Chipkarten
Unveranderliche Merkmale des Menschen werden zu Schlusseln zu gesicherten Daten und Raumen. Die Turoffner der Zukunft sind biometrische Erkennungsmerkale wie Fingerabdruck, Augen, Stimme, Gesicht und deren Kombination, auch in Verbindung mit elektronischen und optischen Smartcards und Sicherheitslabeln. Neue Sensorverfahren helfen, die Sicherheitsschranken weiter zu erhohen. Zusatzlich uberwachen Kameras jeden Schritt auf Bahnhofen, in Fussgangerzonen, Kaufhausern und im Strassenverkehr. Mithilfe von komplexen Algorithmen konnen Gesichter schnell und zuverlassig gefunden werden. aus der Broschüre Hightech-Strategie fur Deutschland Sicherheitstechnologien der Fraunhofer Gesellschaft, Seite 6.
Die Durchsetzung dieser Zukunftsvision der Fraunhofer-Gesellschaft, fuhrende Organisation fur militarisch-industrielle Auftragsforchung in Deutschland, wird derzeit von Politik und Wirtschaft vorbereitet: e-Pass, Gesundheitskarte, ELENA, etc. heissen die verschiedenen Projekte der Bundesregierung, die die zentrale, technische Erfassung, Speicherung und Verwaltung von Personendaten vorantreiben.
Sie gehen einher mit einer Erhohung der Kompetenzen der verschiedenen Polizei- und Verwaltungsbehorden (BKA-Gesetz), sowie einer Einschrankung von Burgerrechten, bspw. durch das neue Versammlungsrecht in Bayern, u.a.B.
Die Rolle der Wissenschaft in diesem Kalkul ist es, Sicherheits- und Uberwachungstechnologien zu entwickeln und zur Verfugung zu stellen.
Sofern wir den Anspruch haben, freie und unabhangige Wissenschaft zu betreiben, mussen wir diese gesellschaftlichen Bestrebungen im Blick haben und Stellung beziehen.
Im folgenden werden wir anhand der RFID-Chipkarten, die in Gottingen und mittlerweise vielen anderen Universitaten eingefuhrt worden sind, den Zusammenhang zwischen Technologie und Wirtschaft darstellen.
Seit 2006 erhalt jeder Student der Uni Gottingen eine RFID-Chipkarte als Studentenausweis und Semesterticket.
Sie erscheint zunachst ausserst praktisch: Ausweis, Bahnticket, Bibliotheksausweis, Zugangsberechtigung fur spezielle Gebaude (z.B. fur die Physik) und Mensabezahlfunktion.
Erst auf den zweiten Blick wird klar, dass fur diese features noch lange kein hightech-Funkchip notig ist.
Der Bahnschaffner liest nicht den Chip aus, als Ausweis genugt ein aufgedrucktes Lichtbild, als Bibliotheksausweis und zur Mensabezahlung wurde eine Magnetstreifenkarte ausreichen.
RFID bedeutet Radio Frequency Identification, es handelt sich also um eine Technologie zur Identifizierung mithilfe von Radiowellen.
RFID-Chips bzw. Transponder sind gunstig herstellbar und werden hauptsachlich in der Industrie eingesetzt, um die Logistik zu erleichtern: die Daten einer bestimmten, mit einem RFID-Chip versehenen Ware (wie Zielort, Besitzer, Hersteller) konnen jederzeit maschinell ausgelesen und uberpruft werden.
Ebenso wird auch der gutglaubige Student mit dem Funkchip in der Tasche markiert und seine Informationen wie Studienfach, Alter, Klausurergebnisse, Semesterzahl etc. konnen von versteckten Sensoren unbemerkt ausgelesen, und weitergeben werden. So kann problemlos gespeichert werden:
Wer welche Mensen besucht und welche Gerichte er bevorzugt, wer welche Bibliotheken besucht und welche Bucher ausleiht, wer sich wann in welchen Raumen aufhalt, ob die Anwesenheitspflicht in den Vorlesungen erfullt wird usf.
Darauf, wer Zugang auf diese Daten hat, und wie sie verwendet und gespeichert werden, hat der Student keinen Einfluss.
Auf diese Art und Weise wird das Datenschutzrecht, insbesondere das Recht auf informelle Selbstbestimmung ausgehohlt.
Prinzipiell gilt: sind Daten ersteinmal gesammelt und zentral gespeichert, so ist es dem Einzelnen nicht moglich herauszufinden, wer Zugriff auf sie hat, die Daten (evtl. auch illegal) weitergibt oder wer in Zukunft einmal uber sie verfugt.
Die aktuellen Skandale um Bespitzelungen von Mitarbeitern und Privatpersonen bei der Telekom und Lidl geben eine Ahnung davon, welche Auswirkungen die Uberwachung auch fur vermeintlich unbescholtene Burger hat. Es wird auch deutlich, dass es bei der Verwendung von gesammelten Daten nicht etwa nur um Sicherheit, Terrorabwehr oder harmlose Statistiken geht; die Daten werden eingesetzt, um demokratischen Widerstand zu erschweren und unter Druck zu setzen, - wie im Falle der Lidl-Betriebsrate.
Die Einfuhrung der Chipkarte fur Studierende wurde an der Uni Gottingen durch den Lehrstuhl fur Wirtschaftsinformatik vorangetrieben und durchgetrieben, dessen Inhaber Prof. Matthias Schumann von 2000 bis 2006 Vizeuniprasident war.
Professor Schumann ist Vorsitzender eines von ihm gegrundeten Unternehmens, der Prof. Schumann GmbH Man bemerke, dass hier der Professorentitel offenbar zu Marketingzwecken benutzt wird..
Die Prof. Schumann GmbH ist insbesondere im Kreditriskomanagementgeschaft involviert und arbeitet fur fuhrende Kreditinstitute, wie fur die Atradius Kreditversicherung AG, Barclays Industrie Leasing, Gothaer Credit Versicherung AG, R+V Versicherung und die Zurich Versicherung AG.
Gerade im Kreditgeschaft kann man sehr gut beobachten, dass Kundendaten grossen Wert fur die Industrie besitzen.
Mit Schufa, Creditreform und anderen privaten Auskunftsgeber existiert hier ein ganzer Wirtschaftszweig der auf das systematische Sammeln von Informationen uber das Zahlungsverhalten von Privatpersonen und den Weiterverkauf dieser Daten spezialisiert ist.
Alle Daten aus dem Kreditmanagement werden auf einer Datenbank zentralisiert - nichts liegt naher als diese nun ubergreifend und umfassend auszuwerten und als Kontroll- und Steuerungsinstrumente einzusetzen. heisst es auf der website der Schumann-Firma (http://www.prof-schumann.de/).
Die Frage ist, ob es auch nicht der naturlich nachste Schritt ist, die gesammelten Daten der Studenten als Kontroll- und Steuerungsinstrumente einzusetzen, sei es, um herauszufinden, welches Mensaessen am besten angenommen wird und die Speiseplane entsprechend zu optimieren oder aber auch um die Zeit, die Studenten in Vorlesungen und Sprechstunden verbringen zu registrieren, um so die Attraktivitat der Lehre in einem Studienfach zu messen (Lehrevaluation) und um den Studierenden die Zeit, in der sie den Dozenten in Anspruch nehmen, als zusatzliche Kosten anzurechnen.
Letzteres ist keine Spielerei, sondern konnte Vorbereitung einer weiteren Kommerzialisierung des Studiums sein.
Beispiel: Bildungsgutscheine, in Deutschland als Studienkonten diskutiert, sehen vor, dass jeder Student ein sogenanntes Bildungsguthaben erhalt, das er in seine personliche Ausbildung investieren kann.
Die Abrechnungseinheit sind die Semesterwochenstunden, die belegt werden. Wenn ein Student sein Guthaben aufgebraucht hat, muss er sich erst ein weiteres Guthaben einkaufen.
Damit wird der zusatzliche Besuch einer Lehrveranstaltung auf diese Weise zur Kostenfrage, ein Uber-den-Tellerrand-Schauen erschwert.
Ein Argument gegen das Studienkontenmodell war bisher immer die schwierige Durchfuhrbarkeit, da selbst durch Anwesenheitslisten nicht gesichert sei, dass Studenten sich nicht trotzdem in Vorlesungen schmuggelten.
Mithilfe von RFID-Chipkarten als Zugangsberechtigung kann ohne jeglichen Aufwand (abgesehen von der einmaligen Installation der Sensorsysteme) festgestellt werden, welche Vorlesungen von einem Student in Anspruch genommen werden.
RFID ist ein Instrument der politischen Kontrolle, auch wenn sie zunachst harmlos erscheinen mogen. Der Freiheitsverlust wird vielleicht nicht von einem Tag auf den anderen deutlich, sondern uber Jahre hinweg etabliert. Weiterführend ist auch der Reader der Informatik Fachschaft TU Darmstadt zu empfehlen: http://www.fachschaft.informatik.tu-informatik.de/chipkarte/Readerneu.pdf
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