Gartenzwerging - Bachelor macht alles gleich

Der Bachelor kann als eine Art „Taylorisierung des Studiums“ beschrieben werden. Der Begriff Taylorisierung geht zurück auf den US-amerikanischen Ingenieur Frederick Winslow Taylor (1856–1915). Taylor hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Arbeitsprozesse innerhalb von Unternehmen durch detaillierte wissenschaftliche Planung derart zu „optimieren“, dass sie möglichst schnell und reibungslos durchgeführt werden können. Für jeden Arbeitsschritt gäbe es „one best way“, einen besten Weg, um die Aufgabe zu bewältigen. Dafür musste den ArbeiterInnen das letzte Quäntchen Autonomie, das ihnen im ausgehenden 19. Jhd noch geblieben war, mittels präziser Vorgaben ausgetrieben werden.

Dieses Prinzip wird nun auf das Studium übertragen. Es soll effizient und rentabel gestaltet werden, weshalb detaillierte Vorschriften erarbeitet werden, wie das Studium sinnvoll und schnell zu bewerkstelligen ist. Bachelor-Studienordnungen gehen davon aus, dass es „one best way“ gäbe, um sich einem wissenschaftlichen Gegenstand zu nähern. Selbst Prüfungsleistungen müssen in den Prüfungsordnungen festgeschrieben werden, jegliche Autonomie wird den Lehrenden ebenso wie den Studierenden ausgetrieben.

Ähnlich der Zergliederung von Arbeitsprozessen wird auch das Studium in kleine Teile zerlegt, die alle für sich bewertet werden. Eine Standardisierung soll dabei für eine entsprechende Vergleichbarkeit sorgen. Das gleichzeitig mit der Schaffung von Elite- und Exzellenzuniversitäten gerade Unterschiede innerhalb der universitären Landschaft installiert werden sollen, fällt dabei schon gar nicht mehr auf.

Die Folge ist eine fast vollständige Entmündigung der Studierenden. In fabrikmäßig betriebenen Studiengängen werden im Rahmen einer kaum vorstellbaren Gleichmacherei nahezu identische Bildungsprodukte hergestellt. Die vielbeschworene „Individualität“, die uns als moderne Menschen angeblich auszeichnen soll, suchen wir an der Universität vergebens. Alle lernen den selben Stoff, alle schreiben die selbe Klausur, alle sehen, während sie Modul für Modul fleißig abarbeiten, die immer selben Gesichter.

Die heute praktizierte Form von Bildung ließe sich als Vergartenzwergung bezeichnen: auch wenn alle genau gleich groß sind, stehen wir doch nur im Garten rum und fühlen uns klein im Schatten des riesigen Hauses, zu dessen Zierde und Wohlgefallen wir produziert worden waren. Andere sprechen bereits von einem Waschmaschinenstudium und fühlen sich wie in dem schlechten Scherz, in dem sie irgendwo unterschrieben haben und nun ständig irgendetwas geliefert bekommen, das sie garantiert nicht bestellt haben: Studienordnungen, Seminarliteratur, Kriterien zur Scheinvergabe und dergleichen mehr – obwohl sie schwören könnten, nichts dergleichen in Auftrag gegeben zu haben.

Die Entscheidungen über das, was in unserem Studium wichtig ist, treffen nicht wir. Sie wird vielmehr für uns getroffen. Von Bildungsministern, Unipräsidenten und den Vertretern der Wirtschaft, die im Stiftungsrat sitzen und anhand der Zukunftserwartungen ihrer Unternehmen darüber entscheiden, welche Fachrichtungen gepuscht und welche eingestampft werden.

Es ist nicht unsere Bildung und es ist nicht mal so richtig unser Studium. Nicht wir bilden uns, wir werden gebildet. Nach einem Muster, dem wir vielleicht gar nicht entsprechen wollten, und an das wir nun unaufhaltsam angeglichen werden. Mit Freiheit und Selbstbestimmung hat das nicht viel zu tun. Sicherlich sind wir frei in der Wahl, unser Studium hinzuschmeißen – aber ein bisschen zynisch ist das schon. Und auch mit Demokratie in einem emphatischen Sinne hat diese Veranstaltung nicht viel zu tun. Schließlich geht es doch bei Demokratie darum, dass Menschen über sich und ihre Umstände selbst bestimmen. Damit ist das, was uns hier zugemutet wird, damit wohl kaum vereinbar. Alles das ließe sich jedoch ändern. Nicht alleine, aber gemeinsam.

Erschienen am: 15.07.2008 zuletzt aktualisiert: 24.09.2008 15:22 AutorIn: email-address