Definitiv falsch und ganz schön antisemitisch

Der Göttinger Sportwissenschaftler Arnd Krüger übt sich in antisemitischen Verschwörungstheorien

Bei den olympischen Spielen 1972 in München drangen Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe „Schwarzer September“ in das Quartier der israelischen Olympiamannschaft ein und nahmen elf israelische Sportler als Geiseln. Zwei israelische Sportler wurden dabei verwundet und erlagen kurz darauf ihren ihren Verletzungen. Die Terroristen forderten sowohl die Freilassung von 232 Palästinensern, die in israelischen Gefängnissen inhaftiert waren, als auch die Freilassung der beiden RAF-Mitglieder Ulrike Meinhof und Andreas Baader. Während eines dilettantischen Befreiungsversuchs der deutschen Behörden wurden alle anderen Geiseln ermordet, fünf Terroristen und ein deutscher Polizist kamen ums Leben.

Der Göttinger Sportwissenschaftler Arnd Krüger, geschäftsführender Direktor des Göttinger Instituts für Sportwissenschaften, hat sich so seine eigenen Gedanken über das Attentat gemacht. Sowohl auf der Jahrestagung der Sektion Sportgeschichte der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaften (DVS), die vom 19. bis 21. Juni in Göttingen stattfand, als auch in der Zeitschrift Seitenwechsel des Göttinger Hochschulsports für das SoSe 2008 stellte er seine verdrehte Sicht der Ereignisse dar. Die israelischen Sportler, so die Darstellung Krügers, hätten ein palästinensisches Attentat erwartet und seien wissentlich und freiwillig in den Tod gegangen, „für eine größere jüdische Sache“. Die „Opferung“ der Sportler sei eine politische Entscheidung des Staates Israel gewesen.

Die „Beweise“, die Krüger dafür anführt, sind hanebüchen. Im Seitenwechsel schreibt er: „Als die Attentäter in das olympische Dorf eindrangen, flüchtete einer der Geher als letzter aus dem israelischen Quartier über den Balkon. Er hatte zentimeterdicke Brillengläser, d.h. er war praktisch blind ohne Brille.“ Wenn dieser habe fliehen können, so folgert Krüger, dann wäre das auch den anderen israelischen Sportlern möglich gewesen. Sie hätten es aber nicht gewollt. Ähnliche Argumentationen kennt man von anderen Verschwörungstheoretiker_innen, die etwa den israelischen Geheimdienst Mossad für die Anschläge auf das World Trade Center verantwortlich machen und als „Beweise“ dann anführen, alle im WTC arbeitenden Jüdinnen und Juden seien vom Mossad rechtzeitig gewarnt worden, was man an den niedrigen jüdischen Opferzahlen erkennen könne. Schlussendlich steckt hinter allem die „jüdische Weltverschwörung“.

Die vermeintliche Opferung der Sportler durch den Staat Israel brachte Krüger auf der Tagung der DVS darüber hinaus in einen Zusammenhang zur von ihm konstatierten Geringachtung ungeborenen Lebens und behinderter Menschen in Israel. Er zeichnete damit das Bild einer gnadenlosen israelischen Gesellschaft, die buchstäblich über Leichen gehe. Hier offenbart sich ein paranoides antisemitisches Weltbild.

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Norbert Gißel, Sporthistoriker an der Universität Gießen, konstatierte im Deutschlandfunk zu Recht, dass Krüger mit seinen Äußerungen die Opfer der palästinensischen Terroraktion verhöhnt habe. Die vermeintlichen Forschungsergebnisse Krügers haben nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern sind das Ergebnis antisemitischer Verschwörungstheorie.

Der Göttinger Seitenwechsel aber muss sich vorwerfen lassen, dass er diesen Theorien eine Plattform gegeben hat. Ob sich die Universität weiterhin einen solchen Sporthistoriker leisten will, wird sich zeigen. Bisher zeitigten solche und ähnliche Äußerungen meistens keine Konsequenzen. Auch der Unipräsident Kurt von Figura sprach einmal vor einer Vollversammlung sozialhygienisch vom „Ausmerzen von Schwachstellen“ der Universität (gemeint war die geplante Schließung der Politikwissenschaften) und ist immer noch in Amt und Würden. Arnd Krüger befindet sich also in bester Gesellschaft.

Quellen:

- Seitenwechsel. Hochschulmagazin der Universität Göttingen; SoSe 2008

- Bericht im deutschlandfunk vom 22. Juni 2008:

- http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/06/22/dlf_20080622_1945_1e4f9d55.mp3

Erschienen am: 15.07.2008 zuletzt aktualisiert: 24.09.2008 15:26 AutorIn: email-address