WHAT THE FUCK DO YOU MEAN BY... "SELBSTBESTIMMTES LEBEN UND LERNEN"?!

Was soll das heißen „selbstbestimmtes Leben und Lernen“?! Tun wir das nicht schon? Ist man etwa nicht in der Lage freie Entscheidungen treffen zu können: Man kann den Studiengang frei wählen, den Ort, wo man leben und studieren will, die WG... Und doch, manchmal stellt sich das Gefühl einer unbestimmten Enge ein und mehr und mehr wird klar: Anforderungen über Anforderungen, Bestimmungen über Bestimmungen erfordern strikte Anpassung der Lebenspläne der_des Einzelnen, setzen fest, was „wichtig“ ist und strukturieren den Alltag.

Ihr kommt neu an die Uni und müsst schon bald feststellen, dass eure Erwartungen vielleicht nicht ganz erfüllt werden. Schon bald seid ihr sicher: „Mensch, ich bin aber auch ganz schön naiv an alles ‘rangegangen...“. Die Uni ist kein Ort, an dem viele wissbegierige Menschen zusammentreffen um sich gemeinsam mit wichtigen Fragen und Zusammenhängen auseinanderzusetzen, sich gemeinsam Wissen anzueignen und Zustände mit kritischen Fragen zu konfrontieren. Die Uni ist kein Ort, an dem sich Menschen frei entfalten und ihren Interessen nachgehen können. Die Uni ist kein Ort um kreativ zu sein, sich mit anderen auszutauschen und angeregt zu diskutieren, denn die Uni bietet auch keinen Ort um dies zu tun. Es gibt kaum Räume, die von Studierenden gestaltet werden können, an denen kulturelle oder politische Veranstaltungen von Studierenden organisiert werden können, an denen es Infomaterial und Platz gibt, um sich zu treffen oder sogar frei verfügbare Computer und eine Werkstatt.

Die Uni ist stattdessen ein Ort, an dem es eine geregelte Hierarchie gibt: das Wissen wird in klarer Aufgabenverteilung von oben nach unten durchgereicht. Studierende haben in den seltensten Fällen Einfluss auf Studieninhalte und Seminarorganisation und diese Inhalte sind, spätestens seit der Einführung von BA/MA, von oben festgelegt. Einwände können allzu leicht mit Verweis auf die Vorgaben, die scheinbar objektiven Sachzwänge, abgewiegelt werden.

Schnell hat man den Eindruck statt in einer Bildungsstätte, an einem Ort der Forschung und der Wissenschaft, eher in einem Dschungel gelandet zu sein: Überall Bestimmungen und Bürokratie, ein Wust an Begriffen wie Credit-Points, Soft-Skills, Schlüsselqualifikationen, Pflichtmodule... und so weiter und so fort. Und dazu kommt der Eindruck, in die Mühlen zu geraten: Leistungsdruck und ein ständiger Machtkampf um Anerkennung zwischen Dozierenden und Studierenden. Und das nicht nur auf Uni- Ebene sondern, aufgeblasen zu einem nationalen oder internationalen konkurrierenden Hochschulmarkt, noch forciert von Institutionen wie dem CHE (Centrum für Hochschulentwicklung), das jährlich die Qualität der Hoschschulen durch Rankings nach Kriterien wie Betreuung, Ausstattung oder auch Anzahl der aus der Uni hervorgegangenen "Elite- Studierenden" etc. bemisst.

Es gibt aber auch zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass den Umstrukturierungen, die massiv in das Leben der Einzelnen eingreifen und damit das krasse Gegenteil zu unserer Vorstellung von selbstbestimmtem Leben und Lernen ausmachen, etwas entgegengesetzt wird. Eine davon ist die Kampagne here to stay. Diese und andere schaffen es, sich mit Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen gegen die Eingriffe zur Wehr setzen und versuchen gegen Verwertungslogik und Service-Ideologie anzugehen um dieser Selbstorganisation entgegenzusetzen.

Erschienen am: 06.10.2008 AutorIn: email-address