Gegenwehr lohnt sich

Einführung von Klausuren in Germanistik-Vorlesungen verhindert

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In der Germanistik liegt – glaubt man dem Vorstand – einiges im Argen: Der Studiengang genüge nicht den Bologna-Vorgaben, sei nicht effizient genug und verlange zu wenig „Output“ von den Studierenden. Im Jahr 2012 soll der Studiengang reakkreditiert werden. Das heißt: Auswärtige Agenturen überprüfen anhand zweifelhafter Kriterien, ob das Fach in Göttingen „studierbar“ ist. Diese drohende Reakkreditierung nahm der Vorstand der Germanistik zum Anlass, die Einführung von Klausuren in den Vorlesungen zu beschließen. In der anschließenden Diskussion während der Vorstandssitzung stellte sich allerdings heraus, dass der eigentliche Grund dafür die geringen Besucher*innenzahlen in den Vorlesungen waren. Die Klausuren sollten lediglich als „Lernstandskontrolle“ dienen und die Anwesenheit von mehr Studierenden als bisher in den Vorlesungen erzwingen.

Vorstand setzt sich über Studierendenrechte hinweg

Das Skandalöse an diesem Beschluss ist nicht nur der naive Glaube der Lehrenden, dass sich erhöhter Druck positiv auf die Lernerfolge der Studierenden auswirken würde, sondern auch die Tatsache, dass die Klausuren als Teil einer Erprobungsregelung eingeführt werden sollten. Diese ermöglicht es, Änderungen der Studienordnung für einen begrenzten Zeitraum an allen Germanistik-Studierenden auszuprobieren. Das Recht aller Studierenden darauf, nach der Studienordnung zu Ende studieren zu können, mit der sie begonnen haben, wäre einfach außer Kraft gesetzt. Für diese Änderungen wäre dann nur ein Beschluss des Vorstands nötig. Somit wären die Studierenden der Willkür des Vorstands ausgesetzt, der faktisch Änderungen in der Studienordnung beschließen kann, ohne diese durch weitere Gremien legitimieren zu lassen. Die Studierenden haben auf formalem Wege kaum Interventionsmöglichkeiten, da sie nur eine Stimme im Vorstand haben.

Studierende organisieren sich dagegen

Aufgrund dieser beunruhigenden Entwicklungen lud die Basisgruppe und Fachgruppe Germanistik die Studierenden zu einer Vollversammlung ein, auf der Sinn und Unsinn von Vorlesungen diskutiert und Möglichkeiten gesucht wurden, die Klausuren zu verhindern. Als Ergebnis wurde gefordert, die Vorlesungen ansprechender zu gestalten. Darüber hinaus ist der Leistungsdruck durch die hohe Anzahl an Veranstaltungen pro Semester, die sich zu allem Überfluss teilweise auch überschneiden, so groß, dass es vielen gar nicht möglich ist, an allen teilzunehmen. Einige Studierende gingen gemeinsam in den Vorstand und verlasen dort ein Positionspapier, das aus der Vollversammlung heraus entstanden war. Der Vorstand revidierte daraufhin seinen Beschluss, sodass es jetzt keine Klausuren in den Vorlesungen geben wird. Wir Studierende haben es also gemeinsam geschafft, die Klausuren zu verhindern.

Aber nicht nur das: Während der VV kam es zu einem sehr fruchtbaren Gedankenaustausch und zur Formulierung konkreter Ziele, die wir langfristig verfolgen wollen. Vor allem wollen wir die Abschaffung der Anwesenheitspflicht in Seminaren durchsetzen, sodass die Seminare nicht automatisch als „wichtigere“ Veranstaltungen gesehen werden als die Vorlesungen, da man dort anwesend sein muss. Wäre die Anwesenheitspflicht abgeschafft, könnten wir freier entscheiden, zu welchen Veranstaltungen wir gehen wollen und das Problem der geringen Besucher*innenzahlen würde sich von selbst lösen. In den Sozialwissenschaften hat sich das Modell bereits bewährt.

Aktiv werden!

Dass es viel bringt, sich gemeinsam für bessere Studienbedingungen und mehr Mitspracherecht am Fachbereich einzusetzen, ist auch schon am Fachbereich Geschichte bewiesen worden. Hier haben es die Studierenden geschafft, mehr Stimmen im Vorstand zu bekommen. Außerdem hat eine breite Organisierung begonnen, bei der Studierende kontinuierlich für die Verbesserung ihres Studiums kämpfen.

Auch in der Germanistik gibt es noch viel zu tun: Der Vorstand beschloss gegen den Widerstand der Studierenden in seiner letzten Sitzung, benotete Referate in den Vertiefungsseminaren der Linguistik und Anwesenheitspflicht in der interaktiv gestalteten Basisvorlesung einzuführen. Die Anwesenheitspflicht können sie aber nur über eine Namensänderung durchsetzen, es heißt dann nicht mehr Vorlesung, sondern Basiskolloquium. So einfach wird hier ein Senatsbeschluss umgangen, in dem es heißt, dass es in Vorlesungen keine Anwesenheitspflicht mehr geben soll. An der Teilnehmer*innenzahl und der grundlegenden Form der Veranstaltung wird sich da wohl auch nicht viel ändern.

Klar ist, wir Studierende müssen uns weiterhin für die Verbesserung unserer Studienbedingungen einsetzen.

Erschienen am: 09.01.2012 zuletzt aktualisiert: 10.01.2012 18:42 AutorIn: email-address