Basisdemokratisches Bündnis:

Volk mich nicht voll

Auch bei dieser Wahl wird sich der reaktionäre Flügel der Studentenschaft zu Wort melden. Hochschulgruppen, in denen diese Traditionen verbreitet sind, von der man gar nicht glaubt, dass es solche und ähnliche Denkmuster überhaupt noch gibt. Die Rede ist von Burschenschaftlern, Corps und rechten Verbindungen. Holzminda und Co. waren gerade in letzter Zeit in Bezug auf Antisemitismus im Gespräch (Siehe letzte Ausgabe). Daher wollen wir diese Gruppierungen genauer unter die Lupe nehmen.

A new state was born

Im Zuge der Aufklärung wurden bestehende Herrschaftsverhältnisse zu-nehmend hinterfragt. Vor allem die Gegensätze zwischen Adel Klerus und dem dritten Stand, führte zu Spannungen in ganz Europa. In Frankreich schuf die französische Revolution ein Modell für eine bürgerliche Staatsgründung. Während in Frankreich im Zuge der Re­volution die Bürgerrechte für alle Menschen innerhalb des Staates formuliert wurden, entstand in Deutschland, ein auf Blut und Boden beruhender Nationenbegriff. Nur ein starkes geeintes Deutschland könnte sich im Krieg gegen andere Länder, im speziellen gegen Frankreich als wehrhaft erweisen. Im Zuge dieser Nationalisierung erstarkten die nationalkonservativen und republikanischen Kräfte. Vertreter dieses neuen Be­wusstseins waren zu dieser Zeit insbesondere Studenten aus Adel und dem sich ent­wickelnden Bürgertum. Auf die Demokratisierung, in Auseinandersetzung mit dem Adel, beziehen sich Burschenschaften noch heute, als einen Akt der Befreiung, an dem sie federführend mitgewirkt hätten.

Ein weiteres Ereignis, das sie sich auf die Fahne oder auf die Scherpe schreiben, ist die bürgerliche Revolution von 1848. 1848 waren Burschenschaften allerdings elitäre Vereine, die aktiv antiemanzipatorische Po­litik machten. Sie waren antidemokratisch, völkisch und antisemitisch orientiert. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht verwunderlich, dass sie deutsches Großmacht­streben à la „Platz an der Sonne“, während des 1. Weltkrieges, nicht nur still duldeten, sondern glühend befürworteten.

Wenige Jahre später entdeckten die Burschenschaften neue Gesinnungsgenossen in ihrem „nationalen Streben". So kam es zu Auflösungen der Burschenschaften im Nationalsozialismus. Denn zum einen gab es die Kamerad­schaft unter gleichen, die Elite und zum anderen waren Teile des Weltbilds des Na­tionalsozialismus identisch. Folgende Zitate aus den Burschenschaftlichen Blättern aus den Jahren 1930-33, charakterisieren die Geisteshaltung der Burschenschaften dieser Zeit:

„Wenn der nationale, der völkische Gedanke so zu verstehen ist, dass er zur höchsten Verantwortung gegenüber Volk und Volkstum, den Blutverwandten Volksgenossen erziehen soll, muss die Aufklärung über alle gegnerischen Mächte im Vordergrund stehen… Da sind zunächst diejenigen, die den allgemeinen Menschheits­gedanken über den Volkstumsgedanken stellen, wie zum Beispiel bürgerliche Liberale, volksfremde Demokraten, Marxisten, Gegner einer heldischen Weltan­schauung und all diejenigen, die aus weltanschaulichen Gründen international eingestellt sind und an Aufklärungsarbeit über Rassen- und Volkstumsfragen kein Interesse haben“. „Die Vorwürfe die gerade wegen der zersetzenden Einflusses des Judentums vorgebracht werden, sind nur zu berechtigt.“

Nach der Beendigung der deutschen Barbarei durch die Alliierten bildeten sich wieder Burschenschaften und gaben sich ein scheinbar demokratisches Antlitz, indem sie sich zu Opfern von Hitler oder sogar als Widerstandskämpfer stilisierten und das „neue Deutschland“ mitgestalteten. Die bestehenden Grenzen werden in Frage gestellt. Schlesien, Ost-Pommern, usw. Denn, so die Argumentation, sie seien Deutsche im Sinne der Abstammung. Inwieweit in Burschenschaftskreisen über eine erneute Eingliede­rung Österreichs diskutiert wird, sei dahingestellt.

Good old traditions

An der Geisteshaltung dieser Gruppierungen hat sich bis heute wenig geändert. Besonders prägend ist das Geschlechterverhältnis bei den Burschenschaftlern. Deutlich wird dieses daran das Frauen keine Mitglieder sein können. Während die Frau sich um „Heim und Herd" zu kümmern hat, ist der ehrvolle Burschenschaftler Mitglied eines Männerbundes, der besonders durch den massiven Genuss von Alkohol im Kreise seiner national gesinnten Kumpanei gefestigt werden soll.

Eine seltsame Angewohnheit scheint jedoch dabei zu sein, dass selbst das Biertrinken ein hierar­chisches Moment beinhaltet. Die „Führer“ einer Runde sind die sogenannten „Alten Herren“ ehemalige Verbindungsstudenten. Diese unterstützen den jetzigen Ver­bindungsmob finanziell und legen die Regeln fest, die „auf dem Haus“ herrschen. Außer den „Alten Herren“ gibt es die Burschen, die sich ähnlich wie beim Militär in verschiedene Grade einteilen lassen. Das untere Glied in einer Burschenschaft ist der Fuchs. Er ist vorerst Knecht, der den Burschen dienen muss. Durch dieses Prinzip lernen sie zu gehorchen und können sich ebenso sadistisch benehmen, wenn sie keine Füchse mehr sind. Die alte deutsche Logik „nach oben buckeln nach unten treten“ wird somit reproduziert.

In so genannten schlagenden Burschenschaften, ist der post­pubertäre Ritus der Mensur vorhanden. Das Schlagen durch einen scharfen Gegenstand an den Kopf ist ein seltsames „kulturelles“ Phänomen, das „Mann“ hervorgebracht hat. Und wenn Bursche einen Schnitt im Gesicht erhält, wird alles getan (Asche etc.) damit eine fette Narbe bestehen bleibt, und er steigt in der Hierarchie auf.

Eigentlich könnte Mensch sie einfach ignorieren, wenn sie nicht als gesellschaftliche Elitenschmiede fungieren würden. Wie wir seit der Debatte um Eliteuniversitäten wissen, ist es eine wichtige Aufgabe, in die Gesellschaft zu wirken und Vorbild zu sein. In Anbetracht dieser Umstände und den immer wieder auftauchenden Seilschaften zu rechtsextremen Kreisen (z.B. Danubia München), gibt es Gründe genug, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und ihnen bei offenem Auftreten in der Stadt oder Uni entgegenzutreten.


Dieser Artikel ist abrufbar unter: //archiv.bb-goettingen.de/424