Partikularinteresse AStA

Zur Kritik einer ideologischen Allerweltsphrase

Eine immer wiederkehrende rhetorische Phrase aller ADF-dominierten Asten ist das Polemisieren gegen die sog. "Partikularinteressen", die von den jeweils "anderen" vertreten würden. Diese Ansage gab es beispielsweise im Rahmen der studentischen Proteste gegen Hochschulkürzungen oder Studiengebühren, sobald darauf verwiesen wurde, das der Bildungskahlschlag auch nur Teil eines gesamtgesellschaftlichen Programms ist. Nun greift der AStA besonders tief in die Trickkiste und macht den Vorwurf niemand anderem als dem "Bündnis gegen Rechts". Das besteht nämlich darauf, im Zusammenhang mit den Protesten gegen den angekündigten NPD-Aufmarsch in Göttingen einen Bezug anderen in der Gesellschaft verbreiteten Formen von AusländerInnenfeindlichkeit und Rassismus zu thematisieren. Eine entsprechende Presseerklärung zitiert den AStA-Vorsitzenden Andreas Sorge mit den Worten: "Partikularinteressen, wie sie teilweise das ,Bündnis gegen Rechts ' vertritt, sollten angesichts dieser Herausforderung (Protest gegen die Nazis zu organisieren, BB) hinten angestellt werden."

Blind für politische Aussagen und nur auf formale Kriterien bedacht, scheint dem AStA scheinbar gar nicht klar zu sein, worauf er sich da einlässt. Vermutlich würde Andi Sorge auch wacker Seite an Seite mit dem NPD-Kreisvorsitzenden gegen den Nazi-Aufmarsch demonstrieren. Diese Sichtweise erscheint für politisch denkende Menschen kaum nachvollziehbar, darum sollen im Folgenden eine ideologische Voraussetzungen dargelegt werden, die die ADF hier mit sich herumschleppt.

Die Grundvoraussetzung für diese Argumentation ist die Weigerung, die Gesellschaft tatsächlich gesellschaftlich zu denken. Vielmehr sieht sich die ADF als postmodernes Dienstleistungsunternehmen, das mit Politik an sich erstmal relativ wenig zu tun hat. Das hat zum einen zur Folge, das Argumentationen bei der ADF auch nie politisch erfolgen, sondern entweder moralisch oder formaljuristisch. Zum anderen sieht die ADF nicht nur den Wald vor lauter Bäumen, sondern auch die Gesellschaft vor lauter Menschen nicht. Letztere erscheinen bei ihr als atomisierte Individuen, die nun je nach Lust und Laune in die eine oder die andere Schublade gesteckt werden können. So etwas wie einen "gesellschaftlichen Zusammenhang", in dem die Einzelnen etwas miteinander zu tun haben, scheint es nicht mehr zu geben. Aber nicht nur die Menschen erscheinen als "vereinzelte Einzelne", auch auch sonst scheint alles nur aus einzelnen Ereignissen zu bestehen, die in keinerlei Zusammenhang zueinander stehen.

Es gibt also nicht "Politik" als breites Interventionsfeld, auf dem viel zu tun wäre, sondern lediglich voneinander unabhängig betrachtete Einzelereignisse. Und bei diesen Einzelereignissen kann sich dann bei den jeweils völlig unabhängig gedachten Einzelmenschen angeschaut werden, wie sie sich positionieren. Aus dieser Sicht erscheint dann beispielsweise der Kampf gegen Studiengebühren als das Eigentliche, um das es allen am Bildungsprotest Beteiligten geht. Das einige Zusammenhänge von Bildungs- und Sozialkahlschlag sehen, erscheint dann als partikulares Sonderinteresse, das aber nun mal nicht von allen Protestierenden geteilt wird. In Bezug auf den drohenden NPD-Aufmarsch sieht es ganz ähnlich aus: die Verhinderung des Aufmarsches (der scheinbar im ansonsten politisch luftleeren Raum stattzufinden scheint) wird als Ausgangspunkt gesetzt, gegen das alle Beteiligten sind. Wenn dann einige finden, das nicht nur von Nazis ermordete AusländerInnen, sondern auch die bei Abschiebungen von Staats wegen Getöteten thematisiert gehören, dann erscheint diese Meinung als ein ungehöriges "Partikularinteresse".

Das verunmöglicht natürlich jegliche politische Diskussion. Zwar wird sich darüber ereifert, das im Aufruf des "Bündnis gegen Rechts" die Abschiebung von ausländischen Menschen als in Zusammenhang mit "AusländerInnenfeindlichkeit" gebracht wird (ein wahrhaft absurder Gedanke), andererseits braucht aber auch nicht argumentiert werden, warum sie es nicht sein sollten. Es reicht der Hinweis darauf, das nicht alle Studierenden diese Ansicht teilen. Würde die ADF dieses Argument ernstnehmen, müsste sie ohnehin von jeglichem Protest gegen Naziaufmärschen absehen, sobald nur ein einziger Nazi immatrikuliert ist. Nichtsdestotrotz können unterschiedliche Meinungen so beliebig ausgehalten werden, solange sie nur alle für sich behalten. Es geht gar nicht mehr darum sich anzuschauen, wie Gesellschaft oder Politik beschaffen sind. Es geht lediglich darum, eine Dienstleistung zu vollbringen. Die Welt ist eben doch eine Ware - zumindest bei der ADF.

Erschienen am: 30.09.2005 AutorIn: email-address