Geld, Gold und Glück? Studiengebühren gestern, heute und morgen

Versuch einer Kritik

Geschichte der Studiengebühren

Das erste Mal ernsthaft über die Einführung von Studiengebühren wurde in Göttingen vor etwa 15 Jahren spekuliert. Erbitterter studentischer Widerstand konnte sie damals noch verhindern. Es gab einen unglaublich entschlossenen Streik, an dem sich allein in Göttingen über 4000 Studierende aktiv beteiligten. Bei der landesweiten Abschlussdemo standen annähernd vierzigtausend (in Zahlen: 40.000!) Studierende auf den Göttinger Straßen. Als die ersten an der Uni ankamen, waren die letzten noch nicht am Neuen Rathaus losgegangen.

Einige Jahre später stellte sich die damalige Landesregierung etwas cleverer an. Zunächst kam sie auf die Idee, für das Studium zwar Geld zu nehmen, dabei aber nicht von „Studiengebühren” zu sprechen. „Verwaltungskostenbeitrag” nannte sich das Ganze und wird seitdem regelmäßig etwas erhöht. Danach führt sie nicht Studiengebühren für alle, sondern lediglich für die sogenannten „Langzeitstudierenden” ein. Da breite Teile der Studierenden glaubten, sie selber würden ohnehin nie zu dieser Gruppierung gehören, war der Widerstand gegen dieses Unterfangen eher verhalten. Und schließlich kamen sie – die Langzeitstudiengebühren. Ab dem 14. Studiensemester dürfen wir nun alle 500 Euro abdrücken. 2 mal im Jahr.

Studiensemester, das heißt, wenn wir 14 Semester studiert haben. Wer also nach fünf Semestern Medizin auf den Trichter kommt, Biologie könnte doch besser sein, der hat für das Biologiestudium noch ganze neun Semester. Und das inclusive der Prüfungszeiten, die in den offiziellen Berechnungen oftmals nicht auftauchen.

Was ist gerade angedacht?

Seit etwa anderthalb Jahren ist dann auch von der Einführung genereller Studiengebühren die Rede. Derzeit ist das nicht möglich, weil es ein Bundesgesetz gibt, das die Einführung allgemeiner Studiengebühren verbietet. Dieses Gesetz wird jedoch gerade vom Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe überprüft. Einige Bundesländer hatten geklagt, weil sie fanden, so was würde gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Bundesregierung selber scheint diese Auffassung auch irgendwie zu teilen, denn Justizministerin Brigitte Zypries erwähnte nach der letzten Sitzung des BVG über die Studiengebühren, sie glaube nicht, dass das Studiengebührenverbot bestand haben werde.

Sollte das BVG nun auf die Idee kommen, diesem Gedanken Recht und der Klage stattzugeben, hat die niedersächsische Landesregierung schon ein entsprechendes Gesetz in der Schublade: Die einzelnen Universitäten sollen die Möglichkeit bekommen, Studiengebühren erheben zu können. Bis zu 1000 Euro sollen dann drin sein für die Unis. Das gerade die Uni Göttingen, die sich selbst als „Elite-Universität” sieht, hier nicht weit unter dem Maximalsatz bleiben dürfte, scheint klar.

Dass Studiengebühren soziale Auslese vorantreiben und für viele Studierende schlicht nicht bezahlbar wären, hat bislang dafür gesorgt, das die BefürworterInnen von Studiengebühren stets mit viel Widerstand rechnen mussten. Um diesen Widerstand zu brechen, kommen immer wieder neue Ideen und Konzepte auf, mit denen die Gegenargumente entkräftet werden sollen. Doch schon ein kurzer Blick auf diese Konzepte zeigt, dass da nicht viel dran ist.

Zukunft der Studiengebühren

Oft zu hören ist die Meinung, Studiengebühren seien durchaus akzeptabel, wenn das Geld an den Universitäten verbleiben würde. Befürchtet wird, dass die Landesregierung einfach die Mittelzuweisungen an die Unis um den Betrag kürzt, den diese durch Studiengebühren reinkriegen. Dann bliebe am Ende alles beim alten – nur dass die Studis halt 500 bis 1000 Euro im Monat abdrücken dürfen.

So eine Argumentation fährt beispielsweise unser Uni-Präsident Horst Kern: Studiengebühren ja, aber nur wenn das meiner Uni Kohle bringt. Extra für ihn hat sich nun der Bildungsminister Lutz Stratmann einen ganz tollen Trick einfallen lassen: wir kucken einfach, wie groß der Anteil der Gelder für Unis an der Gesamtausgabemenge des Landes ist. Angenommen das wären 10%. Nun schreiben wir einfach diese 10% in der Verfassung als Mindestfinanzierung für die Hochschulen fest. Und führen hinterher Studiengebühren ein. Dann wäre gewährleistet, dass die Gelder tatsächlich bei den Unis landen.

Ein Rechenbeispiel: Nehmen wir an, der Gesamthaushalt betrüge eine Million Euro. Dann bekämen die Unis derzeit zehn Prozent, also 100.000 Euro. Jetzt kommt eine Landesregierung daher und sagt: Okay, jetzt kürzen wir alle Posten um zehn Prozent (So ist ja die niedersächsische Landesregierung im letzten Jahr tatsächlich vorgegangen, das ist also ein durchaus realistisches Szenario). Dann betrüge der Gesamthaushalt nur noch 900.000 Euro. Die Unis bekämen weiterhin (verfassungsrechtlich zugesichert) zehn Prozent, diesmal allerdings nur noch 90.000 Euro. Wir sehen also: auch eine Verfassungsrechtliche Absicherung hilft nicht viel.

Ein weiteres Argument geht dahin, Studiengebühren in dem Fall gutzuheißen, wenn sie "sozial gerecht" seien, wenn also eine Benachteiligung sozial schwacher Menschen außer Frage steht. Hierzu gibt es dann die Idee, die Studiengebühren erst dann einzutreiben, wenn die Studierenden ordentlich Geld verdienen. Dadurch wären sie dann während des Studiums nicht belastet.

Da in einem solchen Modell die Universitäten die Mehreinnahmen erst nach Abschluss des Studiums bekommen würden und außerdem Verwaltungstechnisch mit dem Eintreiben der Gelder wohl überfordert wären, gibt es die Idee, die Finanzierung über Banken abzuwickeln. Diese sollen verzinste "Bildungskredite" geben, und alles wird. Außer, das die Zinszahlungen an den Studis hängenbleibleiben. Und das damit natürlich vom ersten Semester an ein unglaublicher Druck da ist, auch wirklich nur das notwendige Minimum abzuleisten. Was der wissenschaftlichen Ausbildung nicht gerade zuträglich ist. Falls das Studium überhaupt begonnen wird - und die aufkommenden finanziellen Belastungen nicht ohnehin abschreckend wirken auf die, die ohnehin in prekären sozialen Verhältnissen aufgewachsen sind.

Wir sehen also: weder das die Unis mehr Geld bekommen noch das sich Studiengebühren sozial gerecht gestalten lassen, lässt sich tatsächlich real umsetzen. Was bleibt, ist das Ziel einer immer weitergehenden Durchkommerzialisierung des Studiums. Auch wenn die zu dem Gedanken von freier Wissenschaft und Lehre in absolutem Kontrast steht. Auf die Bedürfnisse der Studierenden wird dabei ebenso wenig Rücksicht genommen wie auch im übrigen Leben die Bedürfnisse der Menschen nicht viel zählen, sobald der gesellschaftliche Irrsinn, aus einem Euro zwei zu machen, in Frage steht.

Erschienen am: 10.12.2004 zuletzt aktualisiert: 12.10.2009 22:48 AutorIn: email-address

Weblinks:

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Bildung auf einen Blick 2004