Basisdemokratisches Bündnis:

Ya Basta - es reicht!

“Der Kampf ist wie ein Kreis. Er kann an jedem Punkt begonnen werden, aber er endet niemals.” (Subkommandante Marcos)1

Ya Basta - es reicht!

Mit diesen Worten erhob sich am 1. Januar 1994 die Zapatistische Armee der nationalen Befreiung (EZLN) und begann den bewaffneten Kampf gegen die mexikanische Regierung. Sie kam somit ans Licht der Weltöffentlichkeit. Auch noch im 14. Jahr ihres Aufstandes gelten die Zapatistas weltweit als soziale Bewegung, die den emanzipatorischen Widerstand beispielhaft vorlebt.

[Internationales Frauentreffen in Chiapas]
Internationales Frauentreffen in Chiapas

Der Schauplatz ist der südmexikanische Bundesstaat Chiapas, der einer der ärmsten Mexikos ist und zu ¼ von Indígenas bewohnt ist. Nachdem die Zapatistas jahrelang unbewaffnet auf ihre Situation aufmerksam machen wollten und nicht beachtet wurden, reagierten sie auf das Freihandelsabkommen NAFTA, das am 1.1.1994 zwischen den USA, Kanada und Mexiko in Kraft trat, mit dem bewaffneten Aufstand. Während der ersten zwei Wochen im Kampf um “Freiheit und Land” besetzten die Zapatistas Land von Großgrundbesitzern und verteilten dieses an landlose Familien. Die darauffolgenden sechswöchigen Verhandlungen zwischen der Regierung und der EZLN wurden von den Zapatistas aufgrund inakzeptabler Angebote abgebrochen. Auch darauffolgende Gespräche scheiterten. 1996 wurde mit der Regierung das Abkommen von St. Andres über indigene Selbstverwaltung in der Region geschlossen, das jedoch bis heute nicht respektiert wird.

Die Zapatistas handeln und kämpfen im Sinne der indigenen Gemeinden und fordern den Autonomiestatus für ihr Land, das Recht auf Nahrung und Bildung und die Anerkennung ihrer indigenen Identität. Sie verurteilen die Ausbeutung und Marginalisierung der ländlichen Bevölkerung durch Großgrundbesitzer und politische Funktionäre, ebenso wie den Rassismus, dem sie permanent ausgesetzt sind. In ihrem Handeln richten sie sich gegen die neoliberale Wirtschaftpolitik und streben dabei nach einer radikalen Demokratisierung der gesamten Gesellschaft. Dabei geht es ihnen nicht um eine Machtübernahme, sondern die Erkämpfung selbstverwalteter Freiräume.

Aber die Zapas sind nicht nur “dagegen”. Sie wollen mit ihrer Organisationsform auch zeigen, wie sie sich eine radikale Demokratisierung wünschen: Ihr basisdemokratischer Anspruch bedeutet für sie, dass sie kollektives Eigentum haben, gemeinschaftlich abstimmen und handeln, solidarisch miteinander sind und auf diese Weise eine Umverteilung stattfindet. Außerdem stützen sie sich auf unbezahlte Kollektivarbeit.

Das Amt der Abgeordneten für bestimmte Lebensbereiche ist der gewählten Person in gewissem Sinne nur “geliehen” und wenn die Basis nicht mit der Ausführung der Aufgaben zufrieden ist, wird die betreffende Person abgesetzt. Des Weiteren hat jedes Mitglied theoretisch die Chance, gewählt zu werden.

Es gibt zudem eine sogenannte “Junta de buen gobierno” (Ratsversammlung der guten Regierung), die die Kommunikation zwischen den einzelnen Gemeinden erleichtern soll, Konflikte schlichtet und auch als Anlaufspunkt für externe Organisationen fungiert. Vor 5 Jahren wurde die „gute Regierung“ sogar von der „schlechten“, heisst offiziellen, Regierung Mexikos als verfassungsmäßig anerkannt.

Die Zapas hingegen erkennen die „schlechte“ Regierung nicht an. Im Umfeld von Wahlen kommt es schonmal vor, dass Stimmzettel verbannt werden, Wahlurnen entwendet und Schilder mit der Aufschrift “Auf autonomen Territorium erlauben wir die Wahlen nicht” aufgestellt werden. Nichtsdestotrotz beziehen sich die Zapatistas -paradoxerserweise- immer wieder sehr positiv auf das eigene „Vaterland“ und nicht selten ist die mexikanische Flagge bei Veranstaltungen und auf Wandmalereien in ihren Gemeinden zu sehen.

Genderpolitik der Zapatistas

In einem machistischen Land wie Mexiko, in dem Frauen noch immer wenig zu melden haben, will die EZLN auch in der Genderpolitik neue Leitlinien setzen. Schon 1993 wurden die ”revolutionären Frauengesetze” erlassen. Frauen haben nun laut zapatistischem Recht den Anspruch auf Bildung, Gesundheit und Arbeit, sollen ihre Partner frei wählen können und ebenso, wieviele Kinder sie mit diesen möchten. Sie können leitende Positionen in der Organisation einnehmen und nach eigenem Ermessen am revolutionären Kampf teilnehmen. Dabei wird auch kein Unterschied hinsichtlich der sexuellen Orientierung gemacht.

Ende 2007 wurde zum “1. Treffen der zapatistischen Frauen mit den Frauen der Welt” aufgerufen, um über ihren Kampf gegen patriarchale Bevormundung im Widerstand zu berichten. Denn eine Selbstkritik der Zapatisten lautet, dass Frauen noch nicht gleichberechtigt in die “gute Regierung” und in die damit verbundenen Aufgaben integriert sind und teilweise auch noch der Respekt ihnen gegenüber fehlt. Die ca. 3000 Teilnehmer_innen aus aller Welt konnten drei Tage lang den Wortbeiträgen der Rednerinnen zuhören, die über ihre Situation in den Gemeinden und der Organisation berichteten. Immer wieder wurde betont, dass es um den gemeinsamen Kampf gegen das kapitalistische System geht. Währenddessen übernahmen die zapatistischen Männer Tätigkeiten, die als “weiblich” angesehen werden, wie z.B. Kochen, Putzen, Verkaufen und Bedienen, um den Frauen zu ermöglichen, sich ganz auf die Treffen konzentrieren zu können.

Mit dem Treffen wurde ein Zeichen für die Wichtigkeit der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen2 am “Kampf für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit” gesetzt.

Weltweite Rezeption der EZLN

Schon 1996 rief die EZLN zum ersten “Intergalaktischen Treffen gegen Neoliberalismus und für eine menschliche Gesellschaft” auf, welches sich explizit an die “Zivilgesellschaft der Welt” richtete. Zwei Jahre später, Anfang 1998, plädierte der bekannteste Sprecher der EZLN, Subkommandante Marcos, anläßlich der Vorkommnisse um Acteal3 für die “Internationalisierung” der Bewegung.

Die Zapatistas sehen ihren Aufstand im weltweiten Kontext, suchen den Kontakt zu anderen Bewegungen und kämpfen gleichberechtigt mit ihnen gegen die kapitalistische Globalisierung mit dem Ziel einer solidarischen Gesellschaft. Mit der “Sechsten Deklaration aus dem Lakandonischen Urwald” von 2005 stellen sie sich und ihre Sicht auf die Welt vor, wie sie ihren Kampf führen und weiterführen wollen. Mit ihrer einfachen Sprache, einem undogmatischen Vorgehen und der Suche nach einer neuen Art von Politik hat die EZLN weltweit viele Anhänger_innen gefunden. Sie wird als “sympathische Guerilla” angsehen, die es schafft, einen Zusammenhang zwischen sozialer und universellen Befreiung herzustellen. Dabei sind sie selbst die Subjekte und müssen somit auch immer wieder ihre eigenen Traditionen und Verhältnisse kritisch reflektieren. Gleichzeitig versuchen sie, die konservativen Familienstrukturen der Indígenas mit modernen linken Ideen zu verbinden.

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Viele Neugierige und Leute, die sich mit der EZLN solidarisch erklären, nutzen die Menschenrechtsbeobachtung in zapatistischen Gemeinden, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen und sie vor der Willkür von Militär und Paramilitärs zu schützen. Diese können es sich nicht leisten, unter den Augen von ausländischen Beobachter_innen Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Die Aufgabe der Aktivist_innen ist es daher, einfach anwesend zu sein und die alltäglichen Repressionen zu dokumentieren.

Diese Anwesenheit ist recht wichtig, da gegen die Indígenas ein andauernder Krieg “niederer Intensität” seitens der Regierung und Paramilitärs geführt wird, welcher ständige Einschüchterungen, Repressionen, Bedrohungen, Morde, Verfolgungen und Räumung von ganzen Orten umfasst.

Aktuelle Situation

Seit dem Amtsantritt von Felipe Calderon im Dezember 2006 hat die Gewalt gegenüber zapatistischen Gemeinden zugenommen. Exemplarisch hierfür ist die Situation in der Gemeinde Bolon Ajaw: Seit September 2007 kommt es dort vermehrt zu brutalen Übergriffen und Bedrohungen gegen Bewohner_innen seitens einer paramilitärischen Organisation und der Polizei. Dazu gehören das Abfeuern von Schüssen in der Nähe des Dorfes, schriftliche und verbale Drohungen bis hin zu körperlicher Gewalt, sowohl gegen Zapatistas als auch gegen Menschenrechtsbeobachter_innen.

Ziel des Ganzen ist es, die Zapas aus dem Gebiet zu vertreiben. Im Fall von Bolon Ajaw kommt hinzu, dass das Dorf in der Nähe der Wasserfälle von Agua Azul liegt, welche touristisch genutzt werden und die Bewohner_innen der geplanten Ausweitung dieses Tourismuszentrums im Wege stehen. Aufgrund der Aggressionen haben lokale und internationale Organisationen seit Ende letzten Jahres zu einem temporären Tourismus-Boykott der Wasserfälle aufgerufen, bis die Situation sich wieder beruhigt hat. Zur Zeit sieht es danach allerdings nicht aus.

Am 4. Juni marschierten ca. 200 Militärs unter dem Vorwand, nach Marihuanafeldern zu suchen, in die Zapagemeinde La Garrucha ein, versuchten die Anwesenden einzuschüchtern und kündigten an, 2 Wochen später zurückzukehren. In einem offenen Brief der EZLN an die Weltöffentlichkeit schrieb diese daraufhin, dass sie befürchten, dass es zu neuen Konfrontationen kommen wird. Hinzu kommt, dass Subkommandante Marcos schon Ende 2007 bekanntgab, dass sich die Zapatisten wegen der extremen Zunahme der Gewalt ihnen gegenüber aus der Öffentlichkeit vorerst zurückziehen, um sich auf die Verteidigung zu konzentrieren. Dabei beklagte er auch die zurückgehende internationale Solidarität, die noch nie so gering gewesen sei wie in der aktuellen Situation...

Infos:

www.chiapas.ch

www.revistarebeldia.org

spanisch:

www.gruppe-basta.de

http://www.ezln.org.mx

Zapatistischen, fairgehandelten Biokaffee gibts im Kabale, tadaa!


1) Marcos gilt als Sprecher der EZLN und ist wohl ihr bekanntester Vertreter. Das “Sub” soll verdeutlichen, dass er die Entscheidungen aller Zapatistas nur an die Öffentlichkeit vermittelt und nicht der Kopf der EZLN ist.

2) Anmerkung: Geschlechtsidentitäten, die außerhalb des binären Geschlechtersystems stehen, werden - laut eigener Aussage – bisher nicht thematisiert bei den Zapas

3) In Acteal (Bundesstaat Chiapas) gab es im Dezember 1997 ein Massaker, bei dem 45 Menschen der pazifistischen, mit der EZLN-sympathisiserenden Gruppe “Las Abejas” von Paramilitärs getötet wurden


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