Naziaufmarsch stoppen

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Am 29. Oktober will die NPD zusammen mit den sogenannten freien Kameradschaften durch Göttingen marschieren. Im Gegensatz zu der Praxis der letzten Jahre, hat die Stadtverwaltung ihnen hierfür eine Route angeboten, die durch viele stark bewohnte Viertel und auch am Campus vorbei führt.

Noch 2002 hatte sie der NPD eine Route jenseits der Bahnlinie zugewiesen, sodass der Aufmarsch in einem relativ unbewohnten Viertel stattfand. Wahrgenommen vor allem von denen, die gekommen waren, um den Aufmarsch zu verhindern. Dieses Jahr sieht es anders aus. Das zeigt an, dass die NPD in den letzten Jahren erstarkt ist. Seit dem gescheiterten Verbotsantrag und ihrem Einzug in den sächsischen Landtag mit fast 10% der Sitze tritt die NPD zunehmend selbstbewusster auf. Das ist insbesondere deshalb brisant, weil der Verbotsantrag erst gescheitert ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht bezwei-felte, ob die NPD all das was ihr vorgeworfen wurde auch hätte tun können, wenn sie nicht so massiv vom Verfassungsschutz unterstützt worden wäre.

Nun bekommen die Nazis also die Möglichkeit ihre Forderung nach ?Ruhm und Ehre für die Waffen SS?, ?Arbeit zuerst für Deutsche? oder wahlweise ganz programmatisch ?Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus?, einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Geschützt werden sie dabei von der Polizei, die zumindest die letzte Forderung an die 50 000 mal im Jahr in die Tat umsetzt. So hoch ist mittlerweile die Zahl der jährlichen Abschiebungen in Deutschland. Dementsprechend weist das Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und weiteren Gruppen, das zu den Gegenaktivitäten aufruft mit Recht darauf hin, dass diese Politik und die mit ihr einher gehenden Kampagnen gegen sog. ?Asylbetrüger? und ?Wirtschaftsasylanten? Wasser auf die Mühlen der Nazis sind. Was die Forderung bezüglich der Arbeit angeht, welche Deutsche zuerst bekommen sollen, sind die Nazis auch damit zu spät dran. Die hat der rot-grüne Gesetzgeber nämlich längst mit dem Vorrangigkeitsprinzip nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes umgesetzt.

Bei allen - durchaus entscheidenden - Unterschieden zwischen der sogenannten bürgerlichen Mitte und den Nazis stehen diese doch in einem Verhältnis wechselseitiger Beeinflussung. So leiteten die Anschläge auf Asylbewerberheime in Rostock Lichtenhagen Anfang der 90er Jahre eine Debatte unter der Überschrift „Das Boot ist voll” ein, an deren Ende der sog. Asylkompromiss stand, mit dem das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft wurde. (Die Anerkennungsquote für Asylanträge liegt seitdem trotz jährlich sinkender Antragszahlen bei 5%).

Jedoch: Obwohl die Anliegen der Nazis den etablierten Politkern, die sie aus ihrer Stadt gerne fern halten, nicht grundsätzlich fremd sind, ist es doch wichtig, den Nazis ihren Aufmarsch durch ein breites Bündnis unmöglich zu machen. Denn sie sehen in ihren Aufmärschen immer auch Kraftproben darüber, wie groß der Widerstand ist, der ihnen entgegen gesetzt wird. Und es ist wichtig zu zeigen, dass dieser massiv ist. Denn was es bedeutet, wenn Nazis sich in einer Stadt anfangen heimisch zu fühlen, kann in den „national befreiten Zonen”, die vornehmlich in den neuen Bundesländern liegen, gut studiert werden.

Wo Nazis das Gefühl haben, ungestört agieren zu können, wird das Leben für Menschen, die von den durch sie gesetzten Normen abweichen mehr als ungemütlich. Die ?falsche? Frisur, das ?falsche? Outfit und erst recht die ?falsche? Hautfarbe, wird dann zu einer direkten Bedrohung für die eigene Gesundheit. Auch in Göttingen waren Übergriffe durch militante Nazis in den 80er und 90er Jahre weitaus häufiger, als dies aus heutiger Perspektive möglich erscheint. Nur ein breites gesellschaftliches Bündnis und eine konsequente antifaschistische Politik haben daran etwas ändern können.

In der Umgebung von Göttingen – etwa im Eichsfeld oder in Northeim - gibt es jedoch noch immer aktive Nazistrukturen, die recht unbehelligt agieren können. In Leinefelde – 30 Bahnminuten von Göttingen entfernt - konnte letztes Jahr der bundesweite NPD-Parteitag stattfinden, ohne dass es nennenswerte Proteste gab. In Northeim treibt die ?Kameradschaft Northeim? ihr Unwesen, deren Führer Thorsten Heise eine zentrale Figur bei der Zusammenarbeit zwischen militanten Kameradschaften und der NPD mit ihrem ?legalistischen? Kurs ist. Er wurde auf besagtem Parteitag in den Vorstand der NPD gewählt.

Nun versucht die NPD auch in Göttingen wieder vermehrt Fuß zu fassen. Dies muss unter allen Umständen verhindert werden. Nicht um das Image der Stadt zu schützen, wie einige argumentieren, sondern, damit hier weiter ein Klima herrscht, in dem anders Denken und anders Aussehen nicht zur persönlichen Gefahr werden, und um zu zeigen, dass Rassismus bekämpft gehört, weil der Anspruch auf ein Leben in Würde unteilbar ist.

Außerdem gibt es unter der Tel. Nummer 0163/414927 ständig Informationen über die Nazidemo, die helfen sollen, damit ihr Route der Nazis blockieren könnt.

Erschienen am: 11.10.2005 AutorIn: email-address

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