Protest = Anzeige

Der Kampf um das Autonomicum-Freiraumcafe hat juristische Konsequenzen

Es ist inzwischen fast ein Jahr her, da stürmte eine vermummte mit Vorschlaghämmern und Schlagstöcken bewaffnete Polizeieinheit auf Geheiß der Unileitung den besetzten Raum MZG 1140. Die Unileitung wollte so - nachdem sie über einige Wochen Verhandlungsbereitschaft simuliert hatte - die Initiative für einen selbstverwalteten Freiraum gewaltsam ersticken. Erfolglos, denn noch am selben Abend formierte sich eine Spontandemo mit, laut Polizeiangaben, ca. 350 Teilnehmer*innnen. Diese nahmen sich gegen einen massiven und z.T. extrem brutalen Polizeieinsatz die Öffentlichkeit um anzukündigen, dass der Kampf um Freiräume an der Uni konsequent weiter gehen würde. Schon am nächsten Tag zeigte sich die Unileitung verhandlungsbereit. Das Ergebnis kann seit einem Semester im Erdgeschoss der Blauen Turms genossen werden: Das Autonomicum Freiraumcafe.

Schlechte Verlierer: Die Polizei

Auf Seiten der Polizei war man mit diesem Ergebnis jedoch unzufrieden. Immerhin hatte man ihr gezeigt, dass sie gegen entschlossenen Protest auch mit wahrlosen Prügelorgien nichts ausrichten können. Statt die Sache also sportlich zu nehmen setze sie von nun an auf Foulspiel. Für die Konzeption der nun folgenden waghalsigen Spielstrategie war scheinbar zunächst einiges an Zeit von Nöten. Denn es dauert zunächst drei Monate bis sie sich für eine Revanche gewappnet sah und den Beschuldigten von einer Anzeige in Kenntnis setzte. Die Ausgangsstellung war auch nicht ganz unkompliziert. Schließlich hatte eine voreilige Polizeisprecherin sich in der Hitze des Gefechts entschieden, in der Presseerklärung der Wahrheit nur bedingt Gewalt anzutun. Und so hatte die Öffentlichkeit es polizeiamtlich, dass die zwei leicht verletzten Polizisten des Abends sich den Schaden selbst zugefügt hatten.

Es war also einiges an Kreativität von Nöten um nun doch einem der Demoteilnehmer einen Landfriedensbruch nach §125 wegen des Angriffs auf einen Polizeibeamten anzuhängen. Insbesondere da die Polizei bei den juristischen Auseinandersetzungen um Polizeiverhalten rund um linke Veranstaltungen in den letzten Jahren bereits die ein oder andere Klatsche kassiert hatte, wollte man diesmal wohl nichts anbrennen lassen. Und so schickt man gleich 16 Beamte als Zeugen ins Rennen. Vermutlich da diese in den letzten Jahren es nur mehr schlecht als recht geschafft hatten ihre Geschichten so abzusprechen, dass sie konsistent waren, lässt man dieses mal 15 der 16 Beamten gar nichts belastendes gegen den Beschuldigten vorbringen. Lediglich ein Polizist – der vermeintlich Angegriffene - möchte den Beschuldigten identifiziert haben. Natürlich ist der Angriff auf keinem der zahlreichen Polizeivideos dokumentiert und der Polizeiarzt hat nicht einmal eine alte Sportverletzung finden können, die er als Folge des Angriffs deklarieren konnte. Folglich muss der Zeuge zugeben, dass die vermeintlichen zahlreichen Schläge gegen Helm und Brust von Seiten des Beschuldigten keinerlei körperliche Beschwerden hinterlassen haben.

Video gelöscht

Ganz sicher scheint man sich aber bei der Polizei mit dieser Story ohnehin nicht zu sein. Auch nach fast einem Jahr war man noch nicht in der Lage, der Verteidigung die vollständige Akte zu den Verfahren zukommen zu lassen. Noch immer fehlen dort auch nach mehrfachen Anfragen der Verteidigung zwei Videos, die die Polizei von der Demo aufgenommen hat. Von einem Video, dessen Existenz erst auf Nachfragen der Verteidigung bekannt wurde, hat die Polizei inzwischen zugegeben, dass sie es gelöscht hat. Pikante Begründung: Es seien dort keine Straftaten zu sehen. Diese Logik ist stringent, entlastendes Material würde ja die ganze Story, mit der man sich so viel Mühe gegeben hat, gefährden. Nicht zu erwähnen, das auch auf den beiden verbliebenden Videos nach dem bereits vorliegenden schriftlich Transcript nichts von der angeblichen Straftat zu sehen ist. Wir haben es also mit einer Straftat zu tun, ohne Geschädigten, ohne nachweisbare Folgen und ohne visuelle Dokumentation durch eine der drei mindestens anwesenden Polizeikameras. Eine Farce nach allen Maßstäben der Rechtsstaatlichkeit. Eine Farce, die jedoch ausgesprochen hässliche Folgen für den Beschuldigten haben könnte. Das Strafmaß mit dem Polizei und Staatsanwalt hier spielen geht bis zu 3 Jahren Haft. Das ist die Höchsstrafe, die auf Landfriedensbruch steht. Inzwischen ist offiziell Anklage erhoben. Ein Termin an dem dieses Stück dann Bühnenreif präsentiert wird, ist noch nicht bekannt, wird jedoch über die einschlägigen Kanäle publiziert.

Erschienen am: 13.01.2009 zuletzt aktualisiert: 13.01.2009 18:27 AutorIn: email-address