Ab 2009 wird‘s teuer für Studierende der Universität Göttingen

Laut einer Studie des Hochschul Informations Systems, haben sich für das Wintersemester 08/09 rund 18000 Abiturient*innen gegen ein Studium an Deutschen Hochschulen entschieden. Dies korreliert laut Ergebnissen der Studie mit der Einführung von Studiengebühren.

„Wie jetzt bekannt wurde, verzichten insbesondere Frauen und junge Menschen aus weniger gebildeten Familien wegen der zu bezahlenden Bildung auf ein Studium.“1

Was also bereits vor Jahren kritisiert worden ist, wird nun bittere Realität. Nachdem zunächst bildungsferne und ärmere Schichten durch das patriarchal formierte dreigliedrige Schulsystem gesiebt sind, funktioniert der zusätzlich eingeführte Filtermechanismus inzwischen einwandfrei. Doch damit nicht genug. Auch Institutionen, auf die wir uns bislang verlassen haben (der Staat gehört explizit nicht dazu), fallen uns in den Rücken. Zusätzlich zu dieser finanziellen Belastung nämlich, folgte zunächst der rechts-konservative AStA mit einer Erhöhung des Semesterbeitrags um 25% (für einen ungefragten und umstrittenen Partykeller) und dann das Studentenwerk, indem es ab dem 1. Januar 2009 die Mietpreise für Studierendenwohnheime anheben wird. Es ist folglich davon aus zu gehen, dass die gesellschaftliche Ungleichheit im Studium perspektivisch größer wird.

Was erwartet uns ab dem 1. Januar?

Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Denn obwohl das Studentenwerk daran festhält, eine transparente Politik betrieben zu haben, fiel es uns (den Autor*innen) außerordentlich schwer, an die entscheidenden Infos zu kommen: Um wieviel Prozent steigen die Mietpreise ab dem 1. Januar 2009? Was ist die Begründung für die Mietsteigerung? Und wie kommt es dazu, dass ein derartiges Haushaltsloch im Etat des Studentenwerks entstehen konnte? Auf all diese Fragen haben wir bislang keine befriedigende Antworten erhalten und beziehen uns deswegen auf Versatzstücke, auf die wir während unserer Suche gestoßen sind.

Angeblich sollen die Mietpreissteigerungen für verschiedene Wohnheime unterschiedlich hoch sein. Das reicht von Erhöhungen von satten 20% bis hinab zu 5% im besten Fall. Anscheinend sind manche Häuser auch gar nicht von Erhöhungen betroffen.2

Entscheidend ist demnach im Moment nicht die genaue Größe der Erhöhungen, da dies Zahlen sind, auf denen die Studierendenvertretung im Studentenwerk bislang sitzen bleibt. Wichtig ist, dass selbst die niedrigsten Zahlen bei 5% anfangen. In Anbetracht der generellen finanziellen Lage von Studierenden, stellen diese Erhöhungen unzumutbare Bedingungen dar und stehen im direkten Widerspruch zum Auftrag des Studentenwerks. Um dies zu verdecken, scheint das Studentenwerk und dessen Vertreter*innen, eine intransparente und defensive Kommunikationsstrategie zu fahren.3

Als Begründung für die Mietpreiserhöhung wird angeführt, dass das Land dem Studentenwerk keine Mittel mehr zur Verfügung stellt. Darüber hinaus müssen bis 2020 bis zu 40 Mio. Euro aufgebracht werden, um anstehende Renovierungen zu finanzieren. Dies muss als Folge einer über Jahre dauernden maroden Finanzpolitik des Studentenwerks betrachtet werden. In dieser Zeit hat das Studentenwerk nämlich eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit bewiesen, was die Weitergabe von Richtlinien von oben nach unten betrifft. Nachdem es sich in diese Bredouille manövriert hat, bleibt dem Studentenwerk keine große Wahl. Entweder es schröpft die Studierenden, die schon seit langem in einen etwas lethargischen Schlaf gefallen sind und keinen nennenswerten Widerstand organisieren wollen, oder es versucht – in Konfrontation zum Land – dem Etat weitere Mittel abzuringen. Die Entscheidung ist leicht gefallen. Auch wenn dann der soziale Auftrag des Studentenwerks mal nicht so genau genommen werden muss.

Schönreden leicht gemacht...

Auf Anfrage des Fachschaftsrates der Philosophischen Fakultät bezüglich der steigenden Mietpreise, verfasste der studentische Vertreter Stefan Christmann - seines Zeichens Sozialdemokrat - eine umfassende Erklärung zu den steigenden Mietpreisen ab dem 1. Januar 2009. In diesem proklamiert er, seinen Pflichten der Informationsweitergabe nachgekommen zu sein und dass auch das Studentenwerk ausreichend über die Mietpreissteigerung informiert habe. So heißt es in seiner Stellungnahme dazu:

„Das Verfahren um die Mietpreiserhöhungen zum 1.1. war ein äußerst transparentes Verfahren. Das Studentenwerk Göttingen ist eine Organisation, die Mitbestimmung lebt: Entsprechend der studentischen Selbstverwaltung sind die Mieterhöhungen in allen Wohnheimen vom Abteilungsleiter Wohnen vorgestellt und diskutiert worden.“

Nun haben uns jedoch Informationen erreicht, dass keineswegs alle Wohnheime zu einem solchen Austausch eingeladen worden sind. Informationen darüber, welche Wohnheime denn überhaupt angesprochen worden sind, liegen uns derzeit nicht vor. Fakt ist, dass in dieser Hinsicht keinesfalls eine ausreichende Transparenz existiert hat.

Nachdem sich infolgedessen eine Initiative gegründet hatte, die versuchte an eben diese Informationen zu gelangen, reagierte das Studentenwerk prompt mit einer weiteren Versammlung, zu der wiederum nicht alle Wohnheime eingeladen wurden. Auch dort ist unklar, wer alles eingeladen und anwesend war. Anscheinend herrscht von Seiten des Studentenwerks ein solches Verständnis von Transparenz, welches im wesentlichen eine minimalistische Informationspolitik beinhaltet (Siehe Fußnote 3). In dieser Informationsversammlung sollte es darum gehen, Gerüchten, es würde eine allgemeine Angleichung an den Göttinger Mietspiegel geben, zu entkräften. Das Studentenwerk ist seinen Pflichten nachgekommen, denn es hatte ihre Aufgabe „erledigt“ und ist den „Gerüchten“ entsprechend begegnet. Dass diese Gerüchte aber aus ihren eigenen Reihen stammten, wurde nicht auf der Veranstaltung erwähnt.

Es folgt aus dem Dargestellten, dass es keinerlei transparente Informationspolitik von Seiten des Studentenwerks gegeben hat und dass auch die studentische Vertretung sich nicht bemüßigt sah, sich dieser Aufgabe an zu nehmen. In seiner Darstellung heißt es laut Stefan Christmann dann so:

„Ihr seid im übrigen der erste Fachschaftsrat, der direkt Kontakt zu den StudierendenvertreterInnen im Studentenwerk aufnimmt.“

Dass es die eigentliche Aufgabe der Studentischen Vertretung im Studentenwerk oder aber auch des AStA wäre, die Studierendenschaft umfassend über solcherlei Entwicklungen zu informieren, verschweigt er und tut so, als wäre es klar, dass ihm jede Information aus der Nase gezogen werden müsse. Aber natürlich informiert man „serviceorientiert“, wie man sich gibt, vom Rosa-Luxemburg-Haus aus lieber über den nächsten AStA Casino-Abend, als über die eigene Unfähigkeit, eine Auseinandersetzung mit dem Studentenwerk an zu gehen. Aber diese Auseinandersetzung wäre bitter nötig.

Die Gründe, die Pfründe

Die studentischen Vertreter*innen fahren den gleichen Kurs, der auch aus den Chefetagen des Studentenwerks zu vernehmen ist: Uns sind die Hände gebunden, wir können nichts machen, das Land will nicht...wir armen Schweine.

Es ist aber auch kein Zufall, dass die Reaktion derart obrigkeitshörig ausfällt. Denn sich zu überlegen wie man (gemeinsam mit organisierten Hochschulgruppen) erfolgreichen Widerstand gegen Mittelkürzungen von Seiten des Landes organisiert; dazu bedarf es eines (im Ansatz) widerspenstigen Geistes.

Vielleicht wäre dann auch eine Kapitalismuskritik angebracht, die feststellen kann, dass das System gerade an allen Ecken kriselt, die Länder Milliarden in eine poröse Wirtschaft stecken müssen, damit der Schein des Funktionierens gewahrt bleibt, aber gleichzeitig die Mittel für die grundlegenden Bedürfnisse (wie Wohnen oder Bildung) gekürzt werden. Dies sind für uns keine erstaunlichen, sondern folgerichtigen Widersprüche der bestehenden Gesellschaft.

Wie dem auch sei:

Nach dem 1. Januar 2009 dürfte klar sein: Eine weitere Mietpreiserhöhung wird‘s nicht ohne Widerstand geben! Und wir können uns schon auf was gefasst machen, denn Stefan Christmann stellt schon die nächsten Geschenke in Aussicht:

„Eine Einschätzung über die generelle Entwicklung der Mietkosten in Göttingen lässt sich von unserer Seite aus nicht geben; was das Studentenwerk Göttingen betrifft, sehe ich derzeit - wie überall – steigende Nebenkosten auf die Studierenden zukommen.“

Bis dahin: Wir organisieren uns! – Eure Krise zahl‘n wir nicht.4


1) Die Studie ist im Internet zu finden: Willich: Studienanfänger im Wintersemester 2007/08. HIS, Oktober 2008

2) Dies haben wir aber bislang nur als Gerücht vernommen. Sobald wir an die offiziellen Zahlen geraten, werden wir diese selbstverständlich auf unserer Homepage veröffentlichen.

3) Diese Defensivität zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus, dass es scheinbar bloß darum geht bestehende Gerüchte zu entkräften, aber keinerlei Interesse besteht den gesamten Entscheidungsprozess umfassend transparent zu machen.

4) An dieser Stelle möchten wir alle auffordern: Falls ihr nützliche Informationen habt bezüglich der aktuellen Mietpreissteigerungen: Wir bemühen uns darum, eine möglichst umfassende Sammlung zu erstellen und diese gebündelt auf unserer Homepage zu veröffentlichen. Falls ihr darüber hinaus noch Interesse und Fragen bezüglich der anstehenden Mietpreiserhöhung habt, schreibt uns eine Mail.

Erschienen am: 13.01.2009 zuletzt aktualisiert: 13.01.2009 18:37 AutorIn: email-address