Studiengebühren für alle!
Am 17.12.2004 hatte der Asta der Uni Bremen zu einem Vernetzungstreffen der norddeutschen Hochschulen gegen Studiengebühren eingeladen. Vertreter der Asten aus Flensburg, Oldenburg, Emden, Rostock, Hamburg, Braunschweig, Greifswald, Hannover und eine Delegation des Basisdemokratischen Bündnisses aus Göttingen berieten über die weiteren Schritte im Kampf gegen Studiengebühren und Kürzungen.
Damit auch alle auf dem neuesten Stand der Entwicklungen sind wird es am 26. 1. 2005 an der Uni Göttingen (ebenso wie an allen anderen oben aufgeführten Unis und FHs) eine Info- Vollversammlung geben. Am selben Tag wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Studiengebührenverbot bekanntgeben, und von diesem hängt bekanntlich ab, ob nun bald alle Studierenden ab dem ersten Semester Studiengebühren bezahlen sollen oder nicht. Es bleibt also spannend...
Der Stand der Dinge...
Die meisten Studierenden gehen erschreckendenweise immer noch davon aus, daß Studiengebühren ohnehin nur die sogenannten Langzeitstudierenden treffen werden. Diese, wie auch andere Lügen werden nur zu gern geglaubt – lebt es sich doch leichter, wenn man resigniert den Kopf in den Sand steckt anstatt sich zu engagieren. „Studiengebühren kommen sowieso” oder „Wenn ich schnell fertig studiere trifft es mich nicht” sind die beliebtesten, Versuche sich nicht mit der Realität auseinandersetzen zu müssen. Doch was, wenn die Studiengebühren dann da sind? Bereits im Sommersemester 2005 sollen alle Studierenden in Niedersachsen pro Semester 500 ? plus die Verwaltungsgebühren von dann 75 ? abdrücken. Das Argument der Landesregierung, die Studiengebühren kämen der Lehre zugute, ist zweifelhaft. Am Rechenbeispiel der Uni Hannover würden durch Gebühren in Höhe von 1200? pro Jahr gerade mal 13% der Kosten gedeckt werden. Andere, weniger optimistische Schätzungen gehen bei 1000 ? pro Jahr von einer Deckung von gerade mal 5 % aus. Zur Orientierung: ein Studium kostet im Durchschnitt etwa 130000 ?, natürlich schwankt dieser Wert je nach Studienfach. Zusätzlich zu den Studiengebühren fällt dann noch der Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von 75 ? ab dem Sommersemester 2005 an, der direkt in den desolaten Landeshaushalt fließt. Weitere Pläne, Prüfungsgebühren, Entgelte für Lernmittel oder die Bibliotheksbenutzung sind in anderen Bundesländern bereits geplant. Einen guten Überblick biete die folgende Tabelle:
Stand: 08.11.2004
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Beschlossene Studiengebühren1
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Planungen
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Verwaltungsgebühren etc.
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 511 ?
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Allgemeine
Studiengebühren ab dem 1. Sem.
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40 ?
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Gebühren für Zweitstudium 511 ?
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Allgemeine
Studiengebühren ab dem 1. Sem.
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50 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500 ?
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51 ? + 16-36 ? (Studentenwerksbeitrag gestaffelt nach Studiendauer)
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) /Studienkonten 500 ?
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51 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) /Studienkonten + Gebühren für Externe 500-650 ?
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50 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) +Gebühren für Studis ohne Erstwohnsitz am Studienort 500 ?
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Allgemeine
Studiengebühren ab dem 1. Sem.
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geplant: 50 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500-900 ? / Gebühren für Zweitstudium 500 ?
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Allgemeine
Studiengebühren ab dem 1. Sem.
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50 ?
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Gebühren für Externe 500 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500 ?
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Allgemeine
Studiengebühren ab dem 1. Sem.
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51 ?
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Studienkonten+ Gebühren für Zweitstudium 650 ?
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Studienkonten 650 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500 ?
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"Entgelte" für Lernmittel, Bibliotheksbenutzung etc.; Höhe noch unbekannt
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Gebühren für Zweitstudium 307 ?
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geplant: 25-150 ?
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Studienkonten 500 ?
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Langzeitgebühren (10.-13. Sem.) 500 ?
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Anmerkung: 1. Studienkonten bedeuten faktische Gebührenpflicht spätestens nach 16 Semestern. 2. Gebühren für ein Zweitstudium bedeuten unter Umständen auch noch zusätzlich Langzeitstudiengebühren, da das Zweitstudium aufs Studienkonto angerechnet wird und damit auch die Semester des Erststudiums zählen.
Das Argument der sozialen Gerechtigkeit
Befürworter des kommerzialisierten Studiums erzählen gern die Mähr von den sozial gerechten Studiengebühren, denn schließlich, so die Argumentation, würden die Unis bislang von allen Steuerzahlern finanziert. Das bedeutet polemisch überspitzt, die Friseurin finanziert den angehenden Arzt. Dieselbe Friseurin finanziert jedoch mit ihren Steuern z. B. die staatlichen Forschungssubventionen der Firma Siemens – einem Konzern, der trotz Rekordgewinne 2004 Stellen abbaut und fast gar keine Steuern bezahlt. Fakt ist, daß die sogenannte „Massensteuern” wie Lohnsteuer oder (indirekte) Konsumsteuern im Vergleich zu Steuern, die auf Spitzenverdienste bzw. Kapital- oder Vermögenseinkommen erhoben werden zunehmen. In Zahlen bedeutet dies, während die Massensteuern zu Lasten der ArbeitnehmerInnen zwischen 1980 und 1996 um 10,9 Prozent gestiegen sind, sackten die Steuern zugunsten von Unternehmen, Selbständigen und Vermögenden um 10,3 Prozent ab. Wäre der Anteil der Gewinnsteuern am Steueraufkommen heute so groß wie damals, hätte der Staat 100 Milliarden DM pro Jahr mehr in der Kasse. Studiengebühren sind genausowenig sozial gerecht wie die Tatsache, daß unsere exemplarische Friseurin die Firma Siemens subventioniert.
Dennoch soll uns zum einen weisgemacht werden, Studiengebühren wären notwendig, weil die öffentlichen Kassen nicht länger in der Lage sind, ihre Aufgaben wahrzunehmen und zum anderen würden sie die „Qualität in Forschung und Lehre” verbessern. Wohl kaum, meinen wir. Eine weitere Lüge im öffentlichen Diskurs sind die diversen Finanzierungsmodelle, die den Zugang zu Bildung auch für sogenannte Bildungsferne Schichten der unteren Einkommen garantieren sollen. Wie „sozial gerecht” diese Modelle sind, soll exemplarisch an einem Modell aufgezeigt werden, daß sich der Bund Deutscher Arbeitgeber (BDA) ausgedacht hat.
Nach dem BDA-Modell sollen die Studierenden Gebühren in Höhe von 500? pro Semester (Grundbetrag) zuzüglich 25? (Bachelor) bzw. 50? (Master) pro ECTS- Kreditpunkt bezahlen. Ein Bachelor umfasst üblicherweise 180 ECTS-Punkte, ein Master 120 ECTS-Punkte. Somit ergibt sich eine Gebühr von 7500? für den Bachelor ( der derzeit z. B. in den USA nicht mal als berufsqualifizierender Abschluß anerkannt wird – dort will man nicht glauben, daß die Studierenden in so kurzer Zeit wirklich vernünftig „aus”gebildet werden) und 8000? für den Master.
Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes sollen Studierende einen Zuschuss von insgesamt 15000? sowie ein Darlehen von maximal 18000? erhalten. Darüberhinaus können Studierende ein Darlehen von maximal 17600? zur Finanzierung der Studiengebühren in Anspruch nehmen. Dies entspricht 216 + 144 ECTS-Punkte.
Zum Vergleich ist dem BDA-Modell das bisherige System der Studienfinanzierung gegenübergestellt. Der BAföG-Höchstsatz, den bedürftige Studierende erhalten, beträgt 585? monatlich. Dazu kommen 155? Kindergeld monatlich. Studiengebühren werden nicht erhoben.
Im folgenden sind drei Fälle gegenübergestellt: Fall A studiert in der Regelstudienzeit von 6+4 Semestern und fällt durch keine Prüfung, muss also auch insgesamt nur 300 ECTS-Punkte bezahlen. Fall B studiert in 8+4 Semestern und muss wenige Prüfungen wiederholen, ein eher realistischer Durchschnittsfall. Fall C studiert mit BAföG- und Kindergeldunterstützung, ebenfalls in der Regelstudienzeit von 6+4 Semestern.
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BDA-Modell
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BAföG und Kindergeld
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Fall A: Bachelor und Master Semester
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Fall B: Bachelor und Master Semester
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Fall C: Bachelor und Master Semester
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Förderung
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250?/Monat
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179?/Monat
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447,50?/Monat
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Darlehen Lebensunterhalt
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300?/Monat
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214?/Monat
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292,50?/Monat
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Monatlich verfügbar
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550?
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393?
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740?
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Studienkosten nach Forschungsinstitut für Bildungs- u. Sozialökonomie
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784?
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784?
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784?
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„Unterdeckung”
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234?
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362?
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44?
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Studiengebühr
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15500?
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19600? Darlehen
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0?
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Verschuldung insgesamt
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32500?
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35600?
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10000?
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Verschuldung mit 3% Zinsen p.a.
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37676?
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43783?
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10000? unverzinslich)
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Fazit: Durch das von der BDA vorgeschlagene Modell wird sich die Studienfinanzierung drastisch verschlechtern. Die Studierenden werden während des Studiums maßgeblich geringere Einnahmen haben und trotzdem am Ende etwa viermal so hoch verschuldet sein wie derzeit. Natürlich ist dieses Modell nicht das Einzige, das derzeit diskutiert wird. Insgesamt stellen jedoch sämtliche Modelle eine krasse Kehrtwende in der Bildungspolitik dar: Erst 2001 wurde eine Bafög- Verschuldungshöchstgrenze eingeführt, um auch Abiturienten aus einkommensschwächeren Schichten ein Hochschulstudium mit abschätzbarem finanziellen Risiko zu ermöglichen, und nun versucht man uns Studierenden das genaue Gegenteil plötzlich als angeblich sozial gerechte Heilslösung zu verkaufen. Wir meinen: Gebührenfreie Bildung für jeden statt teuer bezahlte „Aus”- Bildung für wenige!!! Gegen Studiengebühren und angeblich soziale Finanzierungsmodelle!!