Basisdemokratisches Bündnis:

Alles Demokratie oder was?

Neben der „Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Fachschaftsmitglieder” (ADF) und dem „Ring Christlich Demokratischer Studierender” (RCDS) tritt zur Uni-Wahl in diesem Monat noch eine weitere Gruppe an, die schon in ihrem Namen auf „Demokratie” anspielt. Nur das es sich sich diesmal um „Basisdemokratie” handeln soll. Da stellt sich natürlich die Frage, was das sein soll. Was bitte meinen die damit?

Zum Begriffsverständnis

Als „demokratisch” bezeichnen wir Formen von sozialem Miteinander, bei denen alle Beteiligten möglichst weitgehend in alle Informations-, Diskussions- und Entscheidungsfindungsprozesse eingebunden sind. „Basisdemokratisch” nennen wir das, weil uns eins dabei wichtig ist: das die Prozesse nicht nur formal „demokratisch” sind, sondern auch real Menschen die Möglichkeit bieten, sie einzubringen und mitzubestimmen. Es reicht uns nicht, das Studierende einmal im Jahr an die Urne gehen dürfen und danach nicht mehr beachtet werden. Da muss doch mehr drin sein!

Demokratie und Parlament

Es ist eine gängige Form demokratischer Mitbestimmung, das in einem bestimmten Rhythmus ein Parlament gewählt wird, das dann alle weiteren Entscheidungen in die Wege leitet. Einige finden, das sei der Weisheit letzter Schluss. Dabei wird oft übersehen, das auch diese Form politischer „Beteiligung” so seine Grenzen hat:

So wählen wir – auch bei dieser Wahl – mit je einer Stimme eine politische Gruppierung mit all ihren Vor- und Nachteilen. Vielleicht wählen wir eine Gruppe nur wegen einem Punkt, der uns persönlich sehr wichtig ist. Aber im Studierendenparlament (Stupa) wird die Stimme dann (logischerweise) als allgemeine Zustimmung gewertet. Wir teilen einen Blanko-Scheck aus mit dem die einmal Gewählten so ziemlich alles machen können – auch wenn wir nach einigen Monaten vielleicht total unzufrieden sind mit dem was sie tun. Es muss also möglich sein, auch über diese Stimmabgabe hinaus noch Einfluss auf die Hochschulpolitik nehmen zu können.

Dazu kommt, dass von den Entscheidungen in der Hochschulpolitik (also etwa: tun wir etwas gegen Studiengebühren? Finden wir die neuen BA/MA-Studiengänge toll oder tun wir was dagegen?) nicht alle Studierenden gleichermaßen betroffen sind. Einige können sich die Studiengebühren vielleicht leisten, andere sind schon jetzt mit Nebenjobs, Hausarbeiten und Praktika derartig ausgelastet, das da kein Raum mehr bleibt um 500 bis 1000 Euro im Semester zusätzlich ranzuschaffen. Die Wahl zum Parlament gibt allen den gleichen Einfluss – ungeachtet der Tatsache, das sie real ungleich sind und auch in unterschiedlichem Maße von den Folgen studentischer Politik betroffen sein werden.

Und dann ist alles viel zu spät

Ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung, ob ein Verfahren als „demokratisch” gelten kann oder nicht, ist das der so genannten „Rückholbarkeit”: Entscheidungen müssen stets zurückgenommen werden können. Und auch die Folgen dieser Entscheidungen müssen auch im Nachhinein noch korrigierbar sein. Wenn es aber beispielsweise um Reformen von Studiengängen, Kürzungen an Universitäten oder die Einführung von Studiengebühren geht, dann stehen wir vor einem Problem: wenn ein AStA ein Jahr lang untätig im AStA-Haus sitzt und sich nicht blicken lässt, dann verstreicht dabei kostbare Zeit. Zeit, die wir brauchen könnten und gebraucht hätten, um unsere Position zu diesem Bildungskahlschlag deutlich zu machen. Eine solche Entscheidung ist nicht mehr „rückholbar”.

Bild dir deine Meinung

Häufig verbreitet ist die Ansicht, die Leute würden sich halt eine Meinung bilden und dann entsprechend die Gruppe wählen, die ihre Interessen am Besten vertritt. Dieses Argument ignoriert jedoch völlig, auf welcher Grundlage eine solche Entscheidung getroffen werden muss: Wenn ich bislang noch nichts von den neuen BA/MA-Studiengängen gehört habe und gar nicht weiß, welche Auswirkungen sie auf die Studienbedingungen haben werden, kann ich mich schlechterdings nicht zu ihnen positionieren. Darum ist nicht nur die Entscheidungsfindung (bin ich dagegen oder dafür?) ein wichtiges Moment von Demokratie, sondern auch die Bildung dieser Meinung. Dafür braucht es nicht nur Informationen, sondern auch Diskussionen unter Studierenden. Solange wir nicht über das Streiten, was wir machen wollen, werden wir nicht über drittklassige Lösungen hinauskommen. Streit ist eine Produktivkraft, auch für studentischen Protest.

Was ist eine „neutrale Information”?

Hochschulgruppen wollen gewählt werden. Entsprechend werden sie die Informationen, die sie in die Studierendenschaft hineinstreuen, auch immer darauf abstimmen, das hinterher möglichst viele Stimmen bei ihnen landen. Wir stehen also vor einem Problem: einerseits läuft ein nicht unerheblicher Teil der Meinungsbildung von Studierenden (zumindest was Hochschulpolitik angeht) über Veröffentlichungen von Hochschulgruppen. Auf der anderen Seite sollen diese Hochschulgruppen dann im Studierendenparlament die Meinungen umsetzen, die sie vorher noch selbst massiv beeinflusst haben. Die Quadratur des Kreises.

What?s left?

Was bleibt also an Kriterien, die wir an basisdemokratische Entscheidungen anlegen müssen? Sie müssen die Meinung der Einzelnen zu den jeweilig anstehenden Punkten berücksichtigen – und dürfen sich nicht an einer abstrakten, einmaligen Stimmabgabe orientieren. Sie müssen mit den tatsächlich unterschiedlichen Interessenslagen der Studierenden umgehen – nur weil die Mehrheit der Studierenden nicht im Rollstuhl sitzt, sind die Belange der RollstuhlfahrerInnen nicht egal. Sie müssen mit der Tatsache umgehen, das Politik nicht stillsteht und gerade dabei ist, die Hochschulen aktiv zu verändern – nichts tun ist da eben auch eine Art, Veränderungen voranzutreiben. Sie müssen Menschen in die Lage versetzen, sich eine Meinung zu bilden und sich darüber mit Anderen auszutau-schen. Um dann, nach diesem Austausch, eine Entscheidung fällen zu können.

Bei einer solchen Vielzahl an Herausforderungen für (basis-)demokratische Politik kann es natürlich nicht die eine Methode geben, die immer anzuwenden wäre. Aber sicherlich gibt es viele Fälle, in denen eine Abstimmung im Stupa nicht das non plus ultra ist. Wenn es beispielsweise um Kürzungen an der Uni geht, dann bringt es den Studierenden nicht viel, wenn sich das Stupa dagegen ausspricht. Was es dann braucht, sind Informationsveranstaltungen und Dis-kussionsmöglichkeiten, die es ihnen ermöglichen, sich ein eigenes Bild von der Sache zu machen. Resolutionen gegen solche Kürzungen könnten dann im Anschluss daran auch mal von einer studentischen Vollversammlung beschlossen werden – und nicht von unter demokratischen Gesichtspunkten mehr als prekär legitimierten ParlamentarierInnen.


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