Sprache als HERRschaft
Von „Ja”-sagenden Männern
„Wer A sagt, muss auch B sagen”, so lautet ein Sprichwort. Jedermensch mag dieses schon einmal im Leben entgegengehalten worden sein. Der Ex-Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, hat Anfang der Achtziger, den deutschen Sprachschatz um eine bedeutsame Variation dieses Sprichworts bereichert: „Wer Ja zur Familie sagt, muss auch Ja zur Frau sagen.”
Wenn ein Mann also Ja zu seiner Familie sagt, muss er sozusagen in den sauren Apfel beißen und auch Ja zur Frau generell sagen. Nicht in den Kopf will mir dabei, dass dieses Ja zu Frauen, abhängig vom Ja zur Familie ist. Vielleicht meint Helmut Kohl ja mit Frau, Ehefrau, aber auch das kann nicht sein. Familie schließt ja die Ehefrau mit ein, und das A sagen impliziert somit schon das B sagen. Auch mag ich nicht verstehen, wenn eine Frau Ja zur Familie sagt, wie sie dann zu Ihrer Ehefrau ja sagen soll, da sie ja meisten keine hat. Alles in Allem, doch eine recht widersprüchliche Version des Sprichwortes. Auflösen lässt es sich mithin nur, wenn Dr. Helmut Kohl als damaliger Kanzler gar nicht zu Frauen hätte sprechen wollen. In dem Sinne steht er ganz klar in der Tradition eines Jahrtausende alten Herrschaftssystem, dem Patriarchat.
Zurück in die Gegenwart
All das liegt schon 20 Jahre zurück, und die feministische Bewegung hat es geschafft ein Bewusstsein für die gegenseitige Bedingung von Sprache und Herrschaft aufzubauen. In einigen Fällen konnten, hart erkämpft, diskriminierende Sprachregelungen bezüglich der Frauen abgeschafft werden. Es ging dabei immer auch um das Identifiziert werden - für Menschen existenziell wichtig. Es geht um die Wahrnehmung, Beachtung und Bestätigung der eigenen Identität. Wir könnten es nicht ertragen ständig einer Fehlidentifikation zu unterliegen1. Gerade seit Mead wird unterschieden zwischen einem spontanen Teil des Selbst („I”) und einem sozialisierten Teil („Me”). Dieser sozialisierte Teil des Selbst wird auch Identität genannt, und als Zusammenwirken betrachtet von Identifizierungen durch andere und Selbstidentifikation (Aneignung der Identifizierungen).
Frauen befanden und befinden sich aber in der schizophrenen Lage, dass ihnen sogar die Identität „menschliches Wesen” nicht bestätigt wurde oder wird, einfach deswegen weil sie als Mitglieder der Spezies Mensch und anderer Gruppen, denen sie faktisch angehören, gar nicht wahrgenommen werden2.
Das spiegelt sich auf vielen Ebenen wider, so heißt es in der Grundordnung der Universität Paragraph 3: „Die Universität trägt in ihren Aufgabenbereichen aktiv zur Verwirklichung der Gleichberechtigung aller Menschen bei. Insbesondere fördert sie die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.”3 Hier wird Ja zur aktiven Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frauen gesagt, doch wie schaut es nun denn aus mit dem B sagen?
In der Grundordnung werden immer wieder auch feminisierende Gruppenbezeichnungen (Hochschullehrerinnen, Mitarbeiterinnen etc.) benutzt. Ein entscheidender Bruch in der Grundordnung tritt dann aber auf, wenn es um Gremien geht. Der öffentlich politische Raum immer noch stark besetzt durch Männer und männliche Prinzipien, wird auch als solcher wahrgenommen und dementsprechend, wenn auch vielleicht unbewusst, so gesetzt. Hier wird dann nur von Hochschullehrergruppe gesprochen, oder der Mitarbeitergruppe.
Noch erstaunter muss frau eigentlich sein, wenn z.B. auf der Startseite der Universitätshomepage nur von Studienbewerber und Mitarbeiter die Rede ist. Traut sich frau dann als Studienbewerberin, die Verlinkung Studienbewerber anzuklicken, ganz im Bewusstsein eigentlich gar nicht angesprochen zu sein, erfährt sie, dass sie nun eigentlich wirklich nicht gemeint sei. Es ist nur die Rede von EU-Bürger, Gasthörer, Staatsangehöriger usw., immer wieder begegnet frau eigentlich der Nichtbeachtung durch Nichtbezeichnung. Es kann auch nicht gelten dass Frauen nunmal immer mitgemeint seien. Es führt dann zu solch abstrusen Sätzen auf Einladungen der Universität wie: „es kommen alle Professoren mit ihren Frauen.” Ganz klar sind hier unter Professoren keine Frauen mitgedacht, wieso sollte Mann auch.
Die materielle Gewalt der Sprache und deren materielle Basis
Nun wird an diesen Beispielen schon deutlich, welche Auswirkung Sprachregelungen haben. Am Schweizer Wahlrecht wird das noch deutlicher, so konnten Frauen bis in die 60er hinein nicht wählen, weil das Wahlrecht von „alle Schweizer” sprach. Erst als diese Formulierung ersetzt wurde durch „alle Schweizer und Schweizerinnen”, wurden Frauen das Wählen ermöglicht.
An diesem Fall wird deutlich, dass eine dominierende materielle Basis von Sprache das Patriarchat ist, und wiederum ständig reproduzierend und verfestigend für das Patriarchat wirkt.
In der Sprache werden unsere grundlegenden Wertvorstellungen kodifiziert, und Trömel-Plötz konnte im Rahmen einer feministischen Wortschatzanalyse über Archilexeme4 folgendes feststellen5: Bei Personenbezeichnungen, wenn es Archilexeme gibt, sind sie männlich. Bei Nutztieren wird anscheinend das nützlichere Geschlecht zum Archi: HUHN/Hahn; ZIEGE/Ziegenbock. Bei Raubtieren der männliche Gegner des Mannes (das starke Geschlecht?): LÖWE/Löwin; BÄR/Bärin. Bei relativen Adjektiven, dass Mehr der jeweiligen Dimension: GROSS/klein; LANG/kurz. Das Archilexem Tag hat gegenüber Nacht die positiveren Konnotationen. Zum Archi wird anscheinend das jeweils Wichtigere, Größere, Positivere. Kein Wunder, dass für Gruppenbezeichnungen des öffentlichen Raums männliche Archilexeme verwendet werden, ist der Mann doch immer noch der wichtigere, größere und bessere Mensch in unserer Gesellschaft.
Sprachliche Ökonomie und die Rede von Ästhetik
In Diskussionen, diese patriarchale Sprache zu verändern, wird immer wieder darauf hingewiesen, wie unästhetisch und schwerfällig die Frauen mit einschließende (eigentlich eher beachtende) Sprache sei. Die Texte würden eine Schwerfälligkeit aufweisen, und der/die LeserIn würde dadurch der Zugang erschwert – eine Argumentation, die u.A. auch von den Hochschulpolitischen Gruppen ADF, RCDS in ihren Publikationen benutzt wird.
Diese, auf Ästhetik und sprachliche Ökonomie abzielende, Argumente sind in dem Sinne sehr unangemessen, da es zu den menschlichen Grundrechten gehört, als Mensch respektiert und damit auch identifiziert zu werden. Eine frauenignorierende Sprache verletzt somit diese, und die ADF, als sich selbstbetitelnde Verteidigerin der freiheitlichen Grundordnung, müsste sich zu dieser Problematik in angemessener Weise positionieren, anstatt es einfach zu ignorieren.
Sprache ist wandelbar, wie alles von Menschen geschaffene, damit ist auch die ästhetische Komponente änderbar, Jede/r Mensch trägt somit eine gewisse Verantwortung. Wer also Gleichberechtigung fordert und will, muss auch in der Sprache eine festigende Struktur des Patriarchats und anderen Herrschaftssystemen sehen und gewillt sein diese zu ändern.
Ein Blick in die Zukunft und von vergessenen Individuen
Wird ein Blick auf den obigen Text geworfen, wird sofort der Eindruck vermittelt, es mag nur zwei Geschlechter geben. Immer wieder wird von uns verlangt Menschen einzusortieren in weiblich oder männlich, egal ob sie sich so selbst identifizieren. Aus vielen Bereichen ist gerade diese Zweigeschlechtlichkeit in Frage gestellt, und immer mehr Individuen, möchten sich nicht in diese beengende zweigeschlechtliche Einfältigkeit einsortieren lassen.
Welche Möglichkeiten bietet Sprache? Es gibt durchaus Ansätze diesen Menschen einen Raum in der Sprache zu geben; sie somit zu sehen und anzusprechen. Durch den Unterstrich: So würde ich Studienbewerber_In schreiben.
Das ist mir alles viel zu viel!
Es ist natürlich schwer, dass alles zu beachten und ad hoc anzunehmen, aber darum geht es hier auch nicht. Es geht um die Bedeutung von Sprache und deren materiellen Auswirkungen. Sprache ist nicht neutral, sondern entsteht aus einem Kontext und wirkt auch in diesen hinein. Es geht darum Sprache nicht als starres System zu begreifen, mit Sprache zu „spielen”, emanzipatorische Ansätze auch in sie hinein zu bringen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Sprache auch zur Benennung von Hierarchien dient. Würde unsere Sprache nur noch eingeschlechtlich sein, bestehe zum Beispiel die Gefahr das bestehende Hierarchien nicht benannt werden könnten.
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1) Das bestätigen Bereiche der Schizophrenieforschung (Laing), Kommunikationstheorie (Watzlawick) und der sozialpsychologischen Identitätsforschung (gerade in der Nachfolge von Mead).
2) Die zehn Gebote beginnen alle mit einem „Du” (sollst Vater und Mutter ehren, nicht töten, nicht stehlen ?) und sollen die ganze Menschheit ansprechen. Im 10. heißt es dann aber „Du sollst nicht begehren deines nächsten Weib etc.”, hieraus kann nur geschlossen werden, dass auch mit den vorausgegangenen „Du”s Frauen nicht gemeint waren. Ihnen mehr noch das Mensch sein abgesprochen wird, da sie auf eine Stufe mit Haus, Acker und Vieh gesetzt werden – als Besitzgüter des Mannes.
3) http://www.uni-goettingen.de/docs/f802d6e0c571cc1287065a4de0b296e4.pdf
4) Archilexeme, als linguistischer Term, bezeichnen Wörter die Ober- oder Sammelbegriffe darstellen.
5) Siehe Trömel-Plötz, Senta 1980 „Sprache, Geschlecht und Macht” und 1982 „Linguistik und Macht” in Linguistische Berichte