Basisdemokratisches Bündnis:

Intervention bei Universitätsrede erfolgreich!

Am Donnerstag den 8.12.05 war Bischof Huber eingeladen im ZHG 011 die Universitätsrede zum Thema Wissenschaft und Verantwortung” zu halten. Der Unipräsident Kurt v. Figura sollte ein Eingangsstatement machen. Eine gute Gelegenheit auf seine aktuelle Politik aufmerksam zu machen, durch die verantwortungsvolle Wissenschaft zukünftig strukturell verhindert werden soll. Also betraten 60-80 Menschen kurz bevor die Veranstaltung begann die Bühne, um auf den Widerspruch zwischen den Sonntagsreden des Präsidenten und seine politische Praxis aufmerksam zu machen. In einer kurzen Rede wurden die Anwesenden über v. Figuras untragbare Politik informiert und sein Rücktritt gefordert. Im Anschluss verließen die AktivistInnen den Raum und boykottierten so die Rede von des Unipräsidenten. Nachdem v. Figura fertig geredet hatte kehrten die meisten zurück, um den Vortrag von Huber zu hören. Huber nahm in seinem Vortrag mehrere Male auf das Thema Bezug, auch wenn er nach eigener Aussage beim Schreiben der Rede noch nichts von den Vorgängen in Göttingen gewusst habe. Das erscheint auch nur logisch, war seine These doch, dass die Naturwissenschaften sich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und ihrer moralischen Verantwortung immer bewusst sein sollten. Deshalb seien Sozialwissenschaften, Philosophie und Theologie (?) unverzichtbar für die Naturwissenschaften und dürften nicht von ihnen getrennt werden. V. Figura wirkte nach der Rede sichtlich angeschlagen. Er bedankte sich knapp bei Huber und bat die Studierenden sich auf eine offene Diskussion einzulassen. Jedoch nicht in dem sonst üblichen Gestus des großherzigen Angebots. Es wirkte eher wie eine Verteidigungsgeste. Alles in allem ein voller Erfolg. Figura wankt. Nicht das seine Person das wirkliche Problem ist. Er hat auch nur eine Rolle in dem Spiel. Aber wenn er tatsächlich über seine Pläne stürzt, dann wird sich ein potentieller Nachfolger zumindest zwei Mal überlegen, ob er sich so rückhaltlos in das Projekt technokratische Bildungsreform stürzt, wie sein Vorgänger.

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede, die vor der Veranstaltung gehalten wurde:

Gegenrede am 8.12.

Ich kenne den Inhalt von Herrn Hubers Rede nicht – ich kenne aber das Thema. Eines scheint mir bei dem Thema doch auffällig unstimmig. Nämlich das Wortpaar Wissenschaft und Verantwortung. Es stellt sich die Frage, ob das was mit diesem Wortpaar ausgedrückt werden soll, in Göttingen überhaupt noch Gültigkeit haben soll. Denn was in Göttingen gerade ansteht ist das Gegenteil von dem, was nötig wäre, damit Wissenschaft und Verantwortung gemeinsam denkbar sind.

Diese Frage hat zwei Aspekte:

1.Die Frage, wie redlich innerhalb der Universität miteinander umgegangen wird.

2.Welche Bedingungen ein Universität bieten muss, damit Wissenschaft und Verantwortung gemeinsam denkbar sind

Ich will zuerst zu dem Ersten etwas sagen. Von Redlichkeit kann bei den aktuellen Prozessen keine Rede sein. Wie soll Wissenschaft noch ernsthaft als die verbindliche Suche nach Wahrheit gelten, wenn bei der Organisation von Wissenschaft gelogen wird wie gedruckt. Wenn Herr v. Figura beispielsweise im Studierndenparlament verkündet, es gäbe keine Kürzungspläne für die Sowi-Fakultät, obwohl er den Evaluationsbeicht schon lange vorliegen hat, mit dem er jetzt die Kürzungen begründet. Wenn Herr v. Figura erklärt, er werde keinen Zukunftsvertrag unterschreiben, in dem auch die Einführung von Studiengebühren festgeschrieben wird, wenn dort kein Inflationsausgleich drin ist. Einige Monate später ist der Vertrag unter Dach und Fach. Natürlich ohne Inflationsausgleich. Wenn Herr v. Figura es nicht als das bzeichnet, was es ist, nämlich eine weitere Kürzungsrunde, sondern von Planungssicherheit redet. Wenn Herr v. Figura im schlimmsten orwelschem Neusprech von einem Erhalt z.B. der Politik spricht, weil doch zukünftig ein Professorenstelle für die Lehrämtler alles abdecken soll, was zuvor vier Proffesorenstellen geleistet haben – und tatsächlich versucht damit den Begriff Schließung als unsachlich hinzustellen. So etwas sollte eigentlich Objekt wissenschaftlicher Forschung sein, nämlich der Diskursanalyse und der Ideologiekritik. Statt dessen geriert sich Herr v. Figura allen Ernstes als Repräsentant von Wissenschaft. Das ist ungeheuerlich.

Zu zweitens: Die Bedingungen für verantwortungsvolle Wissenschaft. Wenn in der Einladung für diese Veranstaltung allen Ernstes die Göttinger Erklärung von Born, Hahn, Heisenberg ua. gegen die atomare Bewaffnung als Beispiel für verantwortungsvolle Wissenschaft bemüht wird, dann ist das mehr als ein Witz. Schließlich ist diese Erklärung ein guter Beleg dafür, dass das Wissen, das in einer Universität produziert wird eben die Verantwortung mit sich bringt es von den unterschiedlichsten Seiten zu beleuchten: Zitat: „Wir wissen, wie schwer es ist, aus diesen Tatsachen die politischen Konsequenzen zu ziehen. Uns als Nichtpolitikern wird man die Berechtigung dazu abstreiten wollen; unsere Tätigkeit, die der reinen Wissenschaft und ihrer Anwendung gilt und bei der wir viele junge Menschen unserem Gebiet zuführen, belädt uns aber mit einer Verantwortung für die möglichen Folgen dieser Tätigkeit. Deshalb können wir nicht zu allen politischen Fragen schweigen.” Hätten sie versucht sich in einer Universität nach v. Figuras Vorstellungen eine politische Meinung zu bilden, dann hätten sie dafür wohl nach Hannover fahren müssen, um dort die Bibliothek des politikwissenschaftlichen Seminars nutzen zu können. Genau wie die Studierenden der Politikwissenschaft in Hannover künftig nach Göttingen fahren sollen, wenn sie sich mal über einen soziologischen Klassiker informieren möchten, auf den man sich in ihren Texten die ganze Zeit bezieht. Herr v. Figuras Wissenschaftverständnis ziehlt darauf ab, die Wissenschaften zu entkontextualisieren. Nicht mehr der universell gelehrte Spezialist ist das Leitbild sondern der sondern borniertes Spzialistentum. Wenn sie also etwas für verantwortungsvolle Wissenschaft tun möchten, dann tun sie ihren Teil die aktuellen Pläne zu stoppen. Wenn das mit diesem Präsidenten nicht geht, dann muss er eben weg. Ich wünsche uns allen einen interessanten Vortrag.


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