Gegen den Burschentag der Neuen Deutschen Burschenschaft

Verbindungen kappen - überall!

Verbindungen kappen!

Männerbünde auflösen!

liberal – national – scheißegal!

Vom 18.-20. Juni findet in Marburg der Burschentag der Neuen Deutschen Burschenschaft (NDB) statt. Für uns ist dies Anlass Kritik am gesamten Korporationswesen auf die Straße zu tragen.

Neue Burschen – Alte Scheiße

Neue Deutsche Burschenschaft? Haben die sich etwa von überkommen Traditionen, Männerbundprinzip und Nationalismus verabschiedet? Keineswegs. Seit ihrer Abspaltung von der rechten Deutschen Burschenschaft (DB) im Jahr 1996 stellen sie sich selbst als die Saubermänner des Verbindungsmilieus dar. Die 23 Burschenschaften der Neuen Deutschen Burschenschaft (NDB), deren etwa 4.000 Mitglieder in 16 Hochschulorten vertreten sind, versuchen sich besonders von der Deutschen Burschenschaft, deren Mitgliedsbünde klar extrem rechte Tendenzen aufweisen, abzugrenzen. Um sich politisch noch legitimieren zu können und sich gegen Kritik zu immunisieren, haben die zwei Marburger Mitgliedsbünde der NDB – Arminia und Alemannia – in Abgrenzung zu den sonstigen Burschenschaften die „Marburger liberalen Burschenschaften“ gegründet. Um zu erkennen, dass die Eigenbezeichnung als liberal eher ein strategisches Manöver ist, genügt ein Blick in die Satzung der NDB. Immer noch dürfen Frauen keine Mitglieder werden und das Erlernen des studentischen Fechtens ist Pflichtübung, auch wenn keine Mensur mehr gefochten werden muss. Nahezu alle Korporations-Dachverbände arbeiten gemeinsam im Convent Deutscher Akademiker (CDA) und Convent Deutscher Korporationsverbände (CDK) zusammen, um dort verbandsübergreifende Zusammenarbeit zu organisieren und gemeinsame Belange aller Dachverbände zu regeln. In ihrer Mitgliedszeitung „academicus“ wirbt die NDB für die „Vereinigung alter Burschenschafter“(VAB), bei der sich alte Herren der NDB und der DB treffen. Im Marburger Waffenring arbeiten NDB und DB munter zusammen. Wie selbstverständlich treffen sich natürlich auch Korporierte aller Dachverbände am ersten Juliwochenende beim alljährlichen Marburger Burschibesäufnis, besser bekannt als Marktfrühschoppen. Es kann also keine Rede von allzu großer Distanz sein.

Liberal, national, scheißegal!

Dass die Neue Deutsche Burschenschaft sich formal von extrem rechtem Gedankengut distanziert bedeutet aber nicht , dass diese nun die besseren oder gar die unbedenklicheren Verbindungen sind. Kritikwürdige und abzulehnende Aspekte sind bei allen Verbindungen zu finden – egal ob sie sich als liberal oder deutschnational verstehen.

Dieses sind Hierarchien, das Lebensbundprinzip, männerbündische Strukturen, eine konservative Grundeinstellung und unhinterfragte Traditionen.

Dies alles sind Elemente, die – in verschiedener Form und Ausprägung – auch in anderen gesellschaftlichen Gruppen, vom Schützenverein über Topmanagement oder in der Bundeswehr zu finden sind. Doch sind sie bei Studentenverbindungen besonders ausgeprägt und entfalten hier eine besondere politische und gesellschaftliche Wirkungsmächtigkeit, da die Verbindungen mit dem Anspruch auftreten, zukünftige Eliten herauszubilden und zu erziehen – Korporationen sind also nicht mit einem beliebigen „TaubenzüchterInnenverein“ vergleichbar. Betrachten wir einmal die Protektionsmechanismen der Verbindungen, die „Verbandsbrüder“ in führende Stellungen von Politk, Wirtschaft und Verwaltung entsenden, wird dieser Anspruch auch in die Realität umgesetzt.

Hierarchien & Lebensbund

Füxe, Burschen, Alte Herren – das sind die drei hierarchischen Ebenen in allen Verbindungen. Vor allem die Rolle der Alten Herren als „Geldgeber“ bedeutet auch eine exponierte Stellung für diese innerhalb der Verbindungen. Durch die finanzielle Abhängigkeit und die Hoffnung auf Protektion werden Abhängigkeiten geschaffen und die Möglichkeit für Kritik an Ideologie und Verhalten der Alten Herren eingeschränkt. Immer wieder gab und gibt es Konflikte innerhalb von Korporationen zwischen Aktivitas und Alten Herren, die zumeist im Zweifel durch autoritäre Maßnahmen zugunsten der Alten Herren entschieden wurden. Fortschrittliche Impulse ergeben sich aus solchen hierarchischen Strukturen nicht. In dieselbe Richtung zielt auch die Kritik am korporierten Lebensbund-Prinzip: Die Lebensgemeinschaft von jung und alt machte und macht eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit innerhalb der Korporationen schwierig, wenn nicht unmöglich, weil Konflikt vermieden und Anpassung angestrebt werden. Vor diesem Hintergrund sind nicht nur weitgehende personelle, sondern v.a. auch ideologische Kontinuitäten gegeben.

Männerbünde auflösen!

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann sich im Zuge der Aufklärung und der damit verbundenen allmählichen Abkehr von religiös begründeten Welterklärungen die (pseudo)wissenschaftliche, hierarchisch konzipierte Ideologie des Geschlechterantagonismus auszuformen: Es entstand ein immer stärker männliche und weibliche Stereotype festschreibendes Rollenverständnis. Mit dem Verweis auf eine angebliche „natürliche Bestimmung“ der Geschlechter wurde so männlich und weiblich strikt getrennt und den Begriffen bestimmte Verhaltensmuster zugeschrieben. Männlich wurde immer stärker durch martialisch-heroische Züge geprägt. Parallel zu dieser Diskussion um die Geschlechterpolarität stand auch die Entwicklung der burschenschaftlichen Bewegung. Waren die Verbindungen zu dieser Zeit ganz selbstverständlich reine Männerverbindungen – Frauen war der Zugang zu den Universitäten noch verwehrt – so entwickelten sich den Vorstellungen entsprechende Verhaltensweisen und Rituale: Schlüsselbegriffe dafür waren „Ehre“, „Mut“, „Kameradschaft“, „Wehrhaftigkeit“, „Patriotismus“. Diese werden bis heute ebenso gepflegt wie spezifische Formen studentischen Brauchtums: Körperlich-männliche Härtetests und Tauglichkeitsprüfungen, mit denen die „Neuen“ Härte demonstrieren und vermeintlich „weibliche“ Charakterzüge wie Emotionalität und Schwäche überwinden sollen. Mensur und Trinkrituale, bei denen die eigenen Grenzen überwunden werden müssen, sind die bekanntesten Beispiele. Diese Erziehungsrituale dienen dazu, „weibliche“ und zivile Eigenschaften im „Manne“ zu überwinden und zu negieren. Der Soziologe und Philosoph Theodor W. Adorno hat derartige Gebräuche in seinem Aufsatz „Erziehung nach Auschwitz“ als „eine unmittelbare Vorform der nationalsozialistischen Gewalttat“ definiert.

Da die Herrschaftsordnung im 19. Jahrhundert den Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit sicherte, war eine explizit männerbündische Legitimation für die eigene Organisationsform nicht notwendig. Erst als zum Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts die bis dahin festgefügte Herrschaftsordnung durch gesellschaftliche Modernisierungsprozesse und die sie begleitende Emanzipationsbewegung – die Frauen- und ArbeiterInnenbewegung – massiven Angriffen ausgesetzt war, wurden – quasi als „Abwehrhaltung“ – erste Überlegungen hinsichtlich einer spezifisch männlichen Separierung laut. Zu dieser Zeit entstand eine explizite geschlechts-dualistisch ausgerichtete Männerbund-Ideologie. Diese wurde als idealer Gegenpart – gepaart mit einer autoritären Staatsauffassung – zur Abwehr von Demokratie und Gleichberechtigung angesehen. Ein derartiger Männerbund konstruiert in Permanenz sowohl die „friedfertige Frau“ als auch den „aggressiven Mann“ und schreibt damit eine angeblich „natürliche“ Geschlechterordnung fest. Bis heute haben diese Ideen in den Verbindungen überlebt: Mal ausgeprägter in den schlagenden Verbindungen (Burschenschaften, Corps, Coburger Convent), mal weniger in anderen Verbänden.

Dachverbände die heute auch Frauen aufnehmen, sind im Kanon der Verbindungen Außenseiter. Die konservative, dualistische Vorstellung der Geschlechterrollen herrscht bis heute – nicht nur in Verbindungen – vor. Und so kann man auch heute in den Selbstdarstellungen der Verbindungen lesen: „Frauen können unserer Verbindung nicht beitreten (…). Wir meinen, dass durch eine aus beiden Geschlechtern bestehende Mitgliedschaft innere Konflikte entstehen können, die uns nicht helfen, unsere Ziele zu verwirklichen.“ (Sängerschaft Gotia et Baltia Kiel zu Göttingen) Und so wird im Männerbund das Prinzip der Ungleichheit sowohl gepredigt als auch gelebt.

Die Diskriminierung von Frauen macht sich aber nicht nur an der Nicht-Aufnahme von Frauen in die Verbindungen fest. Zu kritisieren ist ebenso die dahinterstehende Ideologie des Biologismus. Denn die korporierte Vorstellung geht vom „Dualismus“ der Geschlechter aus. Es wird also die Auffassung vertreten, es gebe – abgesehen von körperlichen Unterschieden – biologisch determinierte Gründe für die Unterteilung in die Kategorien Mann und Frau. Also die Annahme, bestimmte Verhaltensweisen wären biologisch veranlagt. Dieser konservativen und reaktionären Ideologie gegenüber gilt es daher, „Geschlecht“ als soziale Konstruktion zu begreifen und die Art und Weise ihrer Reproduktion zu verstehen, um sie letztendlich dekonstruieren zu können.

Ausschlaggebend sind demnach gesellschaftliche Konstruktionen wie Geschlecht oder die sogenannte „Ethnie“, aber auch der soziale Hintergrund für den Ausschluss. Verbindungen zeichnen sich also über offenen Sexismus, wahlweise Rassismus und/oder durch die Förderung der eigenen Klasse/Elite aus.

Nationalismus ade?

Die Abgrenzung zur extremen Rechten bedeutet keineswegs, dass sich die NDB vom Nationalismus verabschiedet hat. In ihren Grundwerten schreibt sie, dass jeder Burschenschafter dazu aufgerufen ist, für das Wohlergehen des deutschen Vaterlandes zu wirken und es mit seinen Mitteln zu verteidigen. Dabei beschränkt sich die NDB nicht auf die Grenzen der Bundesrepublik, die für sie nur die politischen Grenzen sind, sondern fühlt sich auch verantwortlich für die Deutschen ausserhalb dieser Grenzen. Wer als „deutsch“ gilt definiert die NDB also nicht über die rechtliche Staatsbürgerschaft, sondern durch eine Blut und Boden Ideologie. Nicht der Pass ist alleinig auschlaggebend, sondern die genetische Abstammung. Nachtijall, ick hör dir trapsen…

Ganz im Sinne eines geläuterten deutschen Patriotismus kann und soll nur derjenige ohne Hochmut stolz auf die Leistungen und Errungenschaften seines Volkes sein, der sich zu dessen Geschichte bekennt, ohne dabei ihre dunklen Seiten zu verleugnen oder zu verharmlosen. Die NDB scheint daraus aber nicht sonderlich viel zu lernen. 2009 veranstaltete sie eine Fahrt nach „Ostpreußen“ ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um Polen handelt und auch polnische Ortsnamen werden konsequent ignoriert.

Wie der gelebte Nationalstolz aussieht, lässt sich bei der Fußballweltmeisterschaft beobachten, wenn wieder Tausende in einen Schwarz-Rot-Goldenen Rausch verfallen, der sich eben nicht nur auf das Anfeuern eines Team beschränkt, sondern eben auch in rassistische Äußerungen und Handlungen umschlagen kann. So wurden bei der WM 2006 italienische und türkische Menschen und Geschäfte Angriffsziel für stolze Deutsche und der Angriff auf Polen wurde sich nicht nur auf dem Spielfeld gewünscht.

Die „vorgestellte Gemeinschaft“ Nation schließt eben immer Menschen aus. Und gerade in Krisenzeiten wird das Konstrukt der Nation in Stellung gebracht um soziale Konflikte zu befrieden. Standortnationalismus und der Verweis auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands wird gerade dann immer hervorgekramt, wenn Einschnitte in die sozialen Rechte der Menschen vorgenommen werden sollen. Weniger Brot, dafür mehr Spiele.

Wenn der ehemalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und selbst Mitglied des Marburger Corps Guestphalia et Suevoborussia sagt, er sähe den Sinn einer Verbindung darin, „auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft zu entsenden“, wird deutlich, dass die Verbindungen eben nicht im stillen Kämmerlein ihre überholte Weltsicht feiern, sondern aktiv nationalistische Ansichten in der Gesellschaft fördern wollen. Die NDB hält ihre Mitglieder dazu an hochschulpolitisch aktiv zu werden, in Marburg geschieht dies vor allem im CDU-nahen RCDS, und ihre burschenschaftlichen Ideale auch im späteren Berufsleben zu behalten und zu verbreiten.

Wir werden es nicht hinnehmen, dass einige hundert Burschenschafter ein fröhliche Zeit in Marburg haben werden! Wir werden ihnen nicht die Stadt überlassen!

Wir setzen mit unserer Demonstration und weiteren Aktionen am gesamten Wochenende dieser Manifestation von Männerbünden die Perspektive einer solidarischen Gesellschaft entgegen!

In diesem Sinne: Nationalismus bekämpfen! Verbindungen kappen! Männerbünde auflösen!

liberal – national – scheißegal!

Erschienen am: 17.06.2010 zuletzt aktualisiert: 17.06.2010 14:53 AutorIn: bg SoWi

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