Im Klinikum kommen Menschen unter die Räder

„Gezielte Einsparungen, Prozessoptimierungen und Schwerpunktsetzungen in der Forschung“1

So lautet das Programm, das der Stiftungsausschuss Universitätsmedizin Ende Juni beschlossen hat. Schöne Worte für Veränderungen, die zum Ziel haben, den ohnehin schon gebeutelten Angestellten des Universitätsklinikums noch weitere unzumutbare Arbeitsverhältnisse aufzudrücken. Bereits im Januar 2005 ist es bei den Angestellten des Uni-Klinikums zu Warnstreiks gekommen, da vom Land Lohnkürzungen von bis zu 10% angekündigt wurden.

Nun schlägt der Stiftungsrat zu und will wieder an die Gehälter der Angestellten ran. Im Stadtmagazin Goest2 ist zu lesen, dass es gemäß den üblichen Methoden von Betrieben vonstatten gehen soll. Zunächst sollen laufende, befristete Verträge nicht verlängert und den zukünftigen Arbeitslosen Jobs angeboten werden. Diese formale Konstruktion hat zum Zweck den Arbeitnehmer_innen erheblich weniger Lohn zu zahlen, als das bisher der Fall ist.

Als wäre dies nicht schon Grund genug sich als Studierende mit dem Thema Löhne und Lohnkürzungen auseinanderzusetzen. Diese Sparmaßnahmen werden mit dem alten Lied des Sachzwangs begründet. Aufmerksamen Studierenden sollte an dieser Stelle ein Lichtchen aufgehen. Denn nicht selten werden universitäre Umstrukturierungen mit eben demselbem Sachzwangargument begründet und knappe Kassen als gottgegebene Tatsachen dargestellt. Zum einen wurden flankiert von dieser Argumentation Studiengebühren eingeführt und zum anderen liefen auch die Kürzungen an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät über diese Legitimationsschiene. Dass es also strukturelle Parallelen zwischen den Kürzungen an der Uni und den aktuellen 'Sparmaßnahmen' gibt, dürfte offensichtlich sein

Ursachen der Umstrukturierungen

Leider sind auch die Unis seit Ende der neunziger Jahre in die Rationalisierungsmühle des Standortes Deutschland gekommen. Es werden nur noch jene Fachbereiche gefördert, die sich ökonomisch rentieren. Alle anderen werden operationalisiert und 'abgeschlankt'. Eben: „Effizienter“ gemacht. Man schaue sich nur an, welche Fächer die nächste Runde der Exzellenzinitiative erreicht haben. An der tatsächlichen Kompetenz der Forscher_innen soll hier nicht gezweifelt werden. Nur ist es leider so, dass es darum schon längst nicht mehr geht. Es geht um die Rentabilität und die liegt in Göttingen eben in den Naturwissenschaften. Der Gegensatz zwischen subjektiven Bedürfnissen und ökonomischen Bedingungen tritt wieder zum Nachteil der Subjekte zutage. Wie hart dieser Widerspruch ist, artikuliert sich gerade in den Umstrukturierungen des Uniklinikums.

Doch nicht nur hier, auch in der Rhetorik, in der vom zentralen Propagandaorgan der Uni Göttingen (uni|in|form)3 über die Einsparungen berichtet wird, offenbart sich eine feindliche Haltung gegenüber den sich wehrenden Angestellten. Das Sachzwangargument wurde restlos geschluckt. Sie gehen sogar noch ein Stückchen weiter: Schamlos (aber naheliegend) nutzen sie das, im allgemeinen, unkritische Bewusstsein vieler Studierender dazu, über gewerkschaftliche Organisierung herzuziehen.

„Neben dem 22 Wochen dauernden Streik mit tariflichen Nachzahlungen und dauerhaft erhöhten Kosten für Personal werden als Ursachen dafür zudem erheblich gestiegene Energiekosten, die Annäherungsphase an einheitliche Fallpauschalen, die Mehrwertsteuererhöhung und unaufschiebbare Investitionen in den 30 Jahre alten Gebäudekomplex des Zentralklinikums angeführt.“4

Völlig unkritisch übernimmt das Blatt die Angaben jener, die diese Sparmaßnahmen bewilligt und durchgesetzt haben. Mit keinem Wort benennen die Autor_innen, dass Streiken ein Grundrecht ist oder dass es beim Streik um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensumstände der Angestellten ging. Vermutlich kommt ihren 'journalistischen' Köpfen noch nicht einmal in den Sinn, dass es nicht nur vernünftig, sondern bisweilen auch bitter notwendig ist, sich den aktuellen Zumutungen zu widersetzen. Das wäre wesentlich zu viel verlangt. Statt dass die Schuld dort gesucht wird, wo sie zu finden ist, nämlich in der Logik des Systems, wird sie auf jene geschoben, die bei der ganzen Geschichte auch noch am schlechtesten wegkommen.5 Die Angestellten werden öffentlich selbst dafür verantwortlich gemacht, dass sie jetzt weniger Lohn kriegen sollen. Es ist so absurd, dass es kaum in Worte zu fassen ist.

Und nun?

Tatsache ist, dass das Land sich immer weiter aus der Affäre zieht und ziehen muss, will sie nicht an andere Quellen ran. Dieser Unwille liegt oft in der mangelnden Kompetenz die auf der Bundesebene zu suchen wäre. Dass es dort durchaus Töpfe gäbe, aus denen die Gelder kommen könnten, verschweigen die Autor_innen als auch die so genannten Expert_innen. Wie wäre es denn, wenn die Bundeswehr endlich ihre Milliardenzuschüsse abgibt und diese frei werden für ein sinnvolles Grundeinkommen, ordentliche Löhne und gebührenfreie Studiengänge? Ja, wie wäre es denn, wenn die Uni-Leitung mal die überflüssigen Gelder (2.014.520 Euro), die sie in Renovierungen von Gebäuden investiert, die noch gar nicht sanierungsbedürftig sind, in soziale Konzepte umsetzt?

Aber Hauptsache auf die Menschen ein dreschen, die versuchen sich den gegenwärtigen Zumutungen zu entziehen und für ein angenehmeres Leben kämpfen.


1) Titel des Artikels „Keine Alternative zu Sparmaßnahmen“ in uni|in|form. Ausgabe 3/2007

2) www.goest.de

3) Ob die Namensgeber_innen der Zeitung sich bewusst waren, dass der Name – lässt mensch die Klammern weg, was naheligend ist - Uniform lautet? Ist da der Name etwa Programm und Ziel zugleich?

4) Keine alternative zu Sparmaßnahmen. uni|in|form, Ausgabe 3/2007. S.2

5) Die Logik des Systems ist eine allgemeine Tendenz der die Menschen in dieser Gesellschaft unterliegen. Die Unterwerfung unter Rentabilität lautet die Maxime dieser Gesellschaft. Dass es allerdings auch Spielräume zur Umverteilung gibt die die unmittelbaren Lebensumstände der Menschen verbessern können ohne, dass damit gesagt sei die Gesellschaft wäre besser geworden, sollte der_dem Leser_in klar sein.

Erschienen am: 27.08.2007 zuletzt aktualisiert: 28.08.2007 10:15

Termine