Warum wir einen politischen AStA brauchen

Die drastischen Kurzungen der finanziellen Mittel der Universitaten, die Einfuhrung von Studiengebuhren, als auch die Kurzung der Studienzeit und -qualitat durch den Bachelor, zeigen einmal mehr, dass die Hochschulen keine von der Gesellschaft abgekoppelten Elfenbeinturme sind.

Mit der Einfuhrung des Bachelors sind in Gottingen ganze Facher, wie z.B. die Allgemeinpadagogik, abgeschafft worden, und Studiengebuhren von 500 Euro (mit Ankundigung kommender Erhohungen) sind Realitat.

Wer wie die AdF in solchen Situationen lediglich ein Transparent mit Bitte keine Kürzungen an der Gottinger Uni! hochhalt, aber es nicht wagt, gegen die dahinterstehenden gesellschaftlichen Vorgange zu argumentieren und zu protestieren, wird kaum erwarten konnen, ernstgenommen zu werden.

Man kann sich nicht sinnvoll gegen Studiengebuhren und Kurzungen einsetzen, ohne den Landeshaushalt zu kommentieren.

Tatsachlich passt sich derart eindimensionaler Protest, wie ihn die AdF betreibt Als Beispiel sei die AStA-Pressemitteilung vom 12.09.2008 genannt, in der die derzeitige AStA-Vorsitzende Silja-Katharina Haufe angesichts des letzten OECD-Bildungsberichts die katastrophale Unterfinanzierung des deutschen Bildungssystems kritisiert. Derartige Protestnoten, dezent auf der AStA-homepage veroffentlicht und vlt. noch an einige Lokalzeitungen verschickt, sollen den Studierenden glauben machen, der AStA wurde kritisch arbeiten., noch in die Weltsicht der Befurworter der Reformen ein (Die Studenten sind doch nur gegen die Gebuhren, weil sie jetzt etwas zahlen mussen., Wenn die Staatskassen leer sind, muss eben jeder auf seine Privilegien verzichten. usf.).

Konstruktive Kritik, d.h. das Aufzeigen von Anderungsmoglichkeiten und Alternativlosungen, wird hier nicht betrieben.

Die Grunde fur die Veränderungen an der Hochschule konnen nur verstanden werden durch eine klare Analyse der politischen Vorgange und Verhaltnisse auch ausserhalb der Uni.

Die Frage, die wir uns stellen, ist: Was sind die gesellschaftlichen Umstande, die dazu fuhren, dass uns an der Uni der Hals zugeschnurt wird?

Warum sitzen wir in uberfüllten Seminaren und sind der Massenabfertigung durch (Multiple-Choice-)Klausuren und eLearning unterworfen?

Die Ursachen fur unsere Probleme liegen ausserhalb der Uni. Auch wenn der Uniprasident von Figura fur Studiengebuhren eintritt, hat er sich die Beschlusse nicht ausgedacht.

Wer stupide Mehr Mittel, mehr Geld fordert, aber sich nicht traut, Stellung zu beziehen, wenn den Arbeitslosen die Gelder gestrichen werden, der kann vielleicht Transparente hochhalten, aber der soll bitte nicht mehr als studentische Vertretung den AStA stellen.

Letztendlich wird sich herausstellen, daß eine verkurzte Analyse und eine auf die Uni an sich begrenzte Kritik nicht zu einer Verbesserung unserer Situation führen konnen.

Wer die Feststellung Die Unis werden unterfinanziert. legitim findet, den Gedankengang aber, dass evtl. zu wenig Geld fur die Hochschulen da ist, weil der volkerrechtswidrige Afghanistanfeldzug der NATO zu viel kostet und Grosskonzerne subventioniert werden als illegitim denunziert, der nimmt der studentischen Politik jeglichen Handlungsspielraum -- und macht sie uberflussig.

Die Interessen der Studenten enden nicht an der Campusgrenze!

Warum sollen StudentInnen, z.B. die Bios, sich nicht kritisch mit Fragen der Gentechnik oder des Klimawandels befassen, und sich dafür einsetzen das eine kritische Behandlung dieser Inhalte sich auch in den Lehrplanen niederschlagt.

Fragt doch mal einen vom AdF, was los ist, wenn das Ozonloch direkt uberm Stupa steht: Ob das dann Allgemein- oder Hochschulpolitik ist?

Warum sollen StudentInnen, z.B. die Physiker, sich nicht kritisch mit Fragen der Kernenergie befassen -- oder sollen sie erst noch ein paar Jahre warten?

Der nachste Super-Gau wird kommen. Wenn dann Strahlung auf den Mensatischen gemessen wird (so wie nach Tschernobyl) ist das dann ein Hochschulpolitisches oder Allgemeinpolitisches Problem?

Warum sollen StudentInnen, z.B. Juristen, sich nicht mit den juristischen Aspekten der Atomkraft auseinandersetzen – es gab hier mal einen Lehrstuhl für Atomrecht.

Warum sollen sich StudentInnen, z.B. Mediziner, sich nicht mit der Bedeutung des derzeit ablaufenden Sozialabbaus im Gesundheitswesen auseinandersetzen?

Warum sollen StudentInnen, z.B. Sowis, Politikwissenschaftler oder Geschichtler, sich nicht mit Neofaschismus und rassistischen oder antisemitischen Tendenzen in der Gesellschaft auseinandersetzen durfen?

Warum sollen sich, z.B. die Wiwis, nicht mit Kritik an der neoliberalen Lehrmeinung beschaftigen?

So unpolitisch die AdF sich auch immer darstellen möchte: die bewußte Ausblendung dieser Zusammenhänge ist ein politisches Programm.

Die AdF ist politisch, indem sie sagt,

-- Kürzungen sind in Ordnung, aber bloß nicht in Göttingen, lieber in Hannover.

Politische Aussage: Gekürzt werden muss, weil wir unter anderem damit einverstanden sind, dass die Vermögenssteuer abgeschafft ist und weil wir uns nicht gegen die permanente Senkung des Spitzensteuersatzes positionieren wollen.

Die AdF ist politisch, wenn sie sagt,

--Die Kürzungen im Sozialbereich gehen uns nichts an.

Politische Aussage: Kürzt bei meiner Oma (RentnerInnen), bei den StudentInnen in Hannover oder in Vechta, bei meiner kleinen Schwester (Kindergartenplatze), bei meinem alteren Freund (arbeitsloser Akademiker).

Die AdF ist politisch, wenn sie sagt,

-- Es macht keinen Sinn, uber politische Themen im StuPa zu reden, zu denen das StuPa keine Entscheidungskompetenz besitzt.

Politische Aussage: Wir mussen stillschweigend akzeptieren, was uns vorgesetzt wird. Probleme, die nicht per StuPa-Beschluss zu losen sind, sind irrelevant.

Gerade deswegen ist es wichtig, sich klar zu machen, dass man eine eindeutig unsoziale, ausgrenzende und damit implizit elitare Einstellung unterstutzt, wenn man AdF wählt.

Sicherlich hat das StuPa nicht dieselben Zustandigkeiten wie der deutsche Bundestag oder andere Parlamente und kann auch keine missliebigen Gesetze abschaffen oder verandern.

Daraus folgt aber nicht, dass es unnutz ware, im StuPa uber Politik zu sprechen und sich zur gesellschaftlichen Lage zu aussern.

Schliesslich wurde auch niemand den Redaktionen von Tageszeitungen vorwerfen, warum sie sich denn mit Themen beschaftigten, zu denen sie doch gar kein Entscheidungsrecht hatten.

Auf die Idee, dass auch sie, wie die Tageszeitungen, ein politisches Mandat wahrzunehmen haben, namlich zur politischen Bildung der Studierendenschaft beizutragen und die demokratische Partizipation der Studierenden am gesellschaftlichen Diskurs zu fordern, kommen die VertreterInnen der AdF nicht.

Die Entpolitisierung der studentischen Vertretung, die der AdF seit Jahren systematisch betreibt, widerspricht dieser grundlegenden demokratischen Forderung, dass die verfasste Studierendendenschaft ihr politisches Mandat wahrnehmen soll.

Eine studentische Vertretung kann StudentInnen nur dann tatsachlich vertreten, wenn sie um die Uni herum nicht nur ein Vakuum sieht oder dieses ideologisch konstruiert.

Wenn diese Denkblockaden nicht aufgehoben werden, bleibt unser Protest stumpf und nutzlos, denn er wird nichts verandern konnen.

Der eigentliche Angriffspunkt unserer Kritik liegt ausserhalb der Uni. Um in diesem Feld angemessen agieren zu konnen brauchen wir das politische Mandat fur Fachgruppen, Fachschaften und AStA.

Forderungen und Vorschlage:

1. Die konsequente Wahrnehmung des politischen Mandats durch die verfasste Studierendenschaft. Wir brauchen einen AStA, der politisch handelt und auf lange Sicht gegen Kürzungen und Studiengebühren aktiv ist.

Ein AStA unter Beteiligung der AdF kann nicht weiter akzeptiert werden!

2. Die Bildung von inhaltlichen Arbeitsgruppen, die sich z.B. mit okonomischen und sozialen Fragen beschaftigen.

3. Sucht offensiv die Diskussion mit Kommilitonen und macht ihnen klar, dass die Uni nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum existiert.

Erschienen am: 06.10.2008 AutorIn: email-address