Basisdemokratisches Bündnis:

Neulich im blauen Turm...

Vielleicht bist du ja schon einmal durch das Erdgeschoss des Blauen Turmes gelaufen und hast dich über die offene Tür eines Raumes gewundert, der so gar nicht nach Seminarraum aussah. Oder du hast einen Flyer in die Hand bekommen, auf dem irgendwas von „Freiraum“ stand...Was das soll, hast du bis dato noch nicht ganz gecheckt, aber irgendwie...

Es geht um das selbstorganisierte Café, das seit Juni 2008 seine Tür tatsächlich die ganze Zeit geöffnet hat. Café? Gibt es nicht genug Cafeterien, Mensen, Bistros am ganzen Campus? Schon, wer nur was zu Essen haben will, ist da tatsächlich ganz gut aufgehoben. Aber das selbstorganisierte Café (oder Autonomicum) tanzt zwischen den studentenwerksbetriebenen Versorgungsanstalten ganz schön aus der Reihe - nicht zuletzt, weil das Autonomicum eine kämpferische Vorgeschichte hat.

Begonnen hat alles mit einem Brand im Oeconomicum im Sommer 2006. Das Oec beherbergte bis dahin nicht nur Sowi- und WiwiStudiernde und Bibliotheken, sondern auch das selbstorganisierte Café Kollabs. Doch durch den Brand bot sich für die Uni die Möglichkeit den Nutzungsvertrag nicht zu verlängern und damit das unliebsame Café loszuwerden. Auch eine Unterschriftenaktion brachte keinen Erfolg. So formierte sich schließlich eine Initiative namens „delete.control – enter.space“, um auf dem Verhandlungsweg zu einem neuen Freiraum zu gelangen. Doch das einzige „Angebot“ von Uni-Seite war ein stillgelegtes TrafoHäuschen, ziemlich weit ab vom Schuss. So kam es im Januar 2008 zu einer Besetzung im MZG 1140. Der Seminarraum wurde in einem Selbstorganisationsprozess flugs vom schnöden Uniraum in ein gemütliches und sich ständig wandelndes Café umgewandelt, in dem zahlreiche Menschen regelmäßig Kaffee tranken, lasen, diskutierten, Veranstaltungen wie Lesungen und kleinere Konzerte organisierten oder einfach vom UniAlltags-Stress relaxten.

Zunächst war bei den Damen und Herren aus dem Präsidium Ratlosigkeit angesagt, die nur größer wurde, als sich die BesetzerInnen nicht von Drohungen beeindrucken ließen. Auch die so ganz andere Entscheidungsstruktur bereitete ihnen Kopfschmerzen. Dann reagierte die Uni mit neuen Angeboten, die aber wohl eher mit einem schielenden Auge auf die mediale Öffentlichkeit und der Besorgnis um den Ruf der Uni geführt wurden. Deshalb wurden halbherzige und nicht auf die Forderungen der Nutzerinnen und Nutzer eingehende „Angebote“ abgelehnt: diese Räume waren entweder nicht im UniAlltag sichtbar, da schlicht zu weit vom Campus entfernt, lagen im bereits von Studierenden verwalteten AStA-Gebäude oder befanden sich in Gebäuden, die zum Abriss bestimmt waren.

Am 29.01.08 wurde der Raum nach zwei Wochen der Gestaltung und Organisierung unverhältnismäßig durch eine vermummte Polizeieinheit geräumt, die Anwesenden festgenommen und schon am Mittag des selben Tages renoviert – es sollten keine Spuren der Prozesse der vergangenen Wochen sichtbar zurückbleiben. Doch am Abend kam es zu einer spontanen Demonstration, an der 350 Menschen teilnahmen und lautstark und entschlossen zum Ausdruck brachten, dass der Verlust des Raumes nicht das Ende der Bemühungen bedeutete: sie endete direkt vor der Tür des ehemals besetzten Raumes. Kurz darauf wurden neue Verhandlungen angekündigt und in einem zähen Prozess kam zustande, was nun seit Juni begehbar ist: der neu gebaute und schließlich von zahlreichen Nutzerinnen und Nutzern möblierte und gestaltete Raum im Erdgeschoss des Blauen Turms. Was so seltsam daran ist, ist die Tatsache, dass der Raum so plötzlich möglich geworden ist. Wo vorher Argumente von Raumknappheit vorgeschoben wurden, Gespräche abgeblockt und die Forderungen schlicht und ergreifend nicht ernst genommen wurden, ergab sich auf einmal die Möglichkeit einen neuen Raum zu bauen, den NutzerInnen durch die Einrichtung einer Küchenzeile und die Wahl der Anzahl der Steckdosen zuvor zu kommen...

Seltsam... aber vielleicht nicht ganz: Dieser Raum ist das Ergebnis entschlossenen politischen Handelns, des bewussten Übertretens von Regeln. Jetzt gibt es einen Raum und er zeigt, dass Dinge verändert werden können. Und wenn man ihn betritt, dann erzählt er erstmal nicht so viel über seine kämpferische Vorgeschichte, über die Kraft und Zeit die Menschen hineingesteckt haben, noch bevor die Wände dieses Raumes überhaupt gebaut worden waren. Denn wenn man ihn betritt, dann ist man nur überrascht über die nette Atmosphäre, die Bücher, Zeitungen, Reader und Flyer, die herumliegen, die Kaffeemaschinen, den gefüllten Kühlschrank, über die Leute die da sitzen und quatschen, lesen, schreiben, Kaffee trinken. Und man ist überrascht, dass es an der Uni einen Ort geben soll, an dem der Stress, der in allen Gebäuden, Seminaren und Fluren herrscht, für eine Zeit vergessen ist. Wer Lust hat sich einzubringen, kann freitags um 16.00 zum offenen Plenum der Nutzerinnen und Nutzer gehen.


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