Ich bau‘ dir ein Schloss
... aus Studiengebühren
Autor*in: Zora, Abdruck mit Genehmigung von Monsters Of Göttingen.
Die Universität Göttingen plant ein neues Großprojekt. Finanziert aus »Studiengebühren« entsteht am Zentralcampus ein neues Gebäude: Das »Lern- und Studienzentrum«. Nach außen wird der Eindruck erweckt, das Projekt wäre vorgeschlagen und unterstützt von Studierenden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
Im Mai 2010 publizierte die – zusammen mit dem RCDS – den AStA stellende Hochschulgruppe ADF in ihrer vor allem zu Hochschulwahlen erscheinenden Publikation »Wadenbeißer« einen Bericht über das Projekt: Ein Neubau mit 700 Arbeitsplätzen nur für studentische Arbeitsgruppen, organisiert in verschieden großen Räumen, mit bequemen Bürostühlen, Internet- und Stromanschluss und ordentlicher Beleuchtung, geplant von »einigen studentischen Vertretern der ADF«. Kurze Zeit später machte die Universität in einer Pressemitteilung die Entscheidung zugunsten des Bauprojekts öffentlich und betonte dabei vor allem, dass alles auf dem Wunsch der Studierenden beruhen würde.
Die Universität kann jährlich etwa 13,5 Millionen Euro Studiengebühren investieren. Sie ist bei der Verwendung an das Niedersächsische Hochschulgesetz gebunden und hat eine eigene Gremienstruktur gebildet, die über die Ausgaben entscheidet. Diese ist zwar auch mit studentischen Vertretern besetzt, die Sitzungen sind aber nicht-öffentlich und Protokolle werden nicht zur Verfügung gestellt.
Dass Studiengebühren in Immobilien fließen ist dabei nicht neu. Regelmäßig fällt ein großer Teil in immobilienbezogene Ausgaben, erinnert sei an das mehrere Millionen Euro teure Projekt der Sanierung des Verfügungsgebäudes zwischen SUB und Juridicum. Für die dann später erfolgende Einrichtung einer »Lernlandschaft« im Erdgeschoss dieses Gebäudes flossen dann noch einmal hohe sechsstellige Beträge. Diese sollte nach der Begründung übrigens ganz ähnliche Funktionen erfüllen wie das neue Gebäude, ist allerdings abgesehen von der Phase der Besetzung im Rahmen des Bildungsstreiks nie sehr stark genutzt gewesen.
Die doppelten Abiturjahrgänge und das geizige Land
Rechtlich entscheidend ist beim Ausgeben der Studiengebühren, dass daraus nichts bezahlt wird, was zum Kern des Lehrangebots der Universität gehört. Die Universität muss also theoretisch auch ohne die aus den Gebühren finanzierten Angebote die Lehre durchführen können. Die Universität geht nun dazu über, diese Einschränkung so weit zu dehnen, wie sie es gerade noch zulässt.
Nach Maßstäben der Universitätsplanung steht eine Ausnahmesituation unmittelbar bevor: Zum Wintersemester 2011 wird es in mehreren Bundesländern – auch Niedersachsen – zwei Jahrgänge an Gymnasialschulen geben, die zugleich ihr Abitur machen, da die Schulzeit auf 12 Jahre verkürzt wurde. Hier wird auch die Universität gefordert sein, entsprechend mehr Studierende zu immatrikulieren. Zugleich steht die Universität vor einem Problem: Als Stiftungsuniversität weitgehend vom Land Niedersachsen abgekoppelt ist sie dennoch von der Finanzierung durch das Land abhängig. Und das macht bisher wenig Anstalten, mehr Mittel für die Hochschulen zum Abfangen der finanziellen Folgen der Studierendenwelle bereit zu stellen.
Wanderba ustelle, bezahlt aus Studiengebühren
So ist es dann sicher auch kein Zufall, dass als Fertigstellungstermin schon in der Planungsphase des neu zu bauenden Gebäudes das dem Abiturtermin unmittelbar folgende Wintersemester 2011/2012 gesetzt war. Da der Weg, Lernarbeitsplätze aus Studiengebühren zu finanzieren, rechtlich abgesichert scheint, entwickelte die Universität bei ihrer Bautätigkeit eine neue Strategie: Über eine Umzugspolitik werden nun wiederholt Räume zu Lernräumen umgewidmet, kostspielig renoviert oder neu gebaut, und ausgestattet. Zugleich werden bestehende, durch die Neubauten unattraktiv gewordene alte Lernplätze stufenweise in Verwaltungs- und Forschungsräume verwandelt. So wird durch das Erschließen neuer Räume mit Studiengebühren gleichzeitig Raum für eigentlich nicht aus den Gebühren finanzierbare Tätigkeiten geschaffen.
Kostspielige technische Ausstattung kann so neu angeschafft werden, die alte, noch aus Landes- und Bundesmitteln finanzierte Ausstattung kann dann abgebaut statt kontinuierlich auf einem neuen Stand gehalten werden.
»Wer hat’s erfunden?«
Die Universität spricht beim Neubauprojekt von einem Vorschlag aus der Studierendenschaft, was allerdings nicht wirklich den Kern trifft. Die ADF wurde in ihrem Artikel konkreter: Aus ihrer Mitte käme der Vorschlag. Das scheint zumindest einigermaßen nahe an der Wahrheit zu sein. Zugleich wirbt nämlich ein alter Bekannter aus der Göttinger Hochschulpolitik damit, dass es sich um sein Konzept handele. Andreas Lompe, früher Teil des ursprünglichen inneren Zirkels der ADF und auch für die Gruppe Referent im AStA, ist mittlerweile zusammen mit einem ehemaligen AStA-Vorsitzenden (natürlich der ADF) Geschäftsführer der adiungi GmbH, einem Göttinger Beratungsunternehmen für Universitäten, das bereits zahlreiche Aufträge der Universität Göttingen vorweisen kann.
Die Bekanntschaft mit den Entscheidungsträgern, Vertrautheit mit den Strukturen der Universität und die gemeinsame Vergangenheit in der Hochschulpolitik mit anderen Beteiligten ist sicherlich ein wichtiges »Asset« dieses Beratungsunternehmens. So gehört auch der studentische Vorsitzende der zentralen Präsidiumskommission, die über die Vergabe der Gebühren entscheidet, mit zu diesem alten Zirkel um die ADF – und hat nebenbei auch in der Publikation den Artikel über das Neubauprojekt geschrieben. Getrost kann davon ausgegangen werden, dass die Neubauidee schon in ihrer Entstehung von eher nicht-studentischen Einflüssen begleitet war, die auch in die Universitätsleitung reichen.
Was ihr wollt
Das »Verwendungskonzept« der Studiengebühren sah auch eine Befragung der Studierendenschaft vor. Das offiziell präsentierte Ergebnis – gerundete 70 Prozent Zustimmung zum Neubau – gibt die Universität auch noch einmal zur Legitimation in ihrer Presseerklärung zum Lernzentrum an. Statistisch mag das als Ergebnis der Befragung korrekt sein, es spiegelt allerdings kaum die wirkliche Zustimmung in der Studierendenschaft wieder. Nur etwa 10 Prozent der Studierenden nahmen überhaupt an der Internetgestützten Befragung teil, aufgefordert wurden dazu aber freilich alle. Der umfangreiche Fragebogen (25 Fragestellungen sehr unterschiedlicher Art) bot allerdings ohnehin nur denjenigen Motivation, ihn auszufüllen, die konkret eine Verbesserung der Lernplatzausstattung wollten: Die Fragen drehten sich vor allem um Gruppenarbeitsplätze.
Die Zahl spiegelt darüberhinaus nur wieder, wie viele der Fragen-Beantworter ganz allgemein den Neubau eines solchen Gebäudes befürworten würden. Unter den Tisch fällt, dass insbesondere die Angehörigen der Fakultäten an der Nord-Uni das dann auf ein Gebäude am Nordcampus konkretisiert hatten: Für den Nordcampus waren beispielsweise an den Forst-, Physik- und Chemie-Fakultäten weit über 80 Prozent der Befragten. Die Universität hat hier einfach eine einzelne Antwort aus der komplexen Befragung herausgegriffen. Dass z.B. deutlich weniger Studierende eine Finanzierung aus Studiengebühren befürworteten, wurde schlichtweg ignoriert.
Bezahlt wird später
Für das neue Gebäude sind Kosten in Höhe von 8 Millionen Euro veranschlagt. Der Studierendenschaft wird dieser Brocken aber mit einer Finanzierungsmöglichkeit schmackhaft gemacht: Die Universität tritt in Vorleistung und die Studierenden stottern über zehn Jahre ab. Ob dies nun auch nur der Legitimierung dient oder doch eher einem rechtlichen Kniff geschuldet ist, ist noch nicht ganz klar. Gibt es doch im niedersächsischen Hochschulgesetz eine 15-Prozent-Grenze für die Überführung von Studienbeiträgen in das Vermögen der Universität. In Häppchen finanziert so die Studierendenschaft ein neues Universitätsgebäude – das dann rechtlich der Universität gehört, nicht der Studierendenschaft.
Bleibt der Universität nur noch das Restrisiko, dass es die Studiengebühren keine zehn Jahre mehr gibt. Andererseits sollte das Konto der nicht verwendeten Studiengebühren mittlerweile stattliche Ausmaße angenommen haben, so dass zur Not daraus abbezahlt werden könnte.
Service-Uni zu Stundentarifen
Die ADF rechnet vor: unter 40 Cent pro Stunde und Nutzer_in lägen die Kosten für den Neubau. Klar wird: Der Neubau ist nur ein weiteres Element des durchökonomisierten »Service«-Studiums, das vor allem an einem interessiert ist: monetäre Kalkulierbarkeit. Noch rühmt die Universität die Einmaligkeit des Neubaukonzepts. Andere Universitätsstandorte werden aber sicher bald nachziehen. Nicht nur Göttingen bekommt nicht die Mittel, die für eine anständige Lehrtätigkeit nötig wären, nicht nur Göttingen muss kreativ mit Studiengebühren arbeiten. Sich zum Legitimieren der sehr kreativen Gebührenverwendung dann aber mit Umfragen, deren Ergebnis absehbar ist, zu brüsten ist dann doch eher absurd – damit sollen vermutlich nur die Entscheidungsträger aus der Schusslinie genommen werden, wenn die Kritik einsetzt.