Argumente gegen Rechts

Wenn die Nazis ankündigen, durch Göttingen zu marschieren, dann rührt sich allenthalben der Widerstand. Bis hin zur CDU gibt es einen gewissen Unmut darüber, dass die Damen und Herren Menschenfeinde die heimischen Straßen abzunutzen angekündigt haben. Die Kritik an den Parolen, mit denen die Nazis zu Punkten versuchen, bleibt dabei allerdings eher dürftig. Ganz im Gegenteil lässt sich immer wieder feststellen, das weite Teile der Nazi-Propaganda mittlerweile schon im gesellschaftlichen Mainstream angekommen sind. Darum hier eine kleine antifaschistische Argumentatitionshilfe.

„Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein”

Während es in den 80er Jahren noch dem rechten Rand des politischen Meinungsspektrums vorbehalten war, „Stolz auf Deutschland” zu sein, so ist diese Parole mittlerweile in die Mitte der Gesellschaft eingesickert. Quer durch Parteien und Uniseminare wollen alle endlich wieder Stolz sein auf Deutschland – aber warum eigentlich?

Schließlich ist dieser Satz bei näherer Betrachtung von vorne bis hinten unlogisch. So macht Stolz natürlich erstmal nur Sinn, wenn es um eine Leistung geht, an der man selbst beteiligt ist. Auf der anderen Seite wird sich aber gerade deshalb aufs Deutschsein bezogen, weil es irgendwas mit Geschichte, Abstammung, Sprache und dergleichen Klimbim zu tun haben soll, für den der oder die Einzelne ja nun erstmal reichlich wenig kann.

Und überhaupt sind das keine Dinge, die objektiv so etwas wie eine „nationale Besonderheit” begründen können. Nehmen wir die Sprache: Eine Friesin und ein Oberbayer werden sie bei dem Versuch, sich in ihrer jeweiligen „Muttersprache” miteinander zu unterhalten, wohl nicht so gut verstehen. Spanien hätte einen veritablen Anstieg der StaatsbürgerInnen zu verzeichnen – sprechen doch weite Teile Südamerikas nichts anderes als – richtig - spanisch. Und Kanada, Belgien oder die Schweiz wären ohnehin nicht als funktionierende staatliche Gebilde denkbar – gibt es dort doch mehr als eine anerkannte Amtssprache.

Oder die Abstammung: Nimmt man den Gedanken ernst, müsste sich die in einem sibirischen Dorf lebende Russin, deren Ur-Ur-Ur-Großvater Deutscher war, mit den übrigen Russen in seinem Dorf gar nicht gut verstehen, während sie mit den Autonomen im Göttinger Juzi geradezu eng verschwistert wäre. Jeder über einige Generationen hinausgehende Bezug auf die Abstammung ist bloße Fiktion: Wer will nach den vielen Menschenwanderungen, Beziehungen und Zufällen quer durch den Garten denn noch wissen, zu welchem Anteil er oder sie germanisch, wikingisch oder italienisch ist.

Doch davon ganz ab: worauf bitte will der gute Deutsche stolz sein? Auf den Massenmord an den Herero? Auf die Niederschlagung des Boxeraufstandes? Auf Auschwitz? Auf die Wiederbewaffnung und den Jugoslawienkrieg? Einige meinen, die soziale Marktwirtschaft oder die Nicht-Teilnahme am Irak-Krieg würden sich da anbieten. Doch die erste funktioniert auch nur so lange, wie Deutschland durch günstige „Terms of Trade” vom Hunger im Trikont profitiert und an letzterem konnte Schröder ohnehin nicht teilnehmen, weil die ganzen Soldaten noch in Jugoslawien stehen.

„Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!”

Die nicht nur bekannteste, sondern wohl auch platteste Parole aus dem veritablen Nazi-Jargon. Aber was will sie uns sagen? Sie kommt sogar ganz ohne Verb aus. Das Ganze wird erst klar, wenn wir den zweiten Satzteil dazunehmen, auch (oder grade) weil er als deren Konsequenz daherkommt: Weil Deutschland den Deutschen, deshalb Ausländer raus. Das faszinierende an dieser Forderung ist, das sie völlig ohne Begründung auskommt. Ganz so als wäre es eine Selbstverständlichkeit, das alle AusländerInnen ausnahmeslos deutschen Boden zu verlassen haben. Worin soll hier eigentlich die behauptete Unverträglichkeit zwischen den Deutschen und den AusländerInnen bestehen?

Wovon der erste Teil des Satze lebt, ist die Entscheidung, von Unterschieden zwischen den Deutschen abzusehen. Da mögen sich StudentInnen und Univerwaltung, ProfessorInnen und Landesregierung, ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, MieterInnen und VermieterInnen, SchülerInnen und LehrerInnen Tag für Tag in gar nicht so freundlichen deutschen Worten (die ja angeblich ihre Gemeinsamkeit ausmachen) ihre Gegensätze mitteilen – den dumpfen Nazi ficht das nicht.

Was schon darauf hindeutet, das es durchaus eine Menge Unverträglichkeiten gibt – nur haben die eben nichts mit Herkunft oder Personalausweis der Beteiligten zu tun. Die Konflikte ergeben sich in aller Regel aus beengten Wohnverhältnissen, Stress an der Uni oder am Arbeitsplatz, Abhängigkeiten vom Hauseigentümer oder politischen Entscheidungen wie etwa der Kürzung oder Erhöhung von Finanzzuweisungen. Solche Konflikte spielen sich dann entsprechend ebenso zwischen In- und AusländerInnen ab wie quer durch diese Gruppierungen.

Nun lässt sich auch das grundsätzliche Problem an kollektiver Identitätsbildung erkennen: es nivelliert die konkreten Unterschiede der Menschen und wirkt tendenziell totalitär. Das gilt beim Herbeireden von angeblichen studentischen Kollektiven (die qua Kollektivität gemeinsame Interessen haben sollen) ebenso wie beim Wahn von den Interessen des deutschen Volkes.

„Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber es sind einfach zu viele!”

Gegenfrage: Wie viele dürften es denn sein? 100.000? 200.000? Eine Million? Insgesamt oder pro Jahr? Wer entscheidet das und nach welchen Kriterien? Wie viele sind es denn zur Zeit, die da grade zu viel sind? Und welcher Statistik soll man glauben schenken? Welche AusländerInnen sollen dabei überhaupt mitgezählt werden? Auch die diplomatischen Vertretungen, die FirmenvertreterInnen von japanischen Autoherstellerinnen und die ausländischen SportlerInnen in den diversen Bundesligen?

Aber vermutlich kommt es auf Größenordnungen gar nicht an, sondern nur auf den Eindruck, das es „unheimlich viele” AusländerInnen gäbe. Schon mal überlegt, wie dieser Eindruck eigentlich entsteht? Vielleicht ja dadurch, das viel zu viele Roma und Ashkali in viel zu kleine Wohnungen im Blümchenviertel gepfercht werden, so das sie froh sind die Kinder bis spät in die Nacht auf dem viel zu kleinen Spielplatz um die Ecke „zwischenlagern” zu können?

Was ist eigentlich, wenn sich 1000 Studis um 500 bezahlbare Studi-Wohnungen prügeln? Sind das dann zu viele Studierende oder zu wenig Wohnungen? Natürlich zu wenig Wohnungen, das weiß wohl jede und jeder von uns. Und wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, wird auch viele leerstehende Gebäude finden, so das es am Platzmangel wohl auch kaum liegen kann.

Es drängt sich also der Gedanke auf, das es wohl nicht einfach zu wenig Wohnraum gibt, weshalb die Zuwanderung eingeschränkt werden müsste, sondern das hier Menschen schlicht für überflüssig erklärt werden, und deshalb der Wohnraum künstlich knapp gehalten wird.

„Das sind doch alles Asylbetrüger und Wirtschaftsasylanten!”

Dieses Argument lebt von einer Unterscheidung in „politische” und „wirtschaftlichen” Fluchtgründe. Die stellt sich in der Praxis jedoch als schwierig heraus. Die Lebensmittelproduktion ist weltweit groß genug, um alle Menschen zu ernähren – zumindest theoretisch. Politisch sieht das anders aus: da gibt es Hunger und ein Leben auf Müllkippen. Natürlich geht es den Menschen, die vor Hunger oder Naturkatastrophen fliehen, immer um ihre „wirtschaftliche Lage”. Nur fällt die ja nicht vom Himmel, sondern ist immer politisch gemacht. Egal ob es um die Zunahme von Naturkatastrophen geht oder darum, dass die Wanderung aus Trockengebieten durch die unglücklich gezogenen nationalstaatlichen Grenze nicht mehr möglich ist. Egal, ob am elenden Leben die politisch durchgesetzte Einführung von Patenten oder die Agrarpolitik der Industrieländer schuld sind – deutschen Gerichten ist das egal.

Für sie ist das alles wirtschaftlich. Richtig „politisch” wird es für sie erst, wenn die politische Gewalt des jeweiligen Herkunftslandes direkte körperliche Gewalt gegen den Flüchtigen ausübt. Da ist Elend eben nicht gleich Elend, da zählt Knast mehr als Müllkippe.

„Die sind doch alle Kriminell”

Manchmal ist zu lesen, AusländerInnen wären krimineller als Deutsche, deshalb müssten diese ganz schnell abgeschoben werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) verweist an dieser Stelle auf zweierlei: einerseits gibt es Verbrechen, die nur von AusländerInnen begangen werden können (Verstoß gegen Ausländer- und Asylgesetzgebung). Andererseits gibt es unterschiedliche soziale Gruppen, die nachgewiesener Weise besonders häufig kriminell sind: junge Menschen, Männer, Leute als städtischen Ballungsgebieten, Leute als sozial schwachen Schichten. Wenn der Anteil der AusländerInnenkriminalität auf die jeweiligen Risikogruppen heruntergebrochen wird, dann ist wieder alles im Schnitt. Bleibt nur die Frage, warum die Daten gesondert ausgegeben werden.

"Die Deutschen sterben aus”

Die Angst geht um: Von der NPD über die Deutschen Burschenschaften bis hin zum Göttinger RCDS machen stolze Deutsche traurige Gesichter: Die Deutschen werden weniger. Sie könnten gar aussterben. Ganz tragisch klingt das immer: "Deutschland steht langfristig vor einem massiven Entvölkerungsproblem. Die Deutschen sterben aus. Hier hat die Politik seit Langem die Probleme einfach ignoriert." (RCDS Göttingen, 2005)

Aber warum eigentlich? Schließlich klagen doch gleichzeitig alle über die stetig wachsende Weltbevölkerung. Wenn man denen deutsche Pässe gäbe, hätte man genug. Aber es geht ja schließlich nicht um Menschen, sondern um Deutsche. Befragen wir Prominente, dann wird bald klar, worin das Besondere am Deutschen liegt. Richard Wagner meinte, der Deutsche „ringt sich aus Armut und Not empor und stirbt bedrückt von schweren Sorgen einsam und vergessen.” DFB-Chef Mayer-Vorfelder schaut auf den Fußball und betont, die Deutschen hätten „nicht die genetischen Voraussetzungen wie Brasilianer oder Afrikaner – wir müssen kämpfen.” Und Ex-Kanzler Helmut Kohl attestiert dem Deutschen gar „Gemeinsinn, Treue zu Sachen und Personen, Zuverlässigkeit, Fleiß, Pflicht-Erfüllen und Dienen-Können”.

Also ein Untertan, der nicht nur seinem Chef, sondern auch noch Sachen die Treue hält, seinem Auto oder dem Staubsauger. Alles, was wir gefunden haben, was als typisch deutsch gilt, kann aussterben! Aber was käme dann? Dann kämen einfach nur Menschen. Das Risiko ist den Rechten aber zu groß.

Am Ende leidet da noch die Kultur – finden sie. Und das will sie nicht, die deutsche Rechte, der es doch um die "deutsche Kulturnation" besorgt ist - und damit um Vaterland und Standort. Und so klagt sie noch heute über das Aussterben der eigenen Spezies und fordert für den Artenschutz ein staatlich gefördertes Zuchtprogramm.

Erschienen am: 10.10.2005 AutorIn: email-address