Burschenschaften

Danke an die Basisgruppen Germanistik und KA/EE (Kulturanthropologie) für diesen Beitrag.

„Frei ist der Bursch!“1, „Mit Gott für Volk und Vaterland!“2 oder „Für Ehr’ und Ar!“3 sind nur einige der Wahlsprüche von studentischen Verbindungen. Dabei fallen sofort die Worte Volk, Vaterland und Ehre auf, die uns ganz weit nach rechts blicken lassen. In Göttingen gibt es ca. 37 Verbindungen, die zumeist in herrschaftlichen Häusern residieren und sich durch die verschieden Fahnen mit den jeweiligen Verbindungsfarben unterscheiden lassen. Sie tragen Namen wie, Hannovera, Coburgia, Germania oder Corps Frisia.

Aber was sind eigentlich Verbindungen?

Verbindungen sind seit dem frühen 19. Jh. entstandene studentische Organisationen, die fast ausschließlich nur männliche Studenten aufnehmen. Durch ihre Mitgliedschaft gehen die Männer einen Lebensbund mit der Verbindung ein. Demnach bleiben sie auch nach Abschluss des Studiums als so genannte Alte Herren mit der Verbindung vereint und tragen durch finanzielle Unterstützung maßgeblich zu ihrem Erhalt bei. Die Häuser rühmen sich damit, jungen Studenten eine Gemeinschaft für immer zu geben, ihnen im Studium zu helfen und mit Hilfe der Alten Herren gute Einstiegschancen in die Berufswelt zu ermöglichen. Weiterhin wird auf den Homepages hervorgehoben, dass das Leben in den Verbindungshäusern sich vor allem durch die Traditionen und Grundwerte auszeichnet, die in ihnen vermittelt, ausgeübt und gepflegt werden.

Bevor wir näher auf die einzelnen Traditionen und Werte eingehen, müssen wir noch einen Blick auf die unterschiedlichen Verbindungstypen werfen, denn je nach Art der Verbindung weichen die Traditionen etwas ab:

Arten von Verbindungen.

Unter Verbindungen fasst man Burschenschaften, Landsmannschaften, Turnerschaften, Sängerschaften, Katholische Studentenverbindungen und Corps zusammen. Diese Arten unterscheiden sich sowohl in der Ausprägung der Traditionen als auch in der politischen Ausprägung. Burschenschaften und Corps gelten gemeinhin als sehr reaktionär: in ihren Häusern ist die Mensur meist Pflicht. Der Unterschied zwischen den beiden Verbindungsarten stellt die politische Komponente dar: während Burschenschaften für eine konservative bis rechte politische Meinung öffentlich einstehen, bezeichnen sich Corps offiziell als unpolitisch, was aber nicht bedeutet, dass deren Mitglieder nicht trotzdem einen reaktionären Standpunkt vertreten. Turnerschaften oder Sängerschaften legen neben den üblichen Verbindungstraditionen jeweils Wert auf eine musikalische bzw. sportliche Erziehung ihrer Mitglieder. Katholische Studentenverbindungen sowie viele Sänger- und Turnerschaften sind nur noch fakultativ bzw. nicht schlagend. Der Ausschluss von Frauen basiert auf dem Ideal einer auf dem Männerbund aufgebauten Gesellschaft.

Werte.

Neben diesen Traditionen sind es die Werte, die vor allem in den Verbindungen an ihre Mitglieder weitergegeben werden sollen.

Das Elitedenken spielt eine große Rolle. Den Verbindungsstudenten wird klar gemacht, dass sie durch ihre Mitgliedschaft der “Elite der Studenten“ angehören. Dies drückt sich zum einen in den Machtpositionen der Alten Herren in Politik und Wirtschaft aus (die sie zum Teil ebenfalls mit Hilfe Alter Herren erreichen konnten), die sich auch auf die Verbindung niederschlagen. Zum anderen drückt sich das Elitäre von Burschenschaften durch ihre Erziehung zu Disziplin, Unterordnung und Treue aus.

Des Weiteren soll in Verbindungen das “studentische Brauchtum“ gepflegt werden. Dabei geht es um die Pflege von Traditionen, wie das Fechten, die Mensur, das Tragen einer Uniform (Mütze und Schärpe), wodurch die bestehende Hierarchie gefestigt wird. Die Unterdrückung der eigenen Person, die totale Selbstbeherrschung drückt sich nach außen in der Bereitschaft zur Unterdrückung anderer aus. Der Einzelne ordnet sich dem Kollektiv unter. Bei allem gelten das “deutsche Vaterland“ und das “deutsche Volk“ als Bezugspunkte. Hierbei sehen die meisten Verbindungen das “deutsche Volk“ als „eine menschliche Gemeinschaft, die durch gleiche Abstammung, gleiches geschichtliches Schicksal, gleiche Kultur und verwandtes Brauchtum, dieselbe Sprache und zusammenhängenden Siedlungsraum verbunden und geprägt ist“4. Demnach ist nicht verwunderlich, wenn sich der „völkische Vaterlandsbegriff der DB [Deutsche Burschenschaft] nicht auf die Bundesrepublik Deutschland bezieht“5, sondern in den Ansichten der Burschenschaften (und vieler Verbindungen, wie an den Wahlsprüchen erkennbar ist!) durchaus revanchistische Ansprüche deutlich werden, d.h. der Sehnsucht nach "Großdeutschland" in den Grenzen vor 1945.

Burschenschaften und Verbindungen hängen einer nationalistischen, geschichtsrevisionistischen, sexistischen und autoritären Ideologie an. Es geht nicht darum irgendeine weltanschauliche Differenz zu tolerieren, sondern dem, was nicht mehr diskutierbar ist, entgegenzutreten! Burschenschaften "keilen" Nachwuchs bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten: O-Phasen, Partys und bei der Wohnungssuche.

Also seid kritisch und schaut euch die Wohnungsangebote genau an, bevor ihr jubelnd zu 85 € und Billardtisch und Köchin in ein Verbindungshaus einzieht!

Informiert euch hier:

www.bg-geschichte.de

www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Burschenschaften/verbindungen-kappen/artikel/04-sind-studentische-verbindungen-harmlos.htm

www.puk.de/gegenstrom/start/content/reader/reader-final.html

Traditionen

Convent:

Die Mitgliederversammlung der jeweiligen Verbindung. Hier werden die Teilnehmer zu Unterordnung und Disziplin erzogen.

Hierarchie:

In allen Verbindungen gilt eine 3-Stufen Hierarchie: Als Fuchs/Fux beginnt man seine Mitgliedschaft. Dies ist die niedrigste Stufe, in der man einige Saufwettbewerbe, Laufburschendienste oder andere Demütigungen über sich ergehen lassen muss. Die Phase als Fuchs kann 1-2 Semester dauern.

Zum Bursche wird der Fuchs durch die Bestimmungsmensur in schlagenden und durch andere Rituale in nicht schlagenden Verbindungen. Er geht damit einen Lebensbund ein. Als Bursche muss der Student sich zunächst als Aktiver bewähren, d.h. er muss in verschiedenen Ämtern für die Verbindung tätig sein. In seinen letzten Semestern wird er zum Inaktiven Mitglied, damit er sich auf den Abschluss des Studiums konzentrieren kann.

Den Status des Alten Herren erhalten Verbindungsmitglieder nach der Beendigung ihres Studiums. Sie unterstützen fortan durch finanzielle Mittel aber auch durch Lobbyarbeit und Berufseinstiegsangeboten ihre Verbindung und bleiben durch gemeinsame Veranstaltungen stets mit den Füchsen und Burschen in Kontakt.

Farben:

Die meisten Verbindungen tragen Farben. Zur Präsentation der Farben dienen ihnen sowohl eine Flagge aber auch eine Mütze und eine Schärpe, die die Burschen meistens auf öffentlichen Veranstaltungen, gemeinsamen Ausflügen oder Hauspartys tragen.

Kneipe:

Hierunter versteht der Verbindungsstudent das gemeinsame Feiern und Trinken nach festen Regeln (dem so genannten Biercomment). Wer diese Regeln missachtet und nicht einhält, wird bestraft. Strafen sind meistens das Trinken in besonderer Form (z.B. Trinken auf Ex). Die Füchse, die sich erst an die Regeln gewöhnen müssen, werden besonders oft bei Kneipen bestraft und erfahren dabei regelmäßig den Zustand totaler Betrunkenheit. Das dient dazu die Selbstachtung zu brechen. Durch den Verlust jeglicher Hemmungen wird ein Gemeinschaftsgefühl konstruiert, in dem der Einzelne sich dem Kollektiv bedingungslos unterordnet. „Menschen, die blind in Kollelktive sich einordnen, machen sich selber schon zu etwas wie Material, löschen sich als selbstbestimmte Wesen aus. Dazu passt die Bereitschaft, andere als amorphe Masse zu behandeln.“6

Mensur:

Die Korporationen haben den Anspruch, auf die Persönlichkeitsbildung ihrer Mitglieder einzuwirken und sie zu erziehen. Für einen Teil des Verbindungsspektrums, die schlagenden Verbindungen, stellt die Mensur eines der wichtigsten Erziehungsmittel dar. Pflichtschlagende Korporationen verlangen von ihren Mitgliedern eine bestimmte Anzahl von Mensuren zu fechten, bevor sie endgültig aufgenommen werden. Die Mensur ist ein Duell, bei dem die Gegner ungefähr gleich stark sein sollten. Es geht nicht darum, den Gegner zu besiegen, sondern um die Haltung während der Mensur. Es gibt bestimmte Schlagtechniken und Haltungsregeln, nach denen sich der Schlagende richten muss. Das Ziel der Mensur ist, seine Angst vor der scharfen Waffe und vor den drohenden Verletzungen sie zu unterdrücken, zu überwinden und dem Schläger (= der Waffe) nicht auszuweichen.

Die Schlagenden sind zwar am ganzen Körper geschützt, das Gesicht bleibt jedoch frei und kann demnach verletzt werden. Erhält ein Schlagender während der Mensur eine Wunde, so wird diese ohne ärztliche Betäubung versorgt.

„Die Vorstellung, Männlichkeit besteht in einem Höchstmaß an Ertragenkönnen wurde längst zum Deckbild eines Masochismus, der- wie die Psychologie dartat- mit dem Sadismus nur allzu leicht sich zusammenfindet. Das gepriesene-Hartsein, zu dem da erzogen werden soll, bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz schlechthin. Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer gar nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart ist gegen sich, der erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regung er nicht zeigen durfte, die er verdrängen musste.“7

Dies alles dient zum Beweis der Überwindung von Schmerz und Angst und zur Erlangung von Selbstaufgabe und Unterordnung. Die Mensur dient der Korporation stets auch als Binde- und Vergemeinschaftungsmittel. Sie markiert die entscheidende Hürde vor der Aufnahme in die elitäre Gemeinschaft. Der Paukant soll durch die bewusste Inkaufnahme schwerer Verletzungen seine Bereitschaft demonstrieren, seine eigenen Interessen hinter die der Korporation zurück zu stellen. Nur wenn er bereit ist seine körperliche Unversehrtheit zu riskieren, sich verstümmeln und unter Zufügung medizinisch nicht notwendiger Schmerzen8 verarzten zu lassen, wenn er also sich selbst komplett verleugnet, nur dann wird ihm die Aufnahme in die Gemeinschaft gewährt. Gefordert wird also das Durchstreichen der eigenen Person, das vollständige Aufgehen im Kollektiv.9 Der Vorsitzende des Altherrenverbandes des Corps Friso-Luneburgia, eine der zwei Verbindungen aus denen das heutige Göttinger Corps Frisia hervorgegangen ist, formulierte dieses Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft in einem internen Rundschreiben vom 25.11.1935 recht eindeutig: „Friso-Luneburgia muss leben und wird leben, auch wenn wir darben und sterben müssen.“10

Es gilt Traditionspflege, Deutschtümelei, Elitedenken und sexistischem Weltbild entschlossen entgegenzutreten!


1) Königsberger B! Gothia

2) VDSt zu Göttingen

3) Corps Agronomia Hallensis

4) Alexander Remmel: Die „Deutsche Burschenschaft“. in Einblick in Positionen, Ziele und Verbindungen. In: Eliten und Untertanen, hrsg. vom AStA der Uni Hannover unter der Mitarbeit von Felix Schürmann, Hannover 2005, S. 48

5) Ebd., S. 49

6) Adorno, Theodor W., Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt 1969, Suhrkamp, S.97

7) ebd. S.96

8) Das „Flicken“ der Verletzungen wird ohne Betäubung vollzogen.

9) Vgl. Heither, Männer, S. 318 f.; Sonja Levsen, Elite, Männlichkeit und Krieg. Tübinger und Cambridger Studenten 1900 – 1929, Göttingen 2006 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 170), S. 110 – 113; Stephan Peters, Elite sein. Wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische Korporation?, Marburg 2004, S. 223 – 230; Rink, Mensur, S. 383 f.

10) Joachim Ziemann, Heinrich-Jürgen Lochmüller, Die Chronik des Corps Friso-Luneburgia, Köln 2004, S. 79.

Erschienen am: 06.10.2008 AutorIn: email-address