Uni Göttingen bescheißt bei Forschungsanträgen

Oder: “Das ist wie Karl Held auf eine Veranstaltung einladen...”

Die Empörung machte sich sogar bundesweit breit. Nicht nur im Göttinger Käseblättchen (Göttinger Tageblatt) regten sich die Journalist*innen und aufrechte Bürger*innen über die Falschangaben einiger Forscher*innen an der Göttinger Universität auf. Aber was ist schon dabei? Und vor allem: Wen überrascht es eigentlich wirklich, dass auch an der Uni fleißig gemogelt wird, um an die bitter benötigten Gelder zu kommen?

Man kann sich doch nicht ernsthaft darüber empören, dass sich Forscher*innen Gelder dort holen, wo sie sind, wenn sie andernorts eingespart werden. Zunächst schaut man zu, wie die Unis in erbitterte Konkurrenz zueinander gesetzt werden, indem man sie gegeneinander für die dringend notwendigen Mittel bei der Elite-Titelvergabe antreten lässt, dann weiter, wie das gleiche mit einzelnen Forschungs- und Lehrbereichen getan wird, damit auch sie sich um die Mittel battlen, die ihnen vorher für den “Exzellenz-Pool” weggekürzt worden sind, um sich schließlich empört darüber zu zeigen, dass diese „dreisten Forscher*innen“ eben mit allen Mitteln nach jenen Geldern greifen, um die der Konkurrenzimperativ sie zu kämpfen nötigt, wenn sie zu tun beabsichtigen, was sie zu Forscher*Innen macht – wissenschaftlich forschen. Auch wenn diese Affäre unter der Ägide von Uni-Präsident Kurt von Figura entstanden ist und man ihm durchaus vorwerfen könnte, dass er keinen kritischen Standpunkt gegenüber den Umwälzungen im Bildungssystem eingenommen hat, die zu dieser Situation geführt haben, kann man doch nicht ernsthaft behaupten, dass das „segenreiche“ Konkurrenzsystem nur deswegen nicht funktioniert, weil einer nicht genügend aufgepasst hat.

Vernünftig wäre einzigst, sich jenen Bedingungen anzunehmen, die Forschung nur noch mit bissigem Gerangel und Augenwischerei möglich macht. Dies tun jedoch unsere empörten Bürger*innen und Journalist*innen nicht. Anstatt dass man sich also Gedanken darüber macht, welche Mittel und Wege es geben könnte, diese Situation aufzuheben, macht man sich wieder daran, sich einzelne Schuldige zu suchen, um sie mit moralisierender Begriffslosigkeit an den Pranger zu stellen.

Eine Konsequenz aus der vernünftigen Reflexion über die Konkurrenz könnte doch sein: Konkurrenz und Elitedünkel? Ist doch Quatsch. Wozu brauch‘ ich das, wenn wir in einer Gesellschaft leben könnten, wo alle frei nach ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten tätig wären?

Erschienen am: 12.06.2009 AutorIn: email-address