Basisdemokratisches Bündnis:

Auftakt der Proteste gegen die Schließungen: 1.500 Studierende auf Sowi-VV / 500 auf Spontandemo

Eine Woche nachdem der Uni-Präsident von Figura seine Pläne zur Schließung der Pädagogik, Politik und Sportwissenschaften verkündet hat (mehr Infos zu Figuras Plänen: hier), fanden bereits vereinzelte Aktionen in der letzten Woche statt. Heute liefen die Proteste mit einem großen Knall großflächlig an:

Zunächst sammelten sich ca. 1.500 Studierende im ZHG 011 zur Vollversammlung der Sowi-Fakultät. Der größte Hörsaal der Universität, der 1.000 Sitzplätze umfasst, platzte beinahe aus den Nähten. Zu den im Moment direkt betroffenen Sowis gesellten sich zahlreiche Studierende aus anderen Fachbereichen, die sowohl ihre Solidarität ausdrückten, als auch den Angriff auf die Sowi-Fakultät als einen Angriff auf alle Studierenden begreifen.

Nachdem mehrere Redebeiträge gehalten wurden, verabschiedete die Vollversammlung eine Resolution. Bei Stellungnahmen und Meinungsbekundungen sollte es aber nicht bleiben: Klar wurde, dass dies nicht den ganzen Protest ausmachen kann, vielmehr braucht es jetzt tatsächlichen Druck auf die FunktionsträgerInnen. Vor allem wurde der Fokus auf Herrn von Figura gelegt, der seine Spielräume weit zuungunsten der Sowi-Fakultät ausgenutzt hat.

Dieser Zielsetzung verlieh eine spontane Demonstration im Anschluss an die Vollversammlung Ausdruck: ca. 500 Studierende zogen vom Campus über die Berliner Straße, durch die Innenstadt Richtung Wilhelmsplatz. Vor dem Präsidium am Wilhelmsplatz zeigten die Demonstrierenden, was sie von Herrn von Figuras scheinheiliger "Dialogbereitschaft", die bestenfalls ein Reden über vollendete Tatsachen darstellen kann, halten: Mit Sprechchören forderte die versammelte Menge den Rücktritt des Präsidenten.

Der Präsident indes verschanzte sich im Präsidiumsgebäude und rief Bereitschaftspolizei herbei. Ca. 100 Studierende versuchten friedlich in das Präsidiumsgebäude zu gelangen. Diese wurden sofort, als die Polizei eintraf, vom Eingang weggeprügelt. Dabei wurde Pfefferspray eingesetzt und gezielt Transparente zerrissen.

Mit Sprechchören wie "Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage" verließen die Studierenden nach kurzer Zeit den Wilhelmsplatz, da in weiteren Konfrontationen mit der aggressiv vorgehenden Polizei kein Sinn abzusehen war.

Die lautstarke Demo zurück zum Campus eröffnete ein weiteres Mal die Öffentlichkeit in der Fußgängerzone für die Anliegen der Studierenden. Bis auf eine unbegründete Störung der Polizei, die in der Weender Straße vor dem Carré in die Demo stürmte, um Transparente zu entwenden und zu zerstören, verlief die Demo reibungslos und löste sich nach einer kurzen Blockade des Weender Tors auf dem Campus auf.

Mit diesem Auftakt legten die Studierenden einen guten Start der Proteste hin: Am Aktionstag nächsten Dienstag, mit anschließender Demo um 15 Uhr, geht es in die nächste Runde. Spätestens heute wird Herr von Figura festgestellt haben, dass er sich demnächst besser warm anziehen sollte.

Es bleibt aber auch festzustellen, dass, obgleich Herr von Figura seine Spielräume aufs Ärgste gegen die Sozialwissenschaftliche Fakultät ausgenutzt hat, was seinen Rücktritt unumgänglich macht, wir es nicht ausschließlich mit der "falschen Politik" einer einzelnen Person zu tun haben. Vielmehr ist diese Ausdruck eines spezifischen Bildungs- und Wissenschaftsbegriffs: Bildung gilt hier ausschließlich als Ressource für den Arbeitsmarkt, Wissenschafts als Produktion von verwertbarem Wissen. Alles, was sich diesem ökonomischen Imperativ entzieht, verliert diesem Prinzip nach seine Existenzberechtigung.

Diesem Wissenschaftsbegriff gilt es nun einen positiven Wissenschaftsbegriff entgegen zu stellen: Einem Begriff, der Bildung als Prozess der Selbstentfaltung des Individuums, der Wissenschaft auch als kritische Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse begreift. Diese eher theoretische Definition gilt es in die Praxis umzusetzen: So wird es vom 06.12-08.12. eine 48-Stunden-Uni geben. Diese wird von der studentischen Basis organisiert und inhaltlich gestaltet werden. Bildung richtet sich hier nach den Anliegen der Menschen, die an diesen Ort kommen, um sich mit Themen ihrer Wahl auseinander zu setzen, Workshops anzubieten, zu diskutieren usw.

Hier gilt es nicht nur den Protest weiter vorzubereiten, Themen von Interesse zu behandeln, sondern auch kritische Analysen zu entwickeln, die unsere Momentane Situation zu analysieren und zu erklären versuchen. Es gilt nicht nur den Bildungsbegriff des Herrn von Figura und sämtlichen Landesregierungen zu entlarven, sondern auch dessen Genese zu erklären: Dieser Begriff steht nicht im luftleeren Raum. Ihm kommt eine innere Logik zu, die sich vor dem Hintergrund bestimmter gesellschaftlicher Strukturen entwickelt. Diesen gilt es auf den Grund zu gehen. Warum kann sich gerade dieser Bildungsbegriff durchsetzen? Welche Interessen, ideologische Denkmuster und welche Strukturen stecken dahinter?

Die Schließung der 3 Fächer ist ein Aspekt dieser sog. "Umstrukturierungen", die auch Studiengebühren, die Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen mit einschließt.

Solche und andere Fragen gilt es zu behandeln und in die weitere Strategie der Proteste einzubeziehen. Eine solche Strategie muss sowohl die jetzt anstehenden Ziele umzusetzen in der Lage sein (Erhalt der Sowi-Fakultät, Abwenden der Studiengebühren etc.), aber auch eine langfristige Perspektive in Aussicht stellen: Sie muss die Angriffe auf die Bildung in ihrem Zusammenhang fassen können, und in ihrer Analyse "an die Wurzel" gehen können. Nur so kann vermieden werden, dass sich der Protest in zahllose einzelne Rückzugsgefechte verliert. Dabei gilt es einen pluralen Protest zu ermöglichen, in dem verschiedene Aktionsformen und Ansätze zusammenarbeiten können.

Der Start ist gemacht. Lassen wir den Winter einen heißen Winter werden!


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