Basisdemokratisches Bündnis:

Hochschulfinanzierung und Elitebildung

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Elite, Exzellenz und Effektivität, das sind vor allem aktuelle Bezeichnungen, wenn es um Bildungsförderung und Hochschulfinanzierung geht. Sogenannte Leuchttürme werden in den Kampf um internationale akademische Aufmerksamkeit geschickt. Sie sollen als leistungsstarke Universitäten den Forschungsstandort Deutschland im internationalen Wettbewerb an die Spitze befördern und erfolgreich machen.

Im März diesen Jahres überreichte der Mitbegründer von SAP Hans Werner Hector, einer der reichsten Personen Deutschlands, der Technischen- und Eliteuniversität Karlsruhe eine Spende von 200 Mio. Euro. Das ist der bisher höchste gespendete Einzelbetrag für eine staatliche Universität. Auf den ersten Blick sieht diese Tat großzügig und altruistisch aus. Eine private Person, die durch ihr Vermögen natürlich auch die Möglichkeiten besitzt, spendet eine große Menge Geld als scheinbaren Lohn für außerordentliche Leistungen. Doch die Fragen die gestellt werden müssen sind:

Was sind die Hintergründe dieser Spende, was hat sie für eine Bedeutung für die Universität und für die Hochschullandschaft und welche Resultate ergeben sich aus ihr?

Denn es ist fraglich inwiefern sich Privatspenden positiv auf Universitäten auswirken. In einer momentanen Situation, die von internationalem Anpassungsdruck, Bildungsabbau, Eliteförderung sowie sozialer Selektion geprägt ist.

Allgemeine Hochschulsituation

Ab Ende der 80er Jahre hat es eine grundlegende Veränderung und Umstrukturierung im Bildungssystem gegeben. Von der damaligen Strategie einer flächendeckenden Ressourcenverteilung und einer breiten Bereitstellung wissenschaftlicher Standards ist man zu einer Strategie der selektiven Förderung übergegangen mit der Absicht, mit wenig Geld die Studieneffizienz und wissenschaftliche Qualität zu vergrößern, die Studiendauer zu verkürzen und besser praktisch-verwertbares Wissen zu erzielen. Während zu jener Zeit die Leitidee der „Bildung als Bürgerrecht“ den akademischen Diskurs prägte, wird heute von Bildung als Humankapital gesprochen: Bildung als Ausbildung von Fertigkeiten, die sich in ökonomischen Erfolg umsetzen lassen. Bildung als zentrale Investition in die Zukunft, gekoppelt mit technischer, ökonomischer und kultureller Leistungsfähigkeit.

Mit dieser Betonung der Bedeutung von Wissen und Forschung steht im Gegensatz dazu der Bildungsabbau der letzten 20 Jahre. Seit Mitte der 80er gabe es eine kontinuierliche Vernachlässigung und Reduzierung staatlicher Förderungen für Hochschulen. Die vielen universitären Neugründungen der 60/70er blieben im Ausbau stecken. Doch während die finanzielle Unterstützung abnahm, nahm die Studierendenanzahl zu. Dies führte zu einer realen Verschlechterung der Lehrausgaben pro Student um 15% im Zeitraum von 1980 bis zum Jahre 2001.1 Das Problem der Massenbildung wurde zur Wurzel von Bildung als Humankapital und als Reformpunkt für schärfere Selektionsmechanismen. Auch die letzten und kommenden Jahre werden von Einsparmaßnahmen, Kürzungen und Stellenabbau geprägt sein (Bsp. Berlin: zwischen 2006-2009 werden 75 Mio.Euro gespart)1.

Leistung, Hochschulfinanzierung und Drittmittel

Die Unterfinanzierung der Hochschulen bedeutete für die Universitäten, dass sie sich nach anderen Ressourcenquellen umsehen mussten, was zu folgender Umverteilung führte: Während die Grundmittel reduziert wurden, kam es gleichzeitig zu einer Aufwertung der Drittmittel als Quasiersatz zu den fehlenden Geldern. Drittmittel werden zu 33% von der DFG (Deutschen Forschungsgemeinschaft) vergeben.2 Dazu kommt der Bund, die Industrie und eben private SpenderInnen. Der Einfluss an Drittmitteln und Privatspenden hat erheblich zugenommen.

Allgemein werden Hochschulen zu 80% von Ländern finanziert, 20% sind Drittmittel.3 In beiden Fällen erfolgt die Finanzierung durch leistungsorientierte Mechanismen.

Gemäß der Logik des verwertbaren Wissens wird die Grundmittelverteilung der Länder als Steuerungsinstrument benutzt. Nicht ein festgelegter Betrag wird jeder Hochschulen verteilt, sondern die Finanzierung wird nach Leistungsindikatoren durchgeführt. Diese werden an verschiedene Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft, die die Hochschulen erfüllen müssen, um an Ressourcen zu kommen. Wie diese Indikatoren aussehen ist je nach Bundesland unterschiedlich, aber allgemein lassen sich zwei Faktoren benennen:

1) die Höhe von Studierendenzahlen/AbsolventInnenzahlen

2) die Höhe von Drittmitteln, Promotionen

Das Ziel dabei ist, dass in einem gedachten Wettbewerb die Hochschulen gegeneinander konkurrieren und sich interessant machen und behaupten müssen. Das Problem ist, dass vor allem Quantitätsmerkmale und nicht Qualitätsmerkmale betont werden und dabei vor allem Großstandorte im Vorteil sind. Außerdem fehlt der „echte“ Leistungsfaktor der Publikation.

Ähnlich läuft es bei der Vergabe der Drittmittel durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG ab. Sie ist zu einem entscheidenden Finanzierungsfaktor geworden. Ihr Leitgedanke ist die „leistungsgerechte Verteilung von Forschungsmitteln nach Kompetenz in einem offenen Wettbewerb“. Das heißt die DFG verteilt Fördergelder nach einem selbstaufgestellten Förder-Ranking, das die Leistungsfähigkeit der Hochschule bewertet. Auch hier sind die Bewertungskriterien ebenfalls vor allem quantitative und nicht qualitative. Vor allem zählt der Input an allgemeinen Drittmitteleinnahmen, während der Output in Gestalt von Publikationen nicht berücksichtigt wird.4 Zwar werden die Drittelmitteleinnahmen in Bezug pro ProfessorInnen gestellt, aber relative Werte, wie die Anzahl von Publikationen an ProfessorInnen pro wissenschaftlicher MitarbeiterInnen, die ein differenzierteres Bild von Produktivität vor allem des Outputs abgegben würden, werden nicht benutzt. Dadurch werden Großstandorte wie München, Karlsruhe oder Heidelberg automatisch in einere bessere Lage gehoben, die ein großes Maß an Drittmittel bekommen.

Neben der Vergabe von Drittmitteln bestimmt die DFG zudem, zusammen mit dem Wissenschaftsrat, die Bewilligung der Exzellenzgelder. Jedoch ist sie in ihrer Mitgliederanzahl nicht homogen, sondern 2/3 der Mitglieder entsprechen 1/3 der Standorte.5 Mit dieser Ungleichverteilung geht eine ungleiche Förderung von Hochschulen einher. Vor allem die im DFG repräsentierten Großstandorte werden bevorzugt, ohne dass beleuchtet wird inwiefern diese Förderungen wirklich leistungsfördernd sind und ob schließlich Großstandorte, bezüglich relativer Zahlen an Publikationen von ProfessorInnen pro MitarbeiterInnen, produktiver arbeiten als kleinere Universitäten.

Eine weitere Ungleichverteilung entsteht, indem naturwissenschaftliche sowie technische Fächer vor Geistes- und Sozialwissenschaflichen bevorzugt werden. So gehen 94,5% der ausgemachten Exzellenzgelder von 2007-2011 an Natur- und Ingenieurswissenschaften, der Rest an Geistes und Sozialwissenschaften, die nicht der Logik der Kapitalakkumulation entsprechen.6

Das Resultat ist, dass sich die 102 deutschen Hochschulen in eigener Konkurrenz und in Konkurrenz zu den zahlreichen außeruniversitären Forschungsinstituten des Max-Planck-Institutes sowie des Fraunhofer-Institutes in einem Wettbewerb und Kampf um Drittmittel, Forschungsgelder und Exzellenzförderungen selbst zermürben. Die Starken werfen die Schwachen aus dem Ring und das Hochschulsystem wird von einer Gemeinschaft abhängig gemacht, die meint in ihrer Mittelverteilung die Qualität der Wissenschaft zu verbessern. Es wird ein Wettbewerb postuliert, wo es keinen Wettbewerb gibt. Denn von Chancengleichheit kann keine Rede sein.

Die Spende für die Universität Karlsruhe

Wie sieht es nun an der Universität Karlsruhe aus und was hat eine 200 Mio.Euro Spende mit diesem Hintergrund für eine Bedeutung?

Karlsruhe ist Eliteuniversität und bekommt alleine dadurch eine große Menge an Geld. Die Privatspende soll nun die Universität Karlsruhe im internationalen, wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technologischen Wettbewerb weiter nach oben bringen. Konkret wird das Geld für die Anwerbung von Spitzenforscher_innen, besseren Arbeitsbedingungen und für Prämierungen von Forschungsprojekten verwendet. Das hört sich soweit gut an, erinnert aber mehr an das Management eines Fußballclubs. Mit Millionenbeträgen wird versucht Spitzenforscher an die Universitäten zu locken. Doch wer ist dieses Gehalt wert? Zweitens lässt sich fragen, warum ausgrechnet einer der am besten finanziertesten Universitäten diese Spende bekommen hat und noch mehr Geld in einen Standort gepumpt wird, wo eh schon genug vorhanden ist. Denn es wird dabei sichtlich verkannt, dass nicht Großstandorte Träger von Wissen sind, sondern individuelle Forscher_innen. Drittens bleibt zu fragen wer über Erfolgswahrscheinlichkeiten von Forschungsprojekten entscheidet bzw. wer beleuchtet, ob diese Spende überhaupt sinnvoll eingesetzt ist oder nicht.

Was das wirkliche Ziel ist, entspricht der oben genannten Leitidee von Bildung als Humankapital und dem Versuch des Aufbaus eines Elitenetzwerkes bestehend aus DFG, Wissenschaftsrates und einzelner Standorte. Dort kommt es zur Akkumulation von Geld und Macht, die in weitere Reputation und Selbstdarstellung investiert werden. Einzelne Eliteuniversitäten werden durch übermäßige Finanzierung sichtbar gemacht und gelangen zu einer Monopolstellung mit Definitionsmacht. Kleinere Standorte und andere Forscher an nicht Eliteuniversitäten, sind benachteiligt und werden an den Rand gedrängt oder als nicht konkurrenzfähig abgestempelt.

Dabei sind die „Forschungsfabriken“ nicht produktiver als andere Universitäten, schon gar nicht in Relation der finanziellen Unterstützung, und WissenschaftlerInnen an kleineren Universitären nicht dümmer.

Fazit:

Wissenschaft und Forschung bewegen sich in einem internationalen Wettbewerb in dem sich transnationale Netzwerke bilden, die letztendlich das akademische Leben bestimmen. Das größte Netzwerk ist die französische Wissenschaftsorganisation „Centre National de la Recherce Scientifique“ mit 11600 ForscherInnen7, eine hierarchisch strukturierte Führungselite. Diesem internationalen Anpassungsdruck unterliegen ebenso die deutschen Universitäten im Wettbewerb um technologische Spitzenstellungen. Ökonomische Prinzipien und die Logik des Marktes wurden auf akdemischer Ebene übertragen mit ausreichender Unterstützung aus der Politik. Die Universität Karlsruhe hat sich das Label KIT (Karlsruher Institute of Technology) angeeignet und es wird eine wirschaftliche Rhetorik in der Bildungspolitik benutzt, die so komplex wird, dass die Realität nicht mehr zu erkennen bleibt. Wer versteht es, wenn von Exzellenzclustern, Leuchttürmen, Evaluierung und Zielvereinbarungen geredet wird?

Diese Entwicklungen entsprechen dem bleibenden Trend der Vergrößerung von Reichtum an den Spitzen, bei größerer Armut an den Enden der Gesellschaft. Während Elite gebildet wird, fehlt das Geld an anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen. Grund- und Hauptschulen befinden sich laut OECD in einem erbärmlichen Zustand. Wie lange wird es dauern, bis alle Universitäten zu Stiftungshochschulen werden, was schon bei der Jacobs -(Krönung Cafe)-Universiät Bremen der Fall geworden ist? Großzügige Spenden von SAP und sonstigen Wirtschaftsgrößen implizieren Gegenleistungen wie die Mitsprache bei der Rekrutierung von ForscherInnen und StudentInnen sowie der Profilbildung der Universität. Was bedeutet noch unabhängige Forschung und Austausch von Wissen basierend auf Kollegialität?

Am Ende fragt sich was bleibt. Zweckfreie Erkenntnis, Kreativität und Vielfalt machen Platz für überaus praxisorientiere Studiengänge, Differenzierung und Exzellenz. Geistes- und SozialwissenschafterInnen übernehmen Dienerrollen als SachbearbeiterInnen und BeraterInnen im Management, Marketing- und Public Relationbereich. Das Potential vieler junger Menschen an kleinen Standorten bleibt unbeachtet. Es bleiben eher EliteforscherInnen und Fachmenschen für eine passende Leistungsgesellschaft.


1) http://www.hrk.de/de/brennpunkte/112.php

2) Richard Münch, „Die akademische Elite“, S. 74, Tab2-1

3) http://www.bpb.de/publikationen/GXMSJ0,2,0,Paradigmenwechsel_in_der_Hochschulfinanzierung.html#art2

4) DFG-Förderranking 2006 S.13 f.

5) Richard Münch, „Die akademische Elite“, S. 84

6) Richard Münch, „Die akademische Elite“, S. 238

7) Richard Münch, „Die akademische Elite“, S. 61, Tab1-3


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