Basisdemokratisches Bündnis:

Elitedenken und marktorientierte Wissenschaftsverwaltung

die Uni von morgen

Die Gottinger Georg-August Universitat errang 2007 in der von Bund und Landern betriebenen Exzellenzinitiative den Titel «Eliteuni». Bereits seit der Reform des niedersachsischen Hochschulrahmengesetzes 2003 ist sie offiziell «Stiftungsuniversitat», d.h. ihr Vermogen wird nicht mehr vom Staat, sondern durch einen Stiftungsrat fremdverwaltet.

Im folgenden Artikel mochten wir kurz erlautern, was diese Entwicklung, die exemplarisch fur die Hochschulen in Deutschland ist, bedeutet.

Ziel der Exzellenzinitiative ist es nicht bloss, die Forschung in Deutschland zu verbessern, sondern es sollen «Leuchtturme der Wissenschaften in Deutschland entstehen, die auch international ausstrahlen».

Es geht also um die Umstrukturierung des Hochschulsektors.

Die Idee der Eliteunis ist dem amerikanischen, britschen und französischen System entnommen, Ländern, deren gesamte politische und wirtschaftliche Elite sich aus einer handvoll Hochschulen rekrutiert.

Diese Exzellenzuniversitaten, wie Yale, Princeton, Harvard oder Oxford, verfügen uber ein unglaubliches Budget von vielen Milliarden Dollar/Pfund/Euro, das ihnen ermoglicht die «besten» Forscher anzuwerben (sobezeichneter «brain gain») und exzellent auszustatten.

Die 50 Millionen Euro, die die Exzellenzinitiative für eine jede der gekurten Exzellenzunis ausgibt, sind eher zu vernachlassigen gegenuber den ideologischen Auswirkungen, die die Forderung bewirkt.

Wahrend bisher fast alle Unis in Deutschland Anspruch hatten, auch fur ihre Forschungen adaquat ausgerustet zu werden, werden die Mittel nun auf einige auserwahlte Universitaten verteilt und damit die Unterschiede zwischen «schwachen» und «starken» Hochschulen erst geschaffen.

Kriterien für die Aufnahme in die Exzellenzförderung war nicht zuletzt das Drittmitteleinkommen der Universitaten.

Als Drittmittel werden diejenigen Gelder bezeichnet, die von außeruniversitaren Einrichtungen wie der «Deutschen Forschungsgemeinschaft» (DFG) oder von privaten Unternehmen) zur Verfugung gestellt werden.

Mit der Exzellenzinitiative wird also nicht nur in die Forschung intensiviert, sondern auch gleich die Form der gewunschten Zukunftsforschung festgelegt: Auftragsforschung für die Industrie.

Aber auch fur die Studierenden wird diese verordnete Umkehr des deutschen Hochschulwesens Folgen haben, denn das alte Ideal der Massenuniversitat («Bildung fur alle») ist mit dem neuen Elitestatus nicht zu vereinbaren.

In diesem Sinne wird derzeit u.A. gefordert, die Studienplatze an den Exzellenzunis drastisch zu reduzieren.

So kundigte der Prasident der Georg August Universitat Kurt von Figura bereits an, die Zahl der Gottinger Studierenden um ein Drittel kurzen zu wollen. vgl. Micheal Hartmann, Die Exzellenzinitiative - ein Paradigmenwechsel in der deutschen Hochschulpolitik, in: Leviathan 4/2006, S.447ff.

Mittels Instrumenten wie Numerus Clausus, Auswahlgesprachen, Tests und Motivationsschreiben, in denen der Studienplatzbewerber eloquent sein Engagement zeigen soll, sollen die Universitaten jetzt selbst daruber entscheiden, wer bei ihnen studieren darf.

Die soziale Selektivitat, die in Deutschland aufgrund des Dreiklassenschulsystems ohnehin schon sehr hoch ist, wird dadurch nocheinmal erhoht, wenn die Zulassung zum Studium vom Bestehen von Eingangstests und Aufnahmegesprachen abhangig gemacht wird.

Gerade auch das adaquate Auftreten in einem Bewerbungsgesprach ist durch soziale Faktoren bestimmt: so lernen Kinder aus burgerlichen Familien schon vom Kindesalter an, sich in Befragungssituationen zu behaupten, spielen Instrumente oder mussen im Familienkreis ihr Konnen prasentieren, Kinder aus Akademikerhaushalten verfugen bereits uber viel mehr Wissen daruber, wie ein Studium aussieht und was fur ein bestimmtes Studienfach relevant ist.

Das vielfach schon angewandte Motivationsschreiben erweist sich hier als ein besonders hinterhaltiges Instrument zur Wahrung der sozialen Ungleichheit.

Unverblumt wird neben den noch irgendwo objektiv verburgten Schulleistungen der Eindruck, den ein Motivationsbekunden auf den Prufer macht, zum Aufnahmekriterium. Ein Motivationsschreiben kann «pfiffig» sein, «von Charakter zeugen» oder amüsieren.

Doch diese Geschmacksurteile sind keineswegs spontane Ausserungen auf intelligente Leistungen, sondern hochgradig sozial selektive Einordnungen und Klassifizierungen.

Ganz unkritisch gab der Geschaftsfuhrer einer Fachhochschule zu bedenken, dass «bei der Auswahl von Studierenden bereits zu beachten [sei], dass diese bei entsprechendem beruflichen Erfolg nach Abschluss auch als potenzielle Sponsorenzu betrachten waren. Umso bedeutender sei die Frage, welche 20 man aus dem Bewerberpool von bis zu 500 fur einen Studiengang wahle.»

Die Umfunktionnierung der Hochschulen zu Kaderschmieden fur die Wirtschaft geht Hand in Hand mit ihrer Privatisierung.

Als eine der ersten Unis wurde die Georg-Ausgust Universitat zur Stiftungsuni, d.h. sie wird nicht mehr vom Land, sondern von einer eigens gegründeten «Stiftung Universitat Gottingen» verwaltet.

Das Land Niedersachsen tragt die Grundfinanzierung der Stiftung und ernennt die Mitglieder des Stiftungsrates. Der Stiftungsrat der Uni Gottingen ernennt wiederum den Prasidenten der Universitat und seine Stellvertreter, bewilligt den Haushaltsplan der Uni und ubt die Rechtsaufsicht uber die Uni aus.

Der Stiftungsrat besteht aus sieben Mitgliedern, davon ein Vertreter des Ministeriums, ein Vertreter der akademischen SV der Uni Gottingen sowie funf «der Hochschule nicht angehorende Personen, vornehmlich aus Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur».

Damit wird die Unipolitik aus den Händen des Ministeriums und der akademischen SV genommen, die Universitat also fremdbestimmt.

Ziel ist es, die sogenannte «unternehmerische Hochschule» Ein Schlagwort, das entscheidend durch das von der Bertelsmannstiftung finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) geprägt wurde. Hinter der Bertelsmannstiftung und dem CHE verbirgt sich der Medienkonzern Bertelsmann, der, dank einer engen Verknupfung zu Entscheidungstragern und gezielte «Politikberatung», entscheidenden Einfluss auf die deutsche Politik ausubt. Wenn Ihr Euch genauer uber die Aktivitaten von Bertelsmann informieren wollt, findet ihr auf den Seiten http://www.antibertelsmann.de/ und http://www.bertelsmannkritik.de/ weitergehende Informationen. zu etablieren. Gemeint ist, die Universitaten sollen nach betriebswirtschaftlichen Prinzpien von speziell (betriebswirtschaftlich) geschultem Personal gefuhrt werden.

Die Fuhrung, gemeint: «Unternehmensfuhrung», spielt im freien Wettbewerb eine große Rolle, denn nur straff organisierte Einheiten sind flexibel genug, um sich strategisch am Markt positionieren zu konnen.

Zwar wird einerseits behauptet, eine grossere Autonomie der Hochschulen sei geschaffen, aber diese Autonomie betrifft lediglich die Hochschulleitung, also den Stiftungsrat und das von ihm bestimmte Prasidium.

Wie das Management eines Unternehmens soll die Unileitung uber die Strategie der Universitat entscheiden und uber die geeigneten Kontroll- und Messinstrumente Fur eine gesicherte Steuerung ist die Datenerhebung von großer Wichtigkeit, in diesem Zusammenhang ist auch die Einfuhrung der RFID-Chipkarten zu sehen. verfugen, die zur Durchsetzung ihrer Politik notwendig ist.

Die Hochschule wird als einheitlicher Block aufgefasst, der einer eindeutigen, von oben verordneten Profilbildung und Schwerpunktsetzung bedarf, und gilt hier nicht als organischer Zusammenschluss unterschiedlicher, teilautonomer Fakultaten und Institute.

Diese Entwicklung lauft einher mit einer starkeren Reglementierung der einzelnen Mitglieder der Universitat, die die von der Hochschulleitung entworfene Strategie umsetzen mussen.


Dieser Artikel ist abrufbar unter: //archiv.bb-goettingen.de/1668