Basisdemokratisches Bündnis:

AStA-Finanzskandal

Haushaltsposten „sonstiges“: ... minus 25.000 Euro.

Was geschah

Schon kurz nach seiner Wahl im Frühjahr 2010 erklärte der frischgebackene ADF-/RCDS-AStA, es solle sein größtes Projekt werden: Die Übertragung der Spiele der Fußball-Männer-WM in ZHG-Hörsälen. Erfahrung damit war bereits von vorangegangenen Fußballübertragungen vorhanden, kalkuliert wurde äußerst knapp, ein Gewinn würde dabei nicht herausspringen. Inzwischen ist bekannt, dass der Spaß den Studierenden noch einige ungeplante Kosten mehr beschert hat: 18.000 Euro fehlen (neben 3.000 Euro Verlusten) allein hier. Wie nunmehr offiziell festgestellt, sind die Verluste nicht einfach durch schlechte Planung zustande gekommen. Stattdessen ist der enorme Betrag entweder gestohlen oder - was nach bisheriger Informationslage weitaus wahrscheinlicher erscheint – durch AStA-Mitglieder selbst bzw. durch eng mit diesem Gremium verknüpfte Strukturen veruntreut worden!

Als erste Unstimmigkeiten auffielen, war die WM längst vorbei. Nun wurde die Innere Revision der Universität eingeschaltet und stellte das Fehlen des Geldes fest. Und es fielen weitere Unstimmigkeiten auf: Auch von Parties fehlt Geld, die der AStA im „Vertigo“ veranstaltete, dem für Unsummen studentischer Gelder von der ADF durchgesetzten „studentischen Veranstaltungskeller“. Auch hier räumt der AStA mittlerweile offiziell mindestens 7.000 Euro als Fehlbetrag durch „Diebstahl oder Unterschlagung“ ein. Insgesamt sind also über 25.000 Euro verschwunden!

Der AStA muss sich während seiner Legislatur regelmäßig vor dem Studierendenparlament, das ihn in das Amt gewählt hat, rechtfertigen. Und so wurde der Verlust denn auch im StuPa thematisiert. Dort boten die politisch Verantwortlichen allerdings ein unwürdiges Schauspiel: Nein, erklärten AStA-Angehörige, sie wollten nicht mehr zu den Umständen des Verschwindens sagen. Ja, Fehler seien gemacht worden. Welche? Keine Antwort. Und Konsequenzen würde man sicher ziehen - nur wieder: welche, das wurde nicht verraten. Rücktritt war es jedenfalls nicht. In den Reihen der ADF-/RCDS-Koalition taten sich angesichts des öffentlichen Drucks allerdings plötzlich Gräben auf: Ganz offensichtlich herrschte Streit im AStA. Trotzdem blieb das Schweigekartell vorerst noch intakt und die Mitglieder klebten trotz des Skandals an ihren Ämtern. Der stellvertretende Vorsitzende Kai-Horge Oppermann wurde im Fragengewitter - freilich der Opposition - immer mehr zum Wortführer des AStA. Er wiederholte Mantra-artig, dass mehr nicht gesagt werden könne und an einen Rücktritt nicht gedacht würde. Der Bruch innerhalb des AStA trat erst während der nächsten Zusammenkunft des StuPas bei einer Wahl der studentischen Vertreter_innen für den Vorstand des Studierendenwerkes offen zutage: Anders als es wohl bei ADF und RCDS abgesprochen war, wählte das Parlament die amtierende AStA-Vorsitzende Susanne Peter nicht für das nächste Jahr in diese Position. Daraufhin erklärte Peter im Alleingang, sich nicht mehr an die Koalition gebunden zu fühlen. Funktionäre von ADF und RCDS beeilten sich, danach per Twitter und Zeitungsinterview zu erklären, dass die „erfolgreiche Arbeit der Koalition“ natürlich weitergeführt würde. Die StuPa-Episoden enden schließlich mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum fehlenden Geld, dem sich auch ADF und RCDS nicht mehr verweigern konnten. Ob davon allerdings weitere Aufklärung zu erwarten ist, darf angesichts der Mauer des Schweigens getrost bezweifelt werden.

Nach den Studierendenparlamentssitzungen - das Parlament war schon in der „Weihnachtspause“ - kam dann die Zeit der bösen Briefe. Die AStA-Vorsitzende ließ es sich nicht nehmen, umgehend nach der nächsten AStA-Sitzung das Protokoll zu publizieren (solche Protokolle werden meist erst bis zu 6 Monate später veröffentlicht, nachdem die Opposition einige Male daran erinnert hat). Bemerkenswert am Protokoll: Die AStA-Vorsitzende war die einzige Anwesende. Es folgte dann eine Presseerklärung der AStA-Vorsitzenden zu den fehlenden Geldern, in der diese erstmals Namen der Projektverantwortlichen nannte und allgemeine Informationen zu den Abläufen lieferte. Unter anderem machte sie öffentlich, dass der AStA auf die ordnungsgemäße Abrechnung der einzelnen WM-Veranstaltungen verzichtet und sich stattdessen erst im Nachhinein mit einer Bilanzierung beschäftigt hatte. Ganz bewusst hatten die Verantwortlichen also Arbeitsabläufe beibehalten, die ein oppositioneller Revisor schon vorher aufgrund der Missbrauchsgefahr scharf kritisiert hatte. Der RCDS konterte den Vorstoß der Vorsitzenden mit einem eigenen, mit persönlichen Vorwürfen gegen Peter gespickten Statement, in dem allerdings auch die Unfähigkeit des RCDS-Finanzreferenten nicht geleugnet werden konnte. Es folgten eine Presseerklärung aller AStA-Referenten außer der Vorsitzenden Peter und fast zeitgleich die Rücktrittserklärung des Finanzreferenten Eric Möhle.

Einordnung

Die AStA-Vorsitzende Susanne Peter hat sich keine Freunde gemacht unter ihren Mitreferent_innen. Sie scheint die einzige Person im AStA zu sein, die sich einer tatsächlichen Aufklärung nicht grundsätzlich verweigern wollte. Dort hätte man wohl lieber den Ball flach gehalten - es sei sogar überlegt worden, das fehlende Geld durch eine Korrekturbuchung in der Buchführung zu kaschieren. Intern hatte man sich wohl auf Schweigen geeinigt - mit der recht unpassenden offiziellen Begründung, während des laufenden Strafverfahrens keine Details nennen zu können - normalerweise eher etwas, was man von direkt Verfahrensbeteiligten kennt, denen selbst eine Verurteilung droht. Den Vorwurf, es könnte sich gar aus den Reihen des AStA ein_e Referent_in oder Sachbearbeiter_in auf Kosten der Studierendenschaft bereichert haben, wollte man früh ausräumen: In der ersten AStA-Pressemitteilung ist konsequent von „Diebstahl“ die Rede, dasselbe in der weiteren Außendarstellung gegenüber der Presse und auf den eigenen Seiten in der „Augusta“ (obwohl bereits auf Druck der Innenrevision der Universität ausdrücklich Anzeige wegen Diebstahl bzw. Unterschlagung erstattet worden war. Kai-Horge Oppermann bezeichnete dieses Verhalten im StuPa denn auch bezeichnend als „taktisch motiviert“). Dabei läge eine Unterschlagung wohl viel näher: Die Geldsummen können in der Höhe kaum aus einzelnen Kassen entnommen worden sein. Die gesammelten Einnahmen waren ständig bewacht oder gut eingeschlossen. Hinzu kommt, dass bei verschiedenen Veranstaltungen und über einen längeren Zeitraum hinweg - eben nicht nur bei der WM, sondern auch bei Vertigo-Parties - Gelder entwendet wurden. Die politische Strategie war also Schweigen - und daran, dass manche nicht länger schweigen wollten, zerbrach später die Koalition. Als mit der AStA-Vorsitzenden die erste Person - aufgewühlt von der Nichtwahl, die fehlendes Vertrauen in den eigenen Reihen offenbarte - von der Schweigestrategie abwich, zerbrachen die letzten dünnen Bande, die die AStA-Referent_innen einst verbanden.

Sicherlich kann nicht davon ausgegangen werden, der AStA insgesamt habe sich an den fehlenden Geldern bereichert. Nur hat er als solches bisher weder zur Aufklärung beigetragen, noch wurden persönliche Konsequenzen gezogen - abgesehen vom Finanzreferenten, dem zuvor allerdings sogar die eigene Fraktion Inkompetenz bescheinigt hatte. Genau diese Schweigeverabredung ist das hervorstechendste Zeichen dafür, dass diesem AStA nicht mehr getraut werden kann. ADF wie RCDS sind seit dem Aufbrechen des Schweigekartells nun eifrig damit beschäftigt, die auszulöffelnde Suppe weit von sich weg und näher zu anderen zu schieben. (Dabei waren, wie öffentlich bereits eingeräumt werden mußte, mit den Geldern jeweils nur eigene, auf detaillierten Namenslisten festgehaltene Personen betraut. Na dann … !)

Warum bisher kaum Konsequenzen gezogen werden

Die Mauer des Schweigens ist nicht zufällig zustande gekommen. Es gibt Personen hinter der AStA-Vorsitzenden, die von außen nur schwer durchschaubar die Linien der AStA-Politik vorgeben. Zu nennen ist hier vor allem der Koalitionsausschuss, aber auch AStA-Dauermitglieder wie Kai-Horge Oppermann, die nun politisch wirklich gefährdet sind. Was für Susanne Peter eine zweijährige Episode war (ein Jahr als AStA-Referentin, ein Jahr als Vorsitzende) endet nun nicht mit einem weiteren Jahr in einem Studentenwerksgremium, sondern jetzt ohne eine solche weitere Runde. Das ist persönlich und für die Gruppe ADF zu verschmerzen. Die Architekten der Gruppe ADF, die seit etlichen Jahren den AStA (mit-)stellt, haben hier weit mehr zu befürchten: Zum einen könnte ihre persönliche Finanzierung gefährdet sein, die in den vergangenen Jahren durch verschiedenste AStA-Jobs abgesichert war. Vor allem aber wird das ganze System ADF in Frage gestellt. Das lebt nämlich davon, dass es immer Leute gibt, die klare Ansagen machen, was politisch „richtig“ sei und zu geschehen hat, und auf die dann gehört wird - bis zum Heben der Hand in StuPa-Abstimmungen. Durch den beispiellosen Skandal werden nun gerade diese Personen politisch diskreditiert. Das Kleinreden und die Intransparenz um das verschwundene Geld, die Errichtung des Schweigekartells, waren der verzweifelte Versuch, die politische Verantwortung abzuwehren und die etablierten Strukturen der eigenen Verfilzung zu retten. Selbst in den Reihen der ADF wurde nichts aufgeklärt - was im AStA passierte, blieb im AStA.

Unter dem Deckmantel einer „unpolitischen“, später dann „überparteilich“ bezeichneten Gruppe wie der ADF gelang es über Jahre, eine Politik durchzusetzen, die hochkonservativ war – primär weil sie von konservativen Personen gesteuert wurde, nicht weil sie ein konservatives Programm hätte. Prägend für die Gruppe war ihr Kernpersonal, die grauen Autoritäten im Hintergrund. Die Tragweite des AStA-Skandals zieht nun aber Personal aus dieser elitären Runde mit in den Fokus der Aufmerksamkeit und bringt ihren politischen Kredit in Gefahr. Kein Wunder also, dass nun Durchhalteparolen und Schweigeaufforderungen aus dieser Ecke kommen.

Hoffnungen

Der AStA wird wohl gerade hoffen, dass die Karawane weiterzieht und die Nachrichten abklingen. Und dass endlich Februar sei, und Ablösung gewählt wird. Letzteres natürlich nicht für die Dauermitglieder, die dort eher beruflich arbeiten und sich dann in den nächsten Referentenposten heben lassen wollen.

Die ADF wird hoffen, dass die Vorwürfe so abstrakt bleiben, dass die Stammwähler nicht ihren konkreten Lieblingskandidaten bei der ADF als belastet betrachten und trotzdem erneut wählen.

Das Geld wird wohl verschwunden bleiben. Täter werden vermutlich nicht gefunden werden, wenn es nicht noch Einzelpersonen im AStA gibt, die weitaus größeres Wissen haben, als sie bisher eingestanden haben. Da der AStA die WM-Übertragungen für den zentralen Eckpfeiler seiner Kulturarbeit ansieht, kann er damit nun sogar wahrheitsgemäß auch angeben, dass diese „Kulturarbeit“ eine Menge Geld und Zeit gekostet hat.

Für die politische Landschaft an der Univeristät ist vor allem zu hoffen, dass es Konsequenzen gibt. Wenn ein AStA, unter dessen Ägide über 25.000 Euro entwendet werden, mit einem Lächeln davonkäme und quasi problemlos wiedergewählt werden würde, wäre das ein katastrophales Signal für die Hochschulpolitik, die nun seit Jahren ohne Abwechslung auskommen musste. Darum: Wer ADF/RCDS wählt, ist selber schuld - und sollte nachher nicht nach dem Geld fragen!


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