Hochschulranking

Neutrale Information oder Steuerungsinstrument?

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Alle Jahre wieder schickt sich das CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) an, ein neues Hochschulranking zu veröffentlichen, und wie sonst werden auch dieses Jahr viele zukünftige Studierende den Ergebnissen des Rankings großes Gewicht bei ihrer Wahl des Studienortes geben. Grund genug, sich die Hintergründe genauer anzusehen.

Seit den 80er Jahren werden in Deutschland Rankings erstellt, die den Studierenden eine Entscheidungshilfe bei der Wahl der Hochschule sein wollen. Die Qualität der Studiengänge an den verschiedenen Standorten werden nach Kriterien wie Kursgröße, AbbrecherInnen-Quote und nicht zuletzt dem Ansehen bei anderen WissenschaftlerInnen der gleichen Zunft (den sogenannten Peer Assessments) aufgeschlüsselt. Was zunächst wie ein unschuldiger und wilkommener Service an die Studierenden in spe aussieht, entpuppt sich als eines vieler Instrument, die Ideologie des der Bertelsmann-Stiftung unterstellten CHE an den Hochschulen zu verankern.

Erklärtes Ziel des Centrums ist es Bildung zu einer handelsfähigen Ware zu machen. Marktwirtschaftliche Mechanismen sollen an den Hochschulen wirken, sie rationalisieren und modernisieren. Verschiedene Universitäten sollen untereinander in Konkurrenz stehen und um zahlende Kunden wetteifern. Als Folge des Konkurrenzkampfs wird erhofft, dass die Qualität der Ausbildung steigt und dass die Unis ihr Preis-Leistungs-Verhältnis für die Studierenden optimieren, welche ihr Studium zunehmend als eine Investition in die Zukunft betrachten, die sich rentieren soll.

Gemäß der neoklassischen Theorie1 des freien Marktes ist es für das Wirken dieses Mechanismus ‘ entscheidend, dass alle potentiellen KundInnen die bestmöglichen Informationen über die auf dem Markt befindlichen Angebote haben. Der Sinn der Rankings ist es demnach, Markttransparenz herzustellen. Die Wahl des Studienstandortes soll nach „wirtschaftlichen“ Kriterien erfolgen, die Unis sollen einen finanziellen Anreiz haben, die Studienbedingungen eben nach diesen Kriterien zu gestalten, und durch diese Rückkopplung soll die „Qualität“ des Studiums (nach wirtschaftlichen Maßstäben) optimiert werden.

Nun regt sich zunehmend Unmut über die Rankings2. Die schweizerischen und österreichischen Universitäten weigern sich geschlossen weiter an ihnen teilzunehmen. An der Alice-Solomon-Fachhochschule in Berlin hat eine Vollversammlung der Studierenden den Boykott der CHE-Umfragen beschlossen3. Ein Argument gegen die Evaluierungen ist, dass sie statistisch oft wenig aussagekräftig sind. So nimmt das CHE auch Bewertungen von Unis in ihr Ranking auf, an denen nicht mehr als 15 Fragebögen zurückgekommen sind. Ob so ein geringer Stichprobenumfang repräsentativ sein kann darf bezweifelt werden. Auch wird kritisiert, dass die schablonenartigen Kriterien des CHE nicht allen Lehr- und Forschungskonzepten gerecht werden können. Damit wird das Ranking nicht einmal ihrem eigenen Anspruch auf eine Art von Markttransparenz gerecht.

Doch die Rankings sind nicht nur aufgrund der methodischen Fehler kritikwürdig, sondern vor allem auch durch die Intention ihrer Macher, Bildung zur Ware zu machen und eine Konkurrenzsituation zwischen den Unis zu erzeugen. Zum einen begünstigen sie eine Einstellung, bei dem das Renomé einer Hochschule über der Qualität der dort geleisteten Forschung und Lehre steht4. Zum anderen verlagert sich die Zielsetzung an der Hochschule: Nicht mehr gute wissenschaftliche Arbeit zu machen, sondern dabei vor allem besser als die Anderen zu sein ist der Ansporn. Die Kriterien für dieses „besser“ bestimmt das CHE durch die Rankings. Es ist daher abzusehen, dass bei einer solchen Einstellung Themen, die weder besonders profitabel noch prestigeträchtig sind, genauso wie Wissenschaften mit kritischem Anspruch, zu kurz kommen werden.

Nicht zuletzt führen diese Rankings dazu, dass die Hochschulen versuchen, sich ganz abstrakt den abgeprüften Kriterien anzunähern - ohne dass sich dies durch eine konkrete Verbesserung der Lehre vor Ort auswirken würde. Und im politischen Ernstfall dienen solche und ähnliche Vergleiche dann zur Begründung für Kürzungen oder Schließungen.5 So zeigt sich auch hier, dass die Einführung von Konkurrenzmeachanismen nicht wirklich in der Lage ist, Bildung und Wissenschaft voranzubringen. Ganz im Gegenteil: seit die Hochschulen miteinander in Konkurrenz gesetzt werden (sollen) werden die Studienbedingungen stets mieser, ihre Ausfinanzierung schlechter und Freiräume für kreative Prozesse Stück für Stück verdrängt.

Wir schließen uns daher dem Protest des AStAs der Alice-Solomon-FH an und fordern alle Studierenden, die einen Evalutationsbogen erhalten haben, auf, diesen nicht abzusenden und das Ranking zu boykottieren.


1) Bzw. Ideologie

2) Telepolis: „Ranking der Universitäten zunehmend unter Kritik“ - http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26469/1.html

3) http://asta.asfh-berlin.de/

4) Besonders deutlich wird das am Konzept des Peer Assessment, bei dem Kollegen die Qualität u.a. der Ausbildung an anderen Universitäten, meistens ohne genaue Kenntnis der dortigen Bedingungen, daher vor allem Anhand ihres Prestiges beurteilen sollen.

5) Wobei der Rückgriff auf Studien und Vergleichsrankings in der Praxis meist willkürlich ist: Erst wird beschlossen was geschlossen werden soll, dann werden sich Argumente gesucht, mit denen die Entscheidung gestützt werden könnte.

Erschienen am: 03.12.2007 zuletzt aktualisiert: 12.10.2009 14:09 AutorIn: email-address