Demokratie & Protest

Der im letzten Semester versuchte Boykott von Studiengebühren ist an der Demokratie gescheitert. Zeit, sich einmal über das Verhältnis von Demokratie und Protest Gedanken zu machen. Denn das ist gar nicht so eindeutig bestimmbar, wie der AstA das immer darstellt. Für den ist die Sache nämlich ganz einfach: wenn alle gegen eine Sache und für einen Protest (in diesem Falle durch Boykott) sind, dann machen sie es. Ob das so ist, wird vorher durch demokratische Abstimmung festgestellt. Dabei verwechselt die ADF aber systematisch Weg und Ziel.

Wahlen und Abstimmungen haben noch nie das vorhandene Meinungsspektrum verändert. Auch der demokratische Wahlkampf, der uns immer wieder zu den diversen Landes- und Bundestagswahlen vorgeführt wird, verändert keine Meinungen in der Bevölkerung. Es kann sein, das einzelne Parteien oder Gruppierungen ihre Position in der einen oder anderen Frage ändern. Das sie dadurch für WählerInnen wählbar werden, die sich das früher nicht im Traum hätten ausmalen wollen. Wir kennen das von den Grünen, die erst dann wieder als wählbar galten, als sie glaubhaft machen konnten, das sie tatsächlich ernsthaft bereit sind Kriege zu führen und ein paar alte Atommeiler übrigzulassen. Oder von der SPD, die gerne mal auf hart macht und über MigrantInnen schimpft, die „raus” müssten, „aber schnell” - wie Schröder das 1998 im Landtagswahlkampf in Niedersachsen formuliert hatte.

Meinungen und Auffassungen über die Welt verändern sich in sozialen Auseinandersetzungen. Darum sind es soziale Bewegungen und politische (Protest-)Kampagnen (wie die für oder die gegen Studiengebühren), in denen sich die grundsätzliche Auffassung über die Welt verändern kann. Und Sinn und Zweck solcher Kampagnen ist es ja grade, diese Auffassungen zu ändern. Wären alle Studierenden gegen Studiengebühren und bereit, aktiv dagegen vorzugehen, dann wäre die Sache klar und Studiengebühren schon lange vom Tisch. Hier eine Abstimmung zu machen, um das festzustellen, was ohnehin alle gewusst haben, scheint einigermaßen müßig zu sein. Das Interessante eines Boykott(-versuches) war ja gerade, das in diesem Rahmen möglicherweise eine soziale Dynamik entstanden wäre, die Menschen davon überzeugt hätte, dass Studiengebühren nicht nur eine miese Idee, sondern auch grundsätzlich verhinderbar sind. Die Abstimmung zum Studiengebührenboykott hat diese Überzeugung aber schon vorausgesetzt – und damit Weg und Ziel verwechselt.

Es mag am Selbstverständnis der ADF als AstA-tragende Gruppe liegen, dass sie hier ganz formal argumentiert. Sie hat die Studierenden nach ihrer Meinung gefragt und eine Antwort erhalten. Damit bekam sie die Bestätigung, dass es sich ohnehin nicht gelohnt hätte, Überzeugungsarbeit im Sinne eines Boykotts zu leisten. Statt für eine eigene Position einzustehen, passen sie ihre Meinung der der passiven Mehrheit an.

Erschienen am: 07.01.2007 AutorIn: email-address

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