Sprache und Sexismus
oder davon, wie Menschen zu “Frauen“ und “Männern“ gemacht werden
Frauen sind Frauen und Männer sind Männer. Deswegen können die einen mit der Bohrmaschine umgehen, während die anderen dafür multi-tasking-fähig und auch viel emotionaler sind.
Wer davon ausgeht, hat einen wichtigen Punkt übersehen: Geschlecht wird gemacht! Rolleneinteilungen sind nicht natürlich vorgegeben sondern ein Konstrukt der bürgerlichen Gesellschaft. In ihr wird der Frau Natur und damit Emotionalität zugeschrieben, während der Mann der Kultur und der Rationalität zugeordnet wird. Diese Zuschreibung, die die Verbannung der Frau in die häusliche Sphäre mit sich bringt, wird naturalisiert.
Wir haben es hier mit einer selffullfilling prophecy zu tun, Geschlechterbilder reproduzieren sich selbst: wenn argumentiert wird, dass es natürlich so ist, dass Frauen nicht mit der Stichsäge umgehen können, dann werden Frauen auch nicht dieselbe Energie aufwenden wie Männer zu lernen damit umzugehen. Es ist ganz klar, was von jeder_jedem erwartet wird und das hat damit zu tun, wie uns die Gesellschaft beeinflusst.
Was hat Sprache mit alldem zu tun? Eine ganze Menge. Geschlecht wird vor allem durch Sprache gemacht. Und ebenso kann Sprache dazu dienen Geschlechterrollen aufzubrechen. Veränderte Sprache kann ein Mittel subversiver Politik sein und somit ein Hebel im (Macht)Gefüge von Sprache und Geschlechtermatrix.
I Schreiben
Studenten, StudentInnen, Studentinnen und Studenten, Student_innen...? Wer kommt denn da noch mit? Das Rechtschreibprogramm meines PCs jedenfalls nicht! Warum aber wählt wer welche Schreibweise?
„Natürlich meinen wir auch Frauen...“
„Studenten reicht.“, sagen die einen, alles andere verkompliziere den Satzbau (und überanstrenge damit das Gehirn?) sagen die einen, „Es geht um mehr.“, sagen die anderen. Die Argumentation der Erstgenannten lautet, dass Studenten nicht eindeutig einem männlich definierten Menschen zugeschrieben werden könne, sondern sich auf Studierende beider Geschlechter beziehe und weibliche Menschen somit nicht ausschließe. Studentin beziehe sich dagegen genau auf einen weiblichen Menschen. Im Deutschen hätten grammatischer Genus und (biologisches oder soziales oder..?) Geschlecht nichts miteinander zu tun und verweisen auf Wendungen wie das Mädchen, die Aushilfe etc.
Das kann aber auch anders gesehen werden. Wir wollen ein paar Gründe aufführen, weshalb wir es nicht in Ordnung finden nur die männliche Form zu benutzen:
Das gesellschaftliche Subjekt erscheint per se als männliches, während „,die Frau‘ jeweils als das ,Andere‘ des Mannes konstruiert wird: als bloßes Naturwesen, als bedrohliche Sinnlichkeit, als idealisierte Natur oder als negative Folie, vor der sich männliche Selbstbehauptung und Macht um so deutlicher abheben.“1 In der Literatur kann das gut untersucht werden. Es existieren verschiedene Bilder von Weiblichkeit. Die Gleichsetzung von Frau und Natur findet sich z.B. in den Werken des 19. Jahrhunderts. Außerdem erscheinen Frauen in der Literatur als Projektionsfläche, besitzen keinen Subjektstatus sondern kindlich-unschuldige Züge oder aber sie erscheinen als rätselhafte Wesen, spielen die femme fatale und stürzen den Mann ins Verderben.
Diese Bilder von Weiblichkeit zeugen von etwas sehr Paradoxem: während Frauen in der (Literatur)geschichte kaum als Akteurinnen auftauchen, so gibt es umso mehr Bilder und Entwürfe von dem, was ‘weiblich‘ ist. Die geschichtliche Absenz von Frauen steht in krassem Gegensatz zur Häufigkeit der Erscheinung von Frauen als bloßes Thema.
“Mann“ und “Mensch“ werden naiv miteinander identifiziert, dagegen wird eine weibliche Form gewählt, wenn explizit nur Frauen gemeint sind. Wir haben es mit einer „geschlechtspolare[n] Zuschreibung“ zu tun, die „die Frau als Gattungswesen, den Mann dagegen als das durch Sozialisation und Individuation strukturierte gesellschaftliche Wesen begreift.“2 Eine Schreibweise wie die Studenten, “meint zwar Frauen mit“, aber reproduziert die öffentliche Sphäre als eine männliche.
Also nicht Studenten... Aber was stattdessen schreiben? Dazu muss sich damit auseinandergesetzt werden, was die Kategorie „Geschlecht“ eigentlich so mit sich bringt:
Die Binarität der Geschlechter
Es gibt Männer und es gibt Frauen. Oder? Biologisch betrachtet gibt es neben dem genetischen Geschlecht noch mindestens vier weitere. Und falls mit einer dieser Kategorien bei einem Kind etwas nicht in Ordnung ist, wird eben medizinisch eingegriffen. Das ist das Dogma der Zweigeschlechtlichkeit, das nur zwei Geschlechter zulässt. „Indem Menschen sich verhalten, als gäbe es „von Natur aus“ Männer und Frauen, bestätigen sie die soziale Fiktion, dass diese Natur existiert. Es gibt sie nicht unabhängig von dem, was Menschen tun. Geschlecht ist eher das, was Menschen zu bestimmten Zeiten tun, als das, was Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort, also universell sind.“3 Hier wird die Frage nach Identität aufgeworfen. Menschen werden durch Sozialisation zu Frauen und Männern gemacht- und eben nur dazu. Die vermeintlich natürliche Annahme es gäbe nur zwei Geschlechter entwickelte sich erst im 18. Jahrhundert mit dem Aufstieg des Bügertums. Aber sie bestimmt unser Leben. Die Normen der Zweigeschlechtlichkeit und die damit einhergehenden Rollen sind so stark verinnerlicht, dass sie als natürlich erscheinen und nicht ohne weiteres abzuschütteln sind. Trotzdem muss sich vor Augen geführt werden, wie Geschlecht konstruiert wird und dass trans- oder intersexuelle Menschen oder Menschen mit einer anderen als einer heterosexistischen Identität ausgegrenzt werden.
Deswegen gibt es die Schreibweise des Unterstrichs, der die Binarität der Geschlechter aufzubrechen versucht und Platz lässt für andere Konstruktionen von Geschlecht und Identität.
II Sprechen
Welchen Einfluss hat das Sprechen eigentlich auf das, was wir unter “männlich“ und “weiblich“ verstehen?
At the beginning: Junge oder Mädchen?
Geschlechtsidentität wird in den Körper „eingeschrieben“. Wie funktioniert das? Performative Sprechakte4 erzeugen das, was sie bezeichnen, sagt der Sprachphilosoph John L. Austin. „Das gesprochene Wort nimmt den Status einer sozialen Tatsache an. Auf diese Weise wird aus der Aussage ,Es ist ein Junge‘ oder ,Es ist ein Mädchen‘ sozialer Tatbestand, der einem so bezeichneten Körper ein und nur ein Geschlecht zuordnet.“5
Ja, da sind Merkmale, die auf ein biologisches Geschlecht hindeuten. Anders ausgedrückt aber erscheint das in ganz anderem Licht: biologische Körper sind kulturell codiert, sodass bestimmte Geschlechtsmerkmale sofort klar machen, welche Identität ein Mensch besitzt: eine „männlich“ definierte oder eine „weiblich“ definierte. Und dann beginnt das Spiel: der als Junge definierte Mensch bekommt den blauen Strampelanzug und zum ersten Geburtstag ein Feuerwehrauto geschenkt, der als „weiblich“ definierte Mensch einen rosa Strampelanzug und Puppen. Menschen werden in Kategorien eingeordnet, sodass Aussehen, Gang, Auftreten, Stimme usw. geschlechtlich codiert sind.
Eingriff in die ritualisierte Wiederholung
Körper sind also codiert. Es kommt erst „durch die Wiederholung performativer Sprechakte zur Verfestigung materieller Strukturen, mit denen der Körper schließlich als somatischer Komplex und körperlicher Habitus gebildet wird. Bereits durch geringfügige Verschiebung der Kontextbedingungen wird die kulturelle Macht von Konventionen infrage gestellt.“5 Das heißt nichts anderes, als dass erst durch die immerwährende Wiederholung im kulturellen Zusammenhang, in dem wir leben, die Zweigeschlechtlichkeit sich verfestigt. Durch die Veränderung von Codes in diesem Kontext und durch das Durchbrechen der Kategorien, in die Menschen eingeordnet werden, kann die Macht, die auf die Einzelnen ausgeübt wird, und die damit einhergende Ausgrenzung von Subjekten durchbrochen werden.
Das Durchbrechen der Geschlechtermatrix, also dem kulturellen Netz, in dem Geschlechter definiert werden, soll eine Pluralisierung von Identitätsformen ermöglichen. Es handelt sich um eine Strategie der Vervielfältigung, die die konstitutiven Kategorien der Geschlechtsidentität angreifen und überschreiten soll.6
Wie tun? Zum Beispiel durch die Veränderung der Sprache. Durch das Spielen mit geschlechtlich codierten Bedeutungen...
Begraben unter Zuschreibungen, die das Leben normen, Erfahrung unterdrücken und Identitätsvielfalt verhindern...
Rolleneinteilungen und Sexismus überwinden!
1) Walter Erhart, Britta Herrmann: Feministische Zugänge- Gender Studies. In: Heinz Ludwig Arnold, Heinrich Detering (Hrsg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft. Deutscher Taschenbuchverlag. München 2002, S.500
2) Bovenschen, Silvia: Die imaginierte Weiblichkeit. suhrkamp Verlag 1979, S.27
3) Bublitz, Hannelore: Judith Butler zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 2002, S. 73
4) Performative Sprechakte sind Aussagen, deren kommunikative Absicht durch das Aussprechen der Äußerung vollzogen wird (z.B. „Hiermit verspreche ich dir.“)
5) Bublitz, Hamburg 2002, S.23
6) vgl. Bublitz, Hamburg 2002, S.78