Auslese im Tanzlokal Alpenmax

Rassismus gibt es nicht nur bei der NPD. Das müssen z.B. Menschen feststellen, deren Aussehen als „nicht deutsch genug” eingeordnet wird, wenn sie Discos oder bestimmte Kneipen besuchen möchten. In dieser Hinsicht hat sich in Göttingen das Tanzlokal Alpenmax einen besonderen Ruf erworben, wenn es damit auch nicht ganz allein da steht.

Schon seit Jahren ist für viele die Party bereits vorbei, bevor sie das Lokal überhaupt betreten haben. Vor einigen Monaten hat es das Alpenmax damit sogar bis auf die Titelseite der Wochenzeitung Blick gebracht: Der Blick (vom 28. Mai 05) berichtete von einem 18-jährigen dunkelhäutigen Abiturienten. Er musste draußen bleiben, während seine weißen MitschülerInnen problemlos von den Türstehern vorbei gelassen wurden.

Laut Blick (vom 5. Juni 05) war die Resonanz auf den Artikel enorm:

Zahlreiche Anrufe und E-Mails gingen bei der Redaktion ein, die von ähnlichen Vorfällen berichteten. Wie z.B. den eines dunkelhäutigen Marokkaners, der mit 13 ArbeitskollegInnen die Discothek betreten wollte. Auch er sollte draußen bleiben. Im Februar 2004 blieben dem Marokkaner zusammen mit Bekannten schon einmal die Türen des Alpenmax verschlossen. Damals hieß die Begründung, sie seien keine Stammgäste. Als sie dies kritisierten, wurde prompt ein Hausverbot ausgesprochen, was nun als Begründung herangezogen wurde, sie diesmal nicht hinein zu lassen.

Die Fülle der Mails und Anrufe beim Blick verweisen darauf, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt. Vorfälle dieser Art in Göttingen waren auch vor der Berichterstattung des Blick weitreichend bekannt: Beim online-Magazin Goettinger Stadtinfo (goest.de) findet sich z.B. eine Sammlung von Berichten auch aus dem Savoy und dem Pflaumenbaum

(www.goest.de/discos.htm).

So wird für viele Jugendliche ausländischer Herkunft ein simpler Besuch einer Göttinger Disco zu einer Erfahrung des alltäglichen Rassismus in Deutschland, der für sie bittere Normalität darstellt. Auch ohne NPD und Nazis.

Stammgäste des Alpenmax: Die Reaktion des AStA

Keine Probleme mit den Türstehern werden wohl die Mitglieder des ADF-RCDS-AStA haben: Die ADF finanziert sich seit langem schon ihre Publikation (Der Wadenbeißer) mit einer großen Werbeanzeige des Alpenmax. Doch „rein geschäftlich” ist die Beziehung keineswegs: Regelmäßig finden Parties der ADF dort statt.

Auch die AStA-Zeitung asta revista ist mit einer Anzeigenseite verziert. Der einzige Anzeigenkunde: Das Alpenmax. Auf die schon länger erhobenen Vorwürfe gegen ihr Lieblingstanzlokal zu reagieren hielten ADF und RCDS nicht für nötig. Leicht waren diese als Geschwätz „der paranoiden Linken” abgetan. Aber auch die Thematisierung des Alpenmax in der bürgerlichen Presse (Blick) war für den AStA keineswegs ein Grund.

Erst ein Antrag der Grünen (GHG) im Studierendenparlament zwang sie dazu, sich zu positionieren. Dieser sah vor, den AStA dazu zu bewegen, keine weiteren Werbeanzeigen des Alpenmax abzudrucken, solange sich an deren Selektion an der Eingangstür nichts ändert. Selbstverständlich lehnten ADF und RCDS den Antrag mit ihrer Stimmenmehrheit ab.

Der AStA-Vorsitzende Andreas Sorge (ADF) begründete diese „Entscheidung” zunächst damit, dass keiner der Berichte „bewiesen” sei. Er wartet wohl erst auf ein wasserdichtes gerichtliches Urteil, bis er für ein offensichtlich rassistisch auftretendes Etablissement keine Werbung im Namen der Studierendenschaft mehr macht, obwohl dies nicht einmal eine offizielle Bewertung des Falls bedeuten würde. Später kam das Argument hinzu, dass es keine anderen Anzeigekunden gäbe und man vertraglich gebunden sei. Mit Blick auf das Budget von über 30.000?, dass der AStA für seine Hochglanz-Zeitung bereitstellt, scheint allerdings das Finanzielle eher ein vorgeschobenes Argument zu sein.

Jedenfalls schafft es die ADF wieder einmal, sich mit ihrer Formalien-Reiterei aus der Affäre zu ziehen. Möglicherweise denkt Andreas Sorge tatsächlich, dass ihm als AStA-Vorsitzender die Hände gebunden seien. Wie bereits öfters1 zeigt sich auch hier wieder die Gefahr, die in der Form-Fixiertheit der ADF steckt: Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem eigentlich Gegenstand findet gar nicht mehr statt. Es ist nicht entscheidend, ob es um Rassismus oder um Cocktail-Parties geht. Es ist gar nicht wichtig, ob der Technokrat Sorge rassistische Praxis verurteilt oder nicht. Wichtig sind nur die formellen Zuständigkeiten und Rechtsnormen, die als neutral vorausgesetzt werden und sich damit ohnehin jeder Kritik entziehen. Und an diesen orientierend will es dann nachher wieder niemand gewesen sein und nichts gesehen haben. In der Tat: Niemand vom AStA will persönlich dieses oder jenes, alle haben nur getan, was ihrer Rolle gemäß zu tun oder eben zu lassen ist. Genau das aber ist ein wichtiger Wesenszug jenes autoritären Charakters, der eines der Bestandteile für das Funktionieren von solchen Gesellschaftsformen darstellt, gegen die es am 29.10 auf die Straße zu gehen gilt.

1) Z.b. hielt die ADF Bündnisse mit Protesten gegen Sozialabbau im Allgemeinen, dessen Bestandteil eben auch Bildungsabbau ist, letztlich für nicht durchführbar, da dies eine „allgemeinpolitische” Ausrichtung wäre, für die der AStA als Studierendenvertretung nicht zuständig sei. So rief der AStA z.B. nicht zu einer Anti-Studiengebühren-Demo in Hannover auf, weil eine nicht-studentische Organisation daran beteiligt war (der DGB).

Die ADF hielt das Studierendenparlament für nicht zuständig, sich gegen den Besuch des Antisemiten Günzel auszusprechen. Obwohl die Burschenschaft Holzminda diesen eingeladen hatte, befanden ADF und RCDS, dass Verbindungen keine studentischen Organisationen seien. (Siehe Antisemitische Veranstaltung - StuPa schweigt)

Erschienen am: 10.10.2005 AutorIn: email-address