Farbentragende Burschenschafter in der Innenstadt

Gleich zwei Studentenverbindungen hatten für das Wochenende vom 13. bis 15. Juni Bundesbrüder und Kameraden nach Göttingen eingeladen, aber der reibungslose Ablauf der Festlichkeiten wurden von Gegendemonstrant_innen verhindert.

Gemeinsam mit der „Germania“ aus Jena feierte die „Hannovera“, eine in der „Deutschen Burschenschaft“ (DB)1 organisierte Burschenschaft, vom Donnerstag bis Sonntag ihr 160. Stiftungsfest. Die „Hannovera“ war im Vorfeld durch enge Kontakte zum extrem rechten Spektrum in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt, zuletzt weil sie in Kooperation mit der „Holzminda“ den Ex-KSK General Günzel2 eingeladen hatte. Dementsprechend fielen die Gegenreaktionen auf die geplanten selbstbezogenen Feste aus: Das erst kürzlich gestrichene Haus in der Herzberger Landstraße erhielt weitere farbliche Akzente und auch die Fenster waren zwischenzeitlich etwas undicht geworden. Am Freitag Abend zog ein Demonstrationszug Richtung Stadthalle, um dem Unmut über Weltanschauung und politische Praxis der Burschenschafter Ausdruck zu verleihen. Das Verhalten der Polizeieinheiten, die aus Oldenburg, Braunschweig, Göttingen und Hannover zusammengezogen worden waren, stieß dabei auf vehemente Kritik seitens der Demoteilnehmer_innen.

Den Einsatz einer Pferdestaffel, mehrerer Kamerawagen und eines Gefangenensammeltransporters sei „eine Unverschämtheit, gleichzeitig aber auch ein Hinweis auf den Stellenwert der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Hier muss auch bedacht werden, dass diese per Grundgesetz garantierten Rechte zu Gunsten eines Trachtenfestes beschnitten wurden“, so der Anmelder. Auch bemängelte er, dass ihm die Auflagen für die Demonstration rechtswidrig erst wenige Minuten vor Beginn der Demonstration ausgehändigt worden seien. Diese enthielten unter Anderem eine Änderung der geplanten Route; zur Durchsetzung dessen diente die oben erwähnte Pferdestaffel. Auch dies stellt einen weiteren schweren Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Die Polizei hingegen betrachtet den Einsatz als verhältnismäßig und erfolgreich, unter anderem durch das Aussprechen von 47 Platzverweisen – es wurde allen routinemäßig kontrollierten Menschen für mindestens 4 Stunden, in einzelnen Fällen 12 Stunden, der Aufenthalt im Bereich der Stadthalle untersagt – sei der Abend friedlich geblieben. Neben der vorläufigen Ingewahrsamnahme von 6 Personen wurden zwei Strafverfahren wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ eingeleitet.

Ergänzt wurden diese durch weitere Anzeigen am darauffolgenden Tag. Hier waren zunächst spontan rund 100 Personen zusammengekommen, um den Umzug einiger Verbinder in Vollwichs von der Alten Universitätsbibliothek zu einer weiteren Veranstaltung in der Stadthallte zu behindern. Nach der Auflösung dieser Veranstaltung kam es zu Auseinandersetzungen im Bereich des Albanikirchhofs. Von hier aus zog erneut die „Hannovera“ Richtung Deutsches Theater.

Insgesamt lässt sich eine positive Bilanz des Wochenendes ziehen. Zwar stellte die Polizei deutlich zur Schau, dass ihre vermeintlich neutrale Schutzfunktion eher der Behinderung friedlicher Demonstrant_innen dient, als der Durchsetzung ihrer Rechte. Die Verbinder wurden aber bei ihrer Selbstbeweihräucherung gestört. Das massive Vorgehen der Exekutive hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Weil bereits grundgesetzlich verbriefte Widerstandsformen illegalisiert und massiv bekämpft werden, ist auch der Schritt zu militanteren Formen des Protestes nicht mehr groß.


1) Zur Deutschen Burschenschaft vgl. „In der Braunzone“ aus BB-Zeitung #14, www.bb-goettingen.de/974

2) Ex-General Günzel ist bekannt für antisemitische Äußerungen, die zu seiner unehrenhaften Entlassung aus der Bundeswehr führten. „Vgl. Antisemitische Veranstaltung in Göttingen - StuPa schweigt“ aus BB-Zeitung #1, www.bb-goettingen.de/135

Erschienen am: 16.07.2008 AutorIn: email-address